SSV Jahn Regensburg – 1. FC Magdeburg, 13. Spieltag, 1:1 (0:0)
Neuer Ground, neuer Gegner – und die üblichen 2 Gesichter des 1. FC Magdeburg. Müsste man den 13. Spieltag aus blau-weißer Perspektive knapp zusammenfassen, wären diese Stichworte wohl nicht so ganz falsch gewählt. Am Ende einer entspannten Auswärtsfahrt nach Regensburg steht nach einer ziemlich guten ersten und einer insgesamt enttäuschenden zweiten Hälfte jedenfalls ein weitere Punkt auf dem Weg zum Klassenerhalt auf der Habenseite. Dass daraus keine drei wurden, lag neben einer guten Portion Pech mit zwei Pfostentreffern vor allem daran, dass man die ersten 25, 30 Minuten nach Wiederanpfiff völlig verschlief, den starken Aufsteiger aus Regensburg munter aufspielen ließ und die Chancen, die sich dann doch noch boten, am Ende nicht nutzen konnte. Immerhin: Mit dem Punktgewinn in der schmucken Continental-Arena konnte der Negativtrend mit zuletzt 2 Niederlagen in Folge zunächst gestoppt werden und gab es außerdem etliche gute Ansätze, auf die sich mit Blick auf die nächste Aufgabe gegen Hansa Rostock eigentlich aufbauen lassen sollte.
Vor das Stadionerlebnis hat der Fußball-Gott ja die Anreise gestellt und die gestaltete sich, ähnlich wie in der vergangenen Saison bei der Tour nach Würzburg, angenehm unaufgeregt. Von Fantrennung am Bahnhof war nichts zu spüren, sodass sich das Publikum im Shuttle-Bus zum Stadion bunt mischte, man bei einem gemeinsamen Kaltgetränk schnell ins Gespräch kam und sich allenthalben gemeinsam einfach auf die anstehende Begegnung freute. Irgendwie gut, zu wissen, dass es so eben auch geht und dass sich Fußballfans – für viele Außenstehende sicher überraschend – wie ganz normale Menschen benehmen können, wenn man sie nicht wie potentielle Schwerverbrecher und/oder wilde Tiere behandelt. Alles jedenfalls vollkommen entspannt bis zur Ankunft an der Continental-Arena (und dito für die Abreise), wo dann allerdings noch ein längerer Marsch um die Spielstätte zu absolvieren war, bis man dann auch tatsächlich im Gästeblock stand.
Für die Partie, die letzten Endes knapp 6.400 Zuschauer (davon etwa 1.500 Magdeburger) sehen wollten, musste Jens Härtel die Startelf aufgrund der verletzungsbedingten Ausfälle von Manuel Farrona Pulido und Gerrit Müller erneut umbauen. Es ging erwartungsgemäß zurück zum 3-5-2 mit Christopher Handke, Nico Hammann und Felix Schiller in der Defensive, Jan Löhmannsröben und Niklas Brandt vor der Abwehr, Tobias Schwede, Marius Sowislo und Nils Butzen im offensiveren Teil des Mittelfelds sowie Christian Beck im Sturm und Florian Kath als so etwas wie eine hängende Spitze dahinter. Die größte Überraschung offenbarte allerdings ein Blick auf die Bank: Mit Lukas Cichos und Leopold Zingerle standen gleich zwei Ersatzkeeper auf dem Spielberichtsbogen, der Name “Maurice Exslager” hingegen fehlte völlig. Ein Schelm, wer “oha” dabei denkt…
Genau wie auf dem Platz ging es diesmal auch auf den Rängen gleich von Anfang an zur Sache und wusste der gut gefüllte Gästeblock zunächst mit einem doppelten “Fußballclub Magdeburg!” und einem ordentlichen scheppernden “Du bist niemals alleine!” zu überzeugen. Großer Beifall dann für die Regensburger Kurve gute fünf, sechs Minuten nach Spielbeginn: Mit einem blau-weißen (!) “Ruhe in Frieden”-Spruchband bekundeten auch die Ultras Regensburg ihre Anteilnahme an Hannes’ Schicksal. Schöne Geste, die irgendwie auch zu allem passt, was man von der Regensburger Fanszene bisher so mitbekommen hat.
Auf dem Rasen übernahm zunächst der FCM die Initiative, auch wenn der erste ernst zu nehmende Torabschluss in der 3. Minute in Form eines Flatter-Fernschusses von den Gastgebern kam. Kein Problem aber für den abermals fehlerlosen Jan Glinker im Magdeburger Kasten. Auf der Gegenseite wurde es nach sieben Minuten erstmals etwas gefährlicher: Eine schöne Kombination vor das Tor von Regensburgs Philipp Pentke führte letztlich zu einer Ecke, die zwar nichts einbrachte, aber schon mal so etwas wie ein Fingerzeig auf das war, was im weiteren Verlauf folgen sollte. Der Club mit einigem Selbstbewußtsein und viel Agilität, die allerdings in fast allen Situationen nur bis ins letzte Drittel reichte, sodass klare Torchancen aus dem Spiel heraus bis zur 33. Minute und einem Kopfball von Beck nach Flanke von Butzen Mangelware blieben. Regensburg wurde im Prinzip lediglich über Standards gefährlich, konnte sich dafür aber schnell ein Ecken-Übergewicht erarbeiten und hatte außerdem mit Jann George den über das ganze Spiel gesehen überragenden Akteur in seinen Reihen.
