Corona-Meisterschaft, Spieltage 4 und 5 (Drittliga-Spieltage 31 und 32)
Was für eine Woche beim 1. FC Magdeburg! Erst die Nicht-Leistung im Spiel in Rostock, dann die Entlassung von Trainer Claus-Dieter Wollitz und die Degradierung von Sportchef Maik Franz, schließlich gleich im ersten Spiel der erste und wahnsinnig wichtige Sieg für Neu-Cheftrainer Thomas Hoßmang. Dazu viel Erleichterung, reichlich (externes) Kopfschütteln ob des Bildes, das der Club inzwischen in Fußballdeutschland abgibt und die Frage, wie problematisch die Situation für den FCM derzeit tatsächlich ist. Schauen wir uns die zweite Woche der Corona-Meisterschaft in der dritten Liga doch noch einmal in Ruhe an.
11 gegen 0 in Rostock
Zunächst wäre da der, tja, wie können wir das nennen? Auftritt? in Rostock am Dienstag. Bei der Mannschaftsaufstellung dachte ich mir noch: „Sieht interessant aus. Das könnte was werden!“ – Diese Einschätzung sollte ich nach nur 29 Minuten Spielzeit komplett revidieren. Trainer Wollitz hatte mal wieder ordentlich am Rotations-Rad gedreht und für diese Partie folgende Mannschaft in einer 3-5-2-Grundordnung aufs Feld geschickt: Morten Behrens im Tor, davor in der Dreierkette Harant, Müller und Koglin. Das Mittelfeld bildeten Gjasula, Rother und Jacobsen zentral, auf den Außenbahnen begannen Bell Bell und Costly. Im Sturm sahen wir Beck und Bertram.
Bzw. sahen nichts, weil das, was der 1. FC Magdeburg „auf die Platte brachte“ (‚tschuldigung, aber einmal musste der Ausdruck hier im Blog fallen) beim Zuschauen in Herz und Seele schmerzte. Während Hansa Rostock überwiegend gradlinig spielte und zeigte, was in der 3. Liga möglich sein kann, wirkte der Club hilf-, saft- und kraftlos. Schwenkte die TV-Kamera auf die Bank, sah die geneigte Zuschauer*innenschaft gehemmte, fast schon bedrückte Gesichter, denen jegliche Zuversicht abging.
Zugegeben, ein Chancenfeuerwerk brannten die Gastgeber im Ostseestadion nicht ab, dennoch hatten sie eine klare Spielidee, die dazu führte, dass das Team von Jens Härtel zumindest immer gefährlich wirkte. Die Führung in der 42. Minute war nur folgerichtig; Philipp Harant, der bis dahin ansonsten in seinem ersten Drittliga-Start ein ordentliches Spiel machte, hatte einen Elfmeter verschuldet, den Maximilian Ahlschwede sicher versenkte. Danach: Kein Aufbäumen. Kein Antreiben. Kein „Jetzt erst recht“. Nix. Fast schien es so, als würde die Mannschaft den Rückstand lediglich zur Kenntnis nehmen, um sich dann weiter in Ratlosigkeit und gelegentlichen Einzelaktionen zu ergehen. Dienst nach Vorschrift quasi. Fußball spielten sie ja, machten dabei aber nur das Nötigste. Naja, und dass das im Abstiegskampf nicht reicht, liegt ja auf der Hand.
Was den Abend nicht eben besser machte, war die fiese Verletzung von eben jenem Philipp Harant in der 52. Minute. Inzwischen hat der Verein kommuniziert, dass sich der junge Innenverteidiger einen doppelten Bänderriss sowie eine Kapselverletzung am Fuß zugezogen hat und damit natürlich länger ausfallen wird. Schöner Mist, die aktuelle Situation mit vielen Spielen in kurzer Zeit wäre sicher eine gute Chance auf viel Spielzeit gewesen.
Je länger die Partie dauerte, desto ernüchterter ließ sie mich am Fernseher zurück. Zwischenzeitlich wurde ich zwar heiser vom Zuhören, weil zumindest die Trainer lautstark dirigierten, von meiner Mannschaft sah ich aber weiterhin nur gruslige Dinge. In der 70. Minute das 0:2, ich notierte nüchtern: „So steigen wir ab.“ Das Elfmetertor von Jürgen Gjasula in der 79. Minute war letztlich nur noch Makulatur, mit dem 3:1 in der Nachspielzeit entschied Pascal Breier schließlich eine Partie, die zu keiner Zeit einen wirklichen Wettkampf darstellte. Waren die vergangene und die bisherige Spielzeit schon schwierig, war das – fußballerisch – sicherlich ein expliziter Tiefpunkt. Wer noch eine weitere Perspektive auf die Partie sucht, wird in diesem Text von Nicole Otremba für Sportfotos Magdeburg fündig.
