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Zum Stand der Dinge

Stand der Dinge

1. FC Magdeburg – SSV Jahn Regensburg, 13. Spieltag, 2:3 (1:1)

Tja, was soll man sagen, mitten rein in die Leere, die das Spiel gegen den SSV Jahn Regensburg hinterlassen hat? Die einen erst regelrecht anbrüllte und sich dann gewaltig breit machte, überall. Im Kopf, im Herz, im Bauch. Die die Gedanken oszillieren ließ, irgendwo zwischen „irgendwas kaputt machen“ und „ich will mit Fußball bis auf Weiteres nichts mehr zu tun haben“. Oder um es dann vielleicht doch mal auf den Punkt zu bringen: Was für eine enorme, riesengroße, un-fucking-fassbare Kackscheiße.

Es ist ja einfach wirklich nicht zu glauben: In einem Spiel, das vielerorts, auch von der Mannschaft selbst, in seiner Bedeutung ordentlich hoch gehängt wurde, haben Jens Härtel und sein Team viel, sehr viel richtig gemacht. Die Mannschaft rackerte, die Mannschaft kämpfte, die Mannschaft spielte Fussball, die Mannschaft belohnte sich endlich mal, drehte das Spiel und ging in einer starken Phase völlig verdient in Führung – nur um dann wieder zwei Gegentore zu fressen, von denen zumindest das entscheidende nie und nimmer so fallen darf. Es ist halt jede Woche die gleiche Scheiße, mit der Ausnahme, dass man diesmal tatsächlich nur neun Minuten vom ersten Heimsieg der Saison entfernt war und man sich diese drei Punkte sogar redlichst verdient hätte. Und wieder steht am Ende die Frage: Wie, bitteschön, soll man denn in dieser Liga ein Spiel gewinnen, wenn man es einfach nicht schafft, so viel Aufwand und solche glänzenden Ausgangspositionen wie die gegen Regensburg in einen Erfolg umzumünzen?

Es ist zum Heulen.

Und klar, jetzt kann man draufhauen, den Kopf des Trainers fordern, alles und alle scheisse finden, pöbeln, spucken, kratzen und beißen, Dinge zerstören, Joachim Streich vor ein Mikrofon zerren oder schöne, reißerische Schlagzeilen produzieren, um Print-Produkte zu verkaufen, die von ganz weit weg betrachtet Ähnlichkeiten mit einer Zeitung aufweisen. Nur: Was wird das bringen? Und: Was will man der Mannschaft denn vorwerfen (also abgesehen vom Nicht-Abwehrverhalten beim 2:3)?

Noch mal: Auch wenn Regensburg spielerisch sicher besser war und die eine oder andere Gelegenheit liegen ließ, die Partie vielleicht schon früher zu den eigenen Gunsten zu entscheiden, war diese Begegnung trotzdem Magdeburger Heimspiel-Fußball, wie wir ihn in den vergangenen Jahren lieben gelernt haben. Im Stadion brannte die Luft, dank einer unfassbaren Energieleistung sowohl vom Vorsängerpodest als konsequenterweise auch von den Rängen. Die Mannschaft pflügte den Rasen, warf sich in jeden Ball, was natürlich auch dazu beitrug, dass der Funke wieder auf die Ränge übersprang.

Es gab phasenweise schöne Kombinationen, weil nicht nur Philip Türpitz auf dem rechten Flügel einen guten Tag erwischte, sondern auch Kollege Bülter auf der anderen Seite mal wieder richtig Bock aufs Kicken hatte. Mit Aleksandar Ignjovski und Charles Elie Laprevotte hatte Jens Härtel außerdem im zentralen Mittelfeld ein hervorragendes Händchen bewiesen; hier die Kampfsau (Ignjovski), dort die Kampfsau mit Ballverteiler-Fähigkeiten (Laprevotte). Die Abwehr war zwar mit Handke, Schäfer und Müller in dieser Konstellation mal wieder neu zusammengestellt, aber eben irgendwie auch aus der Not geboren und machte ihre Sache trotzdem 81 Minuten lang den Umständen entsprechend gut. Alexander Brunst hatte mit seinem Slapstick-Assist auf Grüttner (3.) zum 0:1, den er einfach anschießt, zwar einen denkbar üblen Start ins Spiel, war dann aber auch wieder ein solider Rückhalt. Naja, und Nils Butzen und Michel Niemeyer auf der rechten bzw. linken Bahn spielten jetzt zwar nicht herausragend, hatten aber trotzdem immer wieder gute Szenen. Was ich sagen will, ist: Wesentlich besser als in den ersten 81 Minuten dieser Partie wird die Mannschaft es vermutlich aktuell einfach nicht spielen können. Und verliert in der 2. Liga dann eben trotzdem. Und das ist dann halt die wirklich bittere Erkenntnis des Nachmittags.

Womit wir dann auch beim Stand der Dinge wären. Und der Stand der Dinge ist: Es reicht derzeit in der Breite qualitativ einfach nicht für diese Spielklasse. Wer das allein dem Trainer anlasten möchte, kann das natürlich gern tun. Ist ja auch einfach. Nur: Wer jetzt den Kopf des Trainers fordert, müsste konsequenterweise die Köpfe von Mario Kallnik und Maik Franz gleich mit fordern, die (zusammen mit dem Trainer) den Kader vor der Saison offenbar stärker eingeschätzt haben, als er eben ist. Oder um es andersrum noch mal deutlich zu machen: Auch mit Pep Guardiola oder Zinedine Zidane oder wie sie alle heißen auf der Trainerbank würden wir jetzt mit einiger Sicherheit nicht ungeschlagen auf einem Aufstiegsplatz stehen.

