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Zehn Minuten Rausch

28. Spieltag

SC Paderborn – 1. FC Magdeburg, 28. Spieltag, 1:1 (0:0)

11.067 Zuschauer, Flutlicht und eine mit über 2.000 Clubfans an einem Dienstagabend mehr als ordentlich gefüllte Gästekurve in Paderborn – Fußball-Herz, was willst Du eigentlich mehr? Zugegeben, ein Auswärtssieg der Größten der Welt wäre der krönende Abschluss eines in allen Belangen spitzenspielwürdigen Abends gewesen, aber auch so hielt die Partie des Tabellenersten gegen den -zweiten viel von dem, was die Paarung im Vorfeld versprach. Dass es an der Pader trotz des Führungstreffers von Richard Weil in der 61. Minute nicht zu drei Punkten reichte, lag – einmal mehr – an einer suboptimalen Chancenverwertung und einem Gegner, der phasenweise eindrucksvoll bewiesen hat, dass er derzeit völlig zu Recht an der Spitze der 3. Liga steht.

Trotz des abgesagten Spiels gegen den FSV Zwickau am vergangenen Wochenende und einem eigentlich ausgeruhten Kader überraschte Trainer Jens Härtel mit einigen Startelf-Änderungen gegenüber der letzten Partie in Rostock. Andre Hainault stand das erste Mal seit dem 13.08.2016 wieder von Beginn an auf dem Platz, spielte direkt durch und machte insgesamt eine sehr ordentliche Partie. Links von ihm spielte Steffen Schäfer, der Christopher Handke ersetzte, rechts begann Felix Schiller in der Dreier-Abwehrkette. Tobias Schwede rückte ins linke Mittelfeld, die Zentrale besetzten Richard Weil und Björn Rother, Nils Butzen, der nicht seinen besten Tag erwischt hatte, bearbeitete die rechte Außenbahn. Vorn links gab Florian Pick sein Startelf-Debüt, im Sturmzentrum begann Christian Beck, rechts Philip Türpitz.

Nach einer ganz kurzen Phase des Abtastens und Warmwerdens gehörten die ersten knapp 20 Minuten der Partie den Größten der Welt und hätte in jenen 20 Minuten eigentlich zwingend das erste Tor des Tages fallen müssen. Bereits in der 6. Minute hatte der auffällige Florian Pick die Führung auf dem Fuß, nachdem er von Richard Weil mit einem Freistoß von knapp hinter der Mittellinie hervorragend eingesetzt worden war. Seine freie Direktabnahme platzierte er dann allerdings, von rechts kommend, neben den linken Pfosten. Quasi direkt im Anschluss die nächste Gelegenheit, die wieder, diesmal aber unfreiwillig, von Florian Pick ausging. Angeschossen von Marlon Ritter, kommt der Ball zu Philip Türpitz, der im eigenen Angriffsdrittel direkt umschaltet, dann allerdings so eine Mischung aus Flanke und Torabschluss produziert, die ebenfalls am linken Pfosten vorbei rauscht.

Von Paderborn war bis zu diesem Zeitpunkt gar nichts zu sehen; erstmals vor das von Jan Glinker gehütete Tor kam man nach etwa 8 Minuten mit einer Flanke von rechts, die für unsere Nummer 1 allerdings kein Problem darstellte. Chancen produzierte eigentlich nur der 1. FC Magdeburg: Nach 12 Minuten ist es ein Eckball, den Andre Hainault rechts am Tor vorbeiköpft, danach wird Christian Beck auf dem linken Flügel eingesetzt, findet seine flache Hereingabe im Strafraum allerdings keinen Abnehmer. Nach 18 Minuten dann die Riesengelegenheit für den Mittelstürmer, selbst einen Treffer zu erzielen. Ausgangspunkt ist eigentlich ein Paderborner Angriff, der aber im Strafraum geklärt werden kann und nach dem alles plötzlich ganz schnell geht: Weil auf Türpitz, der sich mit einer schönen Drehung Platz verschaffen kann und in Richtung Paderborner Hälfte marschiert. Auf Höhe des Mittelkreises bekommt Richard Weil den Ball zurück und spielt einen überragenden Diagonalpass direkt in den Lauf von Beck, der im Strafraum aufzieht, die Kugel direkt nimmt und Leopold Zingerle im Paderborner Tor zu einer starken Parade zwingt. Im Gästeblock rieb man sich abwechselnd verwundert die Augen und raufte sich die Haare – dass es hier noch nicht 1:0 für die Guten stand, war eigentlich unverständlich und erinnerte an die Chancenflut in Rostock, an deren Ende man mit leeren Händen dastand.