Apropos überragend: Auch wenn dieses Label für das Spiel von Florian Kath vielleicht ein Regalfach zu hoch gegriffen wäre, machte die Leihgabe aus Freiburg doch erneut eine überaus überzeugende Partie, arbeitete viel, suchte immer wieder die 1-gegen-1-Situation und sorgte auf diese Weise für einige Unordnung in der Regensburger Hintermannschaft. Und das auf einer Position, die er bei seinen bisherigen (zugegebenermaßen kurzen) Einsätzen im blau-weißen Dress noch nicht gespielt hatte, was ihm nach der Begegnung direkt mal ein Sonderlob vom Trainer einbrachte. Da schlummert auf jeden Fall einiges an Potential, auch wenn bei so Sachen wie dem richtigen Timing für das Abspiel sicherlich noch Luft nach oben ist. Aber hey. Hätte er diese Dinge auch schon perfekt drauf, würde er vermutlich in der 3. Liga keine Spielpraxis mehr sammeln müssen.
Die stärkste Phase im gesamten Spiel (was zu dem Zeitpunkt allerdings noch niemand ahnen konnte) hatten die Größten der Welt zwischen dem besagten Abschluss von Christian Beck (33.) und etwa der 40. Minute, in der der zu jenem Zeitpunkt verdiente Führungstreffer allerdings partout nicht fallen wollte. Erst vergibt unsere Nummer 11 nach völlig verunglücktem Abschlag von Pentke und schönem Pass von Niklas Brandt aus aussichtsreicher Position, die anschließende Ecke verwertet Christopher Handke per Kopf, wobei der Ball lediglich den Pfosten trifft. Danach war erst einmal Regensburg am Drücker, ohne jedoch etwas Zwingendes auf den Rasen bringen zu können. So ganz ungelegen kam der Pausenpfiff des insgesamt guten und resoluten Schiedsrichters Lossius für Blau-Weiß trotzdem nicht.
Während man in der Halbzeitpause dem weiteren Spielverlauf eigentlich noch ziemlich zuversichtlich entgegen sah, musste man sich in der ersten halben Stunde nach Wiederanpfiff doch ein ums andere Mal verwundert die Augen reiben. Entweder hatte Regensburgs Heiko Herrlich bei der Kabinenansprache die richtigen Worte gefunden oder der Club hatte sein Mojo schlicht und ergreifend in der Umkleide gelassen – bis etwa zur 70. Minute jedenfalls spielten fast nur die Hausherren, die die Gäste von der Elbe mit schnellem und direktem Spiel gewaltig hinterher laufen ließen. Das 1:0 für Regensburg in Minute 50 dementsprechend dann auch eine Mischung aus gescheiterten Klärungsversuchen von gleich der halben Hintermannschaft und einer hervorragenden Einzelleistung des Regengsburgers Kolja Pusch: Der Ball wird von einem Mitspieler halb im Liegen (!) auf die rechte Seite gespielt, findet von dort den Weg zum Regensburger Offensivmann, der sich in die Box dribbeln kann und mit einem Schlenzer ins lange Ecke verwandelt. In dem Moment, in dem der Ball im Strafraum war, war das Tor in dieser Form nicht mehr zu verhindern. Dass es vorher allerdings 3, 4 Magdeburger Spieler nicht schaffen, den Pass auf Pusch zu unterbinden, kann für den verschlafenen Auftakt in die zweite Halbzeit gut und gern exemplarisch stehen.