Nicht falsch verstehen: Natürlich hat sicher auch Jens Härtel seinen Anteil daran, dass es uns (mit Ausnahme von Sandhausen) einfach nicht gelingen will, in der 2. Fußball-Bundesliga ein Spiel zu gewinnen. Aber eben nicht nur und vor allem nicht allein. Wenn man jetzt trotzdem alles auf Jens Härtel ablädt, gibt man der Mannschaft ein Alibi. Mal ganz davon abgesehen, dass so, wie die Truppe gegen Regensburg im Spiel selbst und nach dem Abpfiff aufgetreten ist, kein Team agiert, das vom Trainer nicht mehr erreicht wird. Was soll Jens Härtel denn machen, wenn Christopher Handke den Ball bei einem Regensburger Konter in der 80. Minute per Kopf eben nur zur Ecke klären kann, die dann – hervorragend getreten – zum 2:2 führt? Oder in der Kreisklasse-ähnlichen Szene zum 2:3, in der mit Steffen Schäfer, Tobias Müller und Michel Niemeyer gleich drei Akteure hinter dem Ball sind, die es trotzdem nicht schaffen, gegen 2 (!) Regensburger ein Tor zu verhindern? Weil Torschütze Al Ghaddioui einfach durchlaufen kann, weil Steffen Schäfer einfach stehenbleibt, weil Tobias Müller vorher nicht einfach konsequent draufgeht, weil Michel Niemeyer letztlich über den bemitleidenswerten Alexander Brunst purzelt und weil dann ein einfacher Lupfer (im 2-gegen-3!) ausreicht, um zum Abschluss zu kommen?

Die Mechanismen des Geschäfts werden jetzt möglicherweise trotzdem greifen, Rückendeckung für den Cheftrainer gab es nach der Partie, soweit ich das verfolgen konnte, jedenfalls keine weiter. Wenn es so kommt, ist es eben so und dann ist es an der Mannschaft, zu beweisen, dass sie es ohne diesen Trainer besser kann.

In diesem Zusammenhang noch zwei, drei Worte zum Team, weil ich das hier nicht als Spieler- oder Mannschafts-Bashing verstanden wissen will. Im Gegenteil. Die Mannschaft hat sich die 2. Liga erarbeitet, letzte Saison eine nach allen objektiven Maßstäben überragende Runde gespielt und es sich schlicht und ergreifend verdient, jetzt in dieser Spielklasse dabei sein zu dürfen. Und das ist sie auch, es spielen ja aktuell im Wesentlichen die Akteure aus dem letztjährigen Drittliga-Kader. Vor dem Hintergrund ist es prinzipiell auch gar nicht schlimm, zu erkennen, dass bei dem einen oder anderen nun möglicherweise das Ende der Entwicklungs-Fahnenstange erreicht ist. Und es ist überhaupt kein Grund, das Team nicht trotzdem mit allem, was man hat, zu unterstützen. Die Sache ist nur: Entwicklungspotentiale und Leistungsvermögen zu erkennen, ist in letzter Konsequenz Angelegenheit der sportlichen Leitung und wenn man zu dem Schluss kommt, dass man auf der einen oder anderen Position dringend etwas tun muss, dann muss man das eben machen. Dafür ist das Transferfenster in der Winterpause da, während die Partien, die bis dahin noch ausstehen, ja trotzdem noch gespielt werden müssen. Ob mit oder ohne Jens Härtel, werden wohl die nächsten Stunden und Tage zeigen.

Fazit:

Ich bin wütend, traurig, bockig und enttäuscht, fühle mich machtlos und leer und habe aktuell auch bloß keine Ahnung, wie, wo und wann wir mal wieder ein Spiel in der 2. Liga gewinnen werden. Ich weiß aber, was uns in den letzten drei, vier Jahren stark gemacht hat und dort hinbrachte, wo wir eben jetzt stehen (und damit meine ich die Spielklasse und nicht den Tabellenplatz): der Zusammenhalt im Verein, auf dem Platz und auf den Rängen. Klar, das ist einfach im Erfolgsfall, im Misserfolgsfall aber das vielleicht größte Faustpfand, das wir haben. Und das, was uns stark gemacht hat, sollten wir nicht aufs Spiel setzen, unabhängig von irgendwelchen Namen und Funktionen.

Wie es nun weitergeht? Keine Ahnung. Fakt ist, dass der Club das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder vor einer ziemlich bedeutenden sportlichen Entscheidung steht. Fakt ist auch, dass die Menschen, die diese Entscheidung treffen müssen, a) sicher wissen, was sie da tun und b) ganz, ganz andere Einblicke in das Innenleben von Verein und Mannschaft haben dürften, als wir Fans die jemals haben können. In diesem Sinne wird uns erstmal nichts anderes übrig bleiben, als die Entscheidungsträger ihre Arbeit machen zu lassen und dann zu schauen, was am Ende dabei rauskommt. Das ist nicht schön und macht nicht weniger machtlos, aber es ist, wie es ist. Und Fakt ist auch: Es kommen auch wieder bessere Zeiten. Über allem steht schließlich das Emblem und der 1. FC Magdeburg, der wird niemals untergehen. Niemals!

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