Erschwerend kam hinzu, dass nach 20 Minuten nun auch der SC Paderborn immer besser ins Spiel fand und von hier an die Begegnung bis zum Halbzeitpfiff im Prinzip dominierte. Neben einem aggressiven und sehr frühen Pressing, aus dem sich der 1. FC Magdeburg fast nur mit langen Bällen befreien konnte (die in gefühlten 90% der Fälle wieder beim Gegner landeten), halfen die Gäste allerdings auch mit etlichen Ungenauigkeiten kräftig mit, die Hausherren ins Spiel zu holen. Da landeten Einwürfe ohne Not in den Füßen der Paderborner, konnte man kaum mal zweite Bälle gewinnen oder Pässe über mehr als zwei Stationen an den Mann bringen, ohne, dass der Ball direkt wieder weg war. Unklar eigentlich, warum sich die Mannschaft nach der starken Anfangsphase derart die berühmte Butter vom Brot nehmen ließ.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass der SC Paderborn das nun stark spielte, die gewonnenen Bälle deutlich besser verarbeitete als der Club und mit seinen schnellen und ballsicheren Offensivkräften in der Magdeburger Hälfte immer wieder für reichlich Alarm sorgte. Dank einer sattelfesten blau-weißen Defensive mit einem sehr aufmerksamen Andre Hainault, der potentielle Lücken immer wieder stopfte, bevor sie überhaupt entstehen konnten, blieben klare Torchancen allerdings Mangelware. Nach 22 Minuten gab es nach einem Freistoß mal einen Kopfball von Leon Fesser, der über das Tor ging, kurz darauf zwei Ecken, die aber beide geklärt werden konnten.

Die größte potentielle Paderborner Chance in Durchgang 1 vergab Kwame Yeboah in Spielminute 36: Nach einem Einwurf für den Club (!) wird der Ball aus der Abwehr einfach mal nach vorn geschlagen; Yeboah bleibt an der Strafraumkante Sieger gegen Hainault, hat glücklicherweise dann aber den Kopf unten, sodass er den freien Phillip Tietz, der sich im Rücken von Felix Schiller davongestohlen hatte, nicht sieht und selber den Abschluss versucht. Gestört vom zurückeilenden Steffen Schäfer, kann Yeboah den Ball von der Grundlinie aus dann nur noch scharf in die Mitte spielen, wo Jan Glinker aber zur Stelle ist und die Hereingabe klärt. Zum Abschluss von Halbzeit 1 dann noch einmal ein schicker Spielzug des 1. FC Magdeburg: Über die linke Seite, Björn Rother, Tobias Schwede und Christian Beck kommt der Ball in den Strafraum, wo Philip Türpitz auf Andre Hainault ablegt, dessen Schuss aus dem Rückraum dann aber deutlich über den Kasten geht.

Dann war erst einmal Pause und so richtig sicher war man sich allenthalben nicht, was man nun aus dem ersten Durchgang machen sollte. Einerseits hatten die Größten der Welt genügend Chancen, in diesem komplizierten Spiel in Führung zu gehen, andererseits gab man die Kontrolle phasenweise vollständig ab und ließ sich vom SC Paderborn ordentlich unter Druck setzen. Immerhin stand aber die Null, was bei einer Mannschaft, die vor der Partie in 14 Heimbegegnungen 34 (!) Tore erzielt hatte, ein durchaus ordentliches Zwischenergebnis darstellte.

Halbzeit zwei begann direkt mal mit einem Wachmacher der Hausherren; Felix Schiller hatte sich in der 47. Minute am eigenen Strafraum einen unnötigen Ballverlust geleistet, Marlon Ritter sich im Anschluss sehenswert in den Sechzehner gedribbelt. Sein Abschluss verfehlte das Tor dann allerdings knapp. Insgesamt änderte sich das Bild aus der ersten Halbzeit zunächst wenig: Der Club mit einigen Fehlern im Spielaufbau, Paderborn mit mehr Ballbesitz (und der einen oder anderen Torraumszene), aber ohne wirklichen Ertrag.

Dann brach die 54. Minute an und mit ihr im Prinzip ein zehnminütiger FCM-Rausch, der schließlich auch im Führungstreffer für die Größten der Welt gipfelte. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt oder einen Knopf gedrückt, legte der Club plötzlich wieder Offensivaktionen auf, die auch die Kurve direkt mal mitnahmen und den Gästeblock zu einem stimmungsvollen „Oh, FC Magdeburg!“ animierten, verbunden mit dem festen Willen, den Ball doch bitte jetzt auch akustisch ins Tor zu drücken. Zunächst war es Philip Türpitz, der den nächsten Riesen liegen ließ. Nachdem er sich in der 56. Minuten im Strafraum schön durchgesetzt hatte, musste er den Ball eigentlich nur noch ins Tor schieben, entschied sich aber für die Variante „Volles Mett!“ und donnerte seinen Schuss aus 7, 8 Metern mit Schmackes über den Kasten. Unmittelbar im Anschluss dann der große Auftritt des Florian Pick: Von der rechten Seite dribbelt er sich in den Strafraum, lässt in bester Lionel-Messi-Manier sechs Gegenspieler wie Slalomstangen stehen und nagelt den Ball schließlich so an die Unterkante der Latte, dass er von dort wieder ins Feld springt. Sitzt der Ball, ist das das Tor des Jahres. Mindestens.