Das mit dem Tiefpunkt sahen offenbar auch die Vereinsgremien so, stellten am Mittwochabend Claus-Dieter Wollitz frei und ließen den bis-dato-Sportdirektor Maik Franz ins zweite, dritte oder vierte Glied rutschen. So genau weiß das keiner; in der Pressemitteilung, die der FCM zur Trainerentlassung verschickte, tauchte sein Name jedenfalls gar nicht auf und war nur zu lesen, dass Mario Kallnik ab sofort auch die Sportdirektoren-Aufgaben (wieder) übernimmt. Und dass Thomas Hoßmang bis Saisonende als Cheftrainer auf der Bank Platz nehmen wird – jener Mann, der seinerzeit gemeinsam mit einem gewissen Jens Härtel in Magdeburg begann. „Zurück in die Zukunft“ also beim 1. FC Magdeburg, hoffentlich. Die Erleichterung rund um diese Personalentscheidungen war auf jeden Fall groß und den Kommentaren hier im Blog nach zu urteilen stand ich mit meinem Gefühl nicht allein da.
Sechs-Punkte-Sieg gegen Köln
Einmal kräftig durchgeschüttelt, traf der Club dann am Samstag auf Viktoria Köln und damit auf einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf. Ein sogenanntes Sechs-Punkte-Spiel also, für das Thomas Hoßmang einige Veränderungen vornahm, gegen den Ball ein flaches 4-4-2 spielen ließ und mit folgenden Akteuren begann: Behrens im Tor, Bell Bell (mit einem ganz starken Spiel!), Perthel, Müller und Costly in der Viererkette, davor Preißinger, Gjasula, Rother und Bertram, im Sturm Beck und Kvesic, wobei ich meine, gesehen zu haben, dass da bei eigenem Ballbesitz auch mal ein 4-3-3 draus werden konnte.
Nun ist es natürlich leicht, in einen Auftritt nach einem Trainerwechsel Dinge hineinzuinterpretieren, weil man sie unbedingt sehen möchte. Trotzdem konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Team mit einem Ticken mehr Einsatz, mit einem Ticken mehr Spielfreude bei der Sache war, wenngleich insbesondere in der ersten halben Stunde die Gäste aus Köln das klarere Spiel aufzogen und auch zu deutlich besseren Chancen kamen.
Großes Glück zum Beispiel in der 18. Minute, als ein Kölner Flachpass von der linken Seite einen völlig freien Abnehmer im Strafraum findet, der an diesem Tag ganz hervorragend aufgelegte Morten Behrens allerdings in allerhöchster Not den Einschlag verhinderte. Oder nach 23 Minuten, als der gefühlt ewige Albert Bunjaku ebenfalls von der linken Seite bedient wird und einen Schuss technisch anspruchsvoll an den Pfosten setzt. Mit anderen Worten: Hätte es hier den obligatorischen Rückstand gegeben, hätte sich keiner beklagen können.
Stattdessen ging aber der FCM in Führung, wenngleich dafür mal wieder eine Standardsituation vonnöten war (aber hey: völlig egal). In der 29. Minute brachte Mario Kvesic eine Ecke von links gefährlich vor das Kölner Tor, wo die Defensive der Gäste aber zunächst klären konnte. Jürgen Gjasula spielte den Ball dann noch einmal raus auf Kvesic, der gab ihn wieder zurück in den Strafraum, und da stand schließlich Marcel Costly zwar abseitsverdächtig, aber richtig, um den Ball über die Linie zu bugsieren und den so wichtigen Führungstreffer anschließend mit einem Kniefall zu feiern.
Dass die Führung guttat, merkte man dem Club im weiteren Verlauf deutlich an. Da waren jetzt sogar Passstafetten auf engem Raum, gute Ideen und Umschaltmomente dabei; alles Dinge also, die es bisher in diesem Jahr noch nicht allzu häufig zu sehen gab. Teil der Wahrheit ist aber auch, dass die Mannschaft einige Situationen noch sträflich liegen ließ, wie beispielsweise nach 44 Minuten, als Sören Bertram von Mario Kvesic wunderbar mit einem langen Pass auf dem rechten Flügel angespielt wird, jede Menge Zeit zum Flanken hat und den Ball dann aber direkt in einen Gegenspieler zirkelt. Geschenkt. Mit der Führung ging es in die Pause.
Der zweite Durchgang war dann über weite Strecken Standfußball, was auch an den Temperaturen in Magdeburg gelegen haben wird. Bereits nach 50 Minuten sah es so aus, als hätte 2014 angerufen und wollte Jens Härtel zurück, weil die Maßgabe nun offenbar lautete, das Ergebnis vor allem zu halten und sich bis hinter die eigene Mittellinie zurückzuziehen. Konter sollten nun das Mittel der Wahl sein; so, wie in der 51. Minute würde das allerdings nichts werden: Rico Preißinger trieb den Ball eine ganze Weile, hatte dann mehrere Möglichkeiten, Sören Bertram auf rechts in einer 3-gegen-2-Situation mitzunehmen, versäumte aber den Pass und schob den Ball letztlich in die Beine eines Kölner Verteidigers. „Hmmpf“ ist die Bemerkung, die daraufhin ins Notizbuch wanderte.