Und es ging munter weiter: Nach einem missglückten Rückpass von Jan Löhmannsröben taucht Marco Grüttner frei vor Jan Glinker auf und zwingt diesen zu einer Fußabwehr (62.), auch in Spielminute 68 ist der Keeper bei einem vielversprechenden Regensburger Angriff zur Stelle. Bei Blau-Weiß war indes ordentlich Pfeffer drin: So gerieten nach einer knappen Stunden zunächst Felix Schiller und Christian Beck gewaltig aneinander (58.) und hatten sich später auch Christopher Handke und Niklas Brandt ordentlich was zu sagen. Das gab es so schon ziemlich lange nicht mehr und es bleibt zu hoffen, dass das, was da gesagt werden musste, in diesen Momenten auch gesagt wurde und nicht irgendwie noch was nachhängt. So richtig harmonisch sah das jedenfalls nicht aus…
Etliche Fehler im Spielaufbau, viel langen Hafer und einen erheblichen Mangel an Zugriff auf die Regensburger Angriffsbemühungen später war es in der 70. Minute schließlich Jan Löhmannsröben, der den Spielverlauf in Halbzeit 2 mit einem satten Sonntags-Volley aus ca. 20 m einigermaßen auf den Kopf stellte. Perfekt getroffen, segelt der Ball wie an der Schnur gezogen an Freund und Feind vorbei und schlägt unhaltbar in der linken Ecke des Regensburger Tores ein. Viel, viel Glück für den 1. FC Magdeburg, dass man da nicht schon mit 2 oder 3 Toren im Rückstand ist und nun sogar noch Möglichkeiten bekommen sollte, die Partie für sich zu entscheiden. Obwohl Regensburg sich vom Ausgleich wenig beeindruckt zeigte, wurde der Club nun wieder besser und vor allem ballsicherer. In der 82. Minute verpasst es zunächst Florian Kath, sich für seinen guten Auftritt mit einem Tor zu belohnen. Einen langen Ball verarbeitet er gut, lässt Regengsburg Oliver Hein geschickt aussteigen, scheitert dann aber mit seinem Schuss am reaktionsschnellen und eigentlich schon geschlagenen Philipp Pentke, der irgendwie noch die Schulter an den Ball bekommt und ihn so rechts am Tor vorbeilenkt. Wenn Marius Sowislo in der Szene vielleicht einen Ticken früher antizipiert, kann er den derart abgefälschten Schuss vielleicht sogar noch über die Linie drücken.
Kurze Zeit darauf ist es dann ein Regensburger Abwehrspieler, der fast die Magdeburger Führung besorgt: Ein langer Hammann-Freistoß von rechts wird per Kopfabwehr unglücklich verlängert, landet dann aber nicht im Kasten, sondern am Pfosten und geht von dort ins Toraus. Pech diesmal also für den Club, genau wie in der letzten guten Aktion kurz vor Abpfiff, in der ein weiterer Hammann-Freistoß, diesmal von links, an Freund und Feind, aber eben auch am rechten Pfosten vorbeirauscht. In der Nachspielzeit, in der auch Regensburg noch einmal alles versuchte, um den Heimsieg zu landen, wurde dann gleich dreimal gewechselt: Tarek Chahed ersetzte zunächst Florian Kath, Julius Düker kam für Christian Beck und ganz am Ende noch Steffen Puttkammer für Marius Sowislo. Die Architektur des Spiel veränderte das nicht mehr groß, nahm dafür aber Zeit von der Uhr und sicherte im Endeffekt den einen und unter dem Strich vermutlich auch leistungsgerechten Auswärtspunkt.
Was lässt sich neben diesem einen Zähler nun so alles aus der Partie mitnehmen? Zunächst wurde einmal mehr deutlich, dass die Mannschaft im 3-5-2 derzeit offenbar am besten zurecht kommt, und zwar weitgehend unabhängig davon, wer die offensive Schaltzentrale (diesmal Sowislo) oder die zweite Stürmerposition neben Christian Beck (diesmal Florian Kath) besetzt. Angesichts der Tatsache, dass man für diese Positionen ja unter anderem auch noch einen Sebastian Ernst und eben einen Manuel Farrona Pulido, also ordentlich Alternativen, in der Hinterhand hat, ist das sicherlich eine gute Nachricht. Weniger gut ist es allerdings, wenn die Mannschaft sich durch schnelles und direktes Spiel des Gegners relativ einfach aus dem Konzept bringen lässt und vor allem, wie jetzt wieder, ganze Spielabschnitte vollständig verschläft. Wann war eigentlich das letzte Mal, dass wir über 70, 80 Minuten präsent waren und unser Spiel weitgehend souverän durchbringen konnten? Gegen Paderborn? Mir ist natürlich vollkommen klar, dass es in dieser ausgeglichenen 3. Liga unheimlich schwierig ist, gegnerische Mannschaften über ein ganzes Spiel hinweg vollständig im Griff zu haben (außer vielleicht, man ist eine absolute Spitzenmannschaft), aber es ist schon auffällig, dass bisher in fast jedem Saisonspiel zwischendrin mal ein ordentlicher Zugriffs-Knick zu verzeichnen war.
Bleibt der aber aus bzw. spielen wir unser Spiel, sind wir – und das ist dann eben die deutlich positive Note – mit dieser Mannschaft offenbar jederzeit in der Lage, in irgendeiner Weise gefährlich zu werden, und wenn es ’nur‘ über Standards in Tornähe ist. Und wie gesagt: laufen, 2, 3 Situationen nur ein klitzekleines bisschen anders, würde dieser Text hier jetzt vom dritten Auswärtssieg zeugen. Als nächstes wartet nun Hansa Rostock, die mit ihrer Serie von vier Siegen aus den letzten sechs Partien (in Duisburg! in Paderborn! in Köln!) vielleicht gerade zur richtigen Zeit kommen. Und was gibt es eigentlich Schöneres, als vor ausverkauftem Haus in einem lauten und stimmungsvollen Duell gegen den letzten DDR-Meister mal wieder einen ordentlich überzeugenden Heimsieg zu landen?
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