So aber blieb es zunächst beim 0:0 und just, als man sich so dachte: „Mensch, die Mannschaft müsste sich jetzt eigentlich mal belohnen!“ eskalierte der Gästeblock. Ein Schwede-Freistoß von der linken Seite wird lang und länger und findet schließlich Richard Weil am langen Pfosten, der den Ball per Kopf in die kurze Ecke drückt. Führung für die Größten der Welt, und das in dieser Phase des Spiels völlig verdient. Die Hausherren kurz geschockt, endlich mal eine Torchance genutzt und beim Tabellenersten mit 1:0 in Front. So ungefähr hatte man sich das vorgestellt, folgerichtig schallte es nun „Auswärtssieg! Auswärtssieg!“ aus dem Block – ein wenig voreilig, wie sich nur drei Minuten später herausstellen sollte.

Der SC Paderborn musste sich nach dem Gegentor nämlich nur kurz schütteln und kam danach äußerst eindrucksvoll zurück. Man drückte alle Blau-Weißen erfolgreich in die eigene Hälfte, konnte sich den Ball im letzten Drittel in aller Ruhe hin- und herschieben und auf die rechte Seite zu Lukas Boeder passen. Der nahm Ritter im Strafraum mit, wo sich bereits Kwame Yeboah clever von der Innenverteidigung gelöst hatte. Der Ball kam dann auch prompt zum jungen Australier, der zentral noch zwei Leute austanzen kann und dann überlegt in die linke untere Ecke abschließt. Wahnsinn, wie passiv die Magdeburger Abwehr da insgesamt agierte und wie leichtfertig und schnell man die Führung wieder aus der Hand gab. Und Paderborn? Nutzt die zweite echte Torchance, um zum Ausgleich zu kommen. So spielt ein Aufsteiger.

Das Gegentor beendete die bis dato stärkste Phase im Spiel der Gäste jäh – plötzlich waren bei Paderborn nicht nur Ball- und Passsicherheit zurück, sondern auch das Publikum da, das bei einem entsprechenden Spielverlauf dann eben doch auch einiges an Lautstärke produzieren kann. War das Spiel bis dahin schon ordentlich intensiv, wurde es nun richtig interessant, wenngleich klare Torchancen ausblieben. Einzige Ausnahme: Die 84. Spielminute, in der Phillip Tietz am linken Pfosten das 2:1 für Paderborn verpasst, nachdem Marlon Ritter den Ball im Strafraum in Richtung Tor brachte und Tietz Nils Butzen davongelaufen war. Riesenglück für den Club, dass Paderborns Winterneuzugang von Eintracht Braunschweig da nicht genau genug zielen konnte.

Jens Härtel hatte zuvor bereits sein Wechselkontingent vollständig ausgeschöpft und in der 76. Minute Philip Türpitz durch Marcel Costly ersetzt. Tobias Schwede und Florian Pick hatten nach 82 Minuten Feierabend, für sie waren Nico Hammann und Julius Düker in die Partie gekommen. Insbesondere Costly hatte noch einige richtig starke Szenen und konnte sich durchaus für weitere Einsatzminuten empfehlen. Am Spielergebnis änderte sich letztlich allerdings nichts mehr, nach eher sparsamen zwei Minuten Nachspielzeit pfiff Schiedsrichter Michael Bacher die Partie schließlich ab und trennten sich die Größten der Welt und der SC Paderborn unter dem Strich leistungsgerecht mit 1:1.

Was lässt sich vor der nächsten Partie am Sonntag zuhause gegen den VfR Aalen nun aus dieser Begegnung mitnehmen? Zunächst mal sind da, klar, die verpassten Torchancen, die einen im Stadion (und sicherlich auch am Fernseher) schier wahnsinnig werden lassen. Allerdings muss man sich derartige Möglichkeiten beim SC Paderborn, der zuhause erst 10 Gegentore kassiert hat, auch erst einmal erspielen und die Art und Weise, in der das teilweise erfolgte, darf durchaus Mut machen für die kommenden Partien. Klar ist allerdings auch, dass man sich bei der Chancenverwertung langsam ruhig mal etwas weniger gönnerhaft anstellen darf und so ein gewisser Killerinstinkt eher früher als später wieder Einzug ins Magdeburger Spiel halten kann. Gelingt das und sitzt in der nächsten Partie vielleicht gleich der erste oder zweite Schuss, sollte einem um das große Ziel, die 2. Bundesliga, eigentlich nicht bange werden.

In diesem Sinne: Am Sonntag alle ins Stadion, auch wenn der VfR Aalen jetzt sicherlich nicht der absolute Publikumsmagnet ist. Eigentlich ist es ja aber auch egal, wer da im eigenen Stadion auf der anderen Seite steht. Wir haben es selbst in der Hand, wir sind der große 1. FC Magdeburg und wenn das kein Grund ist, in den noch verbleibenden Spielen alles zu geben, um das Maximale zu erreichen, dann weiß ich auch nicht.

Die Pressekonferenz nach dem Spiel (via YouTube)

Hier geht es zur Zusammenfassung von „Sport im Osten“ (via YouTube).

3 Kommentare

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