Es gab dann einige Wechsel (Jacobsen für Costly, Koglin für Müller, Conteh für Kvesic, Laprevotte für Rother, Roczen für Beck) und zwar noch die eine oder andere interessante Szene, insgesamt aber zwei Mannschaften, die hitze- und belastungsmäßig durch waren. Interessant an der Stelle war der Eindruck von Sirlord Conteh, eigentlich ja pfeilschneller Konterstürmer, der aber bereits zehn Minuten nach seiner Einwechslung so wirkte, als hätte er bereits zweimal 90 Minuten in den Knochen …
Es war jetzt ein Willensspiel, mit dem besseren Ende für die Größten der Welt: In der 90. Minute staubte Anthony Roczen zum entscheidenden 2:0 ab, nachdem es Leon Bell Bell mit einem Abschluss von links versucht hatte und Kölns Mesenhöler nur hatte prallen lassen können. Sah zwar schwer nach Abseits aus, der Treffer von Roczen, er zählte aber trotzdem und bedeutete, dass sich die Jungs von Thomas Hoßmang für einen insgesamt guten Heimauftritt auch adäquat belohnen konnten. Auch auf diese Partie findet Ihr übrigens eine weitere Perspektive bei Sportfotos MD.
Große Wermutstropfen waren allerdings die fünften gelben Karten gegen Thore Jacobsen und Marcel Costly, die damit für den anstehenden Auswärtssieg in Sachsen-Anhalt Süd ausfallen werden. Ärgerlich, das, aber natürlich nicht zu ändern. Dann holen da unten eben andere die Kastanien aus dem Feuer.
Zurück in die Zukunft oder weiter im Schatten der Vergangenheit?
Mit den Veränderungen unter der Woche und dem wichtigen Heimsieg gegen Viktoria Köln konnte der FCM die Negativspirale kurzfristig erst einmal durchbrechen. Die Frage ist natürlich trotzdem, wo der Club jetzt steht und inwiefern uns die ganzen Fehler und Probleme der letzten Monate noch länger beschäftigen werden.
Fakt ist, dass die derzeitige Situation nicht eben einfach ist: Timo Perthel, Alexander Brunst, Patrick Möschl, Mario Kvesic, Manfred Osei Kwadwo, Charles Elie Laprevotte, Rico Preißinger, Björn Rother, Thore Jacobsen (geliehen), Marcel Costly und Tarek Chahed haben nach aktuellem Stand noch keinen Vertrag über den 30.6. hinaus. Wenn es stimmt, dass zumindest bis zur Entscheidung, die Liga fortzusetzen, keine Vertragsgespräche stattgefunden haben, würde ich mich überhaupt nicht wundern, wenn der eine oder andere Verein bei dem einen oder anderen Spieler zugeschnappt hätte und etwaige Vertragsangebote dementsprechend nun zu spät kämen.
Gleichzeitig ist ja immer noch die Frage, wo wir nächste Saison eigentlich spielen und wer auf der Bank sitzen wird – keine gute Ausgangsposition für die Verhandlung mit potentiellen Zugängen, zumal das Bild, das der Club seit dem Zweitliga-Abstieg abgibt, nicht unbedingt dazu beigetragen haben wird, dass uns (vermeintliche) Verstärkungen die Bude einrennen. Jetzt kann man natürlich naiv-hoffnungsvoll annehmen, dass, wie in den letzten Jahren auch, die ersten neuen Spieler für die neue Spielzeit längst in Sack und Tüten sind. Ob das in der Verantwortlichkeiten-Konstellation, so, wie sie bis Mittwoch noch galt, allerdings eine gute oder eine schlechte Nachricht wäre, muss jede*r selbst beurteilen …
Wie dem auch sei, die Aufgabe, die Mario Kallnik als Manager und Sportdirektor in Personalunion nun vor sich hat, könnte wahrlich einfacher sein. Helfen würde natürlich schnelle Klarheit bezüglich der Frage, ob wir auch in der kommenden Saison wieder in der 3. Liga an den Start gehen dürfen oder doch wieder nach Meuselwitz, Altglienicke und Halberstadt fahren. Die Antwort kann nur die Mannschaft geben, klar, und bei noch 18 ausstehenden Punkten gibt es genügend Möglichkeiten, eine weitgehend üble Saison noch einigermaßen zu retten.
Einfach ist das alles nicht, aber wer es einfach haben will, wäre ja auch nicht Clubfan geworden (oder Verantwortlicher beim FCM). Es bleibt also spannend, die Daumen bleiben gedrückt, der Ausblick bleibt vorsichtig positiv und wer weiß? Vielleicht sieht die Magdeburger Fußballwelt am nächsten Sonntag schon wieder ganz, ganz anders aus.