1. FC Magdeburg – BFC Dynamo, 28. Spieltag, 1-1 (1-0)
Für den einen ist es ein vergebener Matchball, für den anderen steigert sich die Enttäuschung über die verpasste Möglichkeit, für eine kleine Vorentscheidung im Rennen um den Staffelsieg zu sorgen, zum kurz bevorstehenden Untergang des Abendlandes. Und für wieder andere bedeutet das 1-1 gegen den BFC am 28. Spieltag schlichtweg die Fortsetzung der Serie ungeschlagener Spiele und nunmehr einen Punkt Vorsprung auf Verfolger Zwickau bei noch zwei ausstehenden Begegnungen. So unterschiedlich können die Meinungen sein. Fakt ist: Die Größten der Welt haben natürlich eine große Möglichkeit nicht genutzt, können aber nach wie vor aus eigener Kraft die Meisterschaft in der Regionalliga Nordost erreichen. Allerdings ist nach der Begegnung gegen die Berliner Dynamos auch klar, dass der Weg in den nächsten beiden Spielen mit Sicherheit nicht einfacher geworden ist. Und dann gibt es da auch noch Clubfans, die leider eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass ihnen zur Drittligatauglichkeit noch ein ganzes Stück fehlt, aber dazu kommen wir noch.
Das Spiel begann – zumindest auf den Rängen – schon gut 20 Minuten vor Anpfiff, als sich der gut gefüllte Berliner Gästeblock erstmals lautstark bemerkbar machte, was von der Nordtribüne natürlich postwendend kommentiert wurde. Damit war der Grundton gesetzt für eine äußerst stimmungsvolle Begegnung vor letzten Endes 12.268 (!) Zuschauern. Und was man bei aller (sportlicher) Rivalität auch mal festhalten kann: Der Berliner Gästemob konnte was, wenn man von diesen vollkommen bescheuerten Böllern, von denen der zweite eher einer kleinen Rohrbombe glich, mal absieht. Solider Auftritt der Gästekurve, von der sich so Einheiten wie Jena z.B. mal noch eine gehörige Scheibe abschneiden können.
Die erste Hälfte begann aus blau-weißer Sicht dann gleich mit einem ordentlichen Paukenschlag: Einen Schuss von Marius Sowislo lenkt der Berliner Keeper mit einer guten Parade über das Tor, der anschließende Eckball findet den Kopf von Christian Beck, der die Kugel präzise an die Latte nagelt – da waren noch keine 120 Sekunden gespielt. Überhaupt war die erste Halbzeit eine sehr, sehr gute, vor allem der FCM mit viel Druck auf den Ball, temporeichem Spiel und einer Reihe guter Möglichkeiten. Da aber auch der BFC immer latent gefährlich blieb und beispielsweise nach 15 Minuten zweimal hintereinander die Führung auf dem Kopf hatte, entwickelte sich für den objektiven Beobachter eine muntere Regionalligapartie auf hohem Viertliganiveau.
Ganz stark in der ersten Hälfte fand ich Kevin Kruschke, der später mit Verdacht auf Gehirnerschütterung ausgewechselt werden musste, Sven Reimann, der meiner bescheidenen Meinung nach seine bisher vielleicht beste Halbzeit im blau-weißen Dress spielte, und Lars Fuchs. Letzterer war im Prinzip überall auf dem Feld zu finden, störte die Berliner Angriffe früh (und häufig erfolgreich) und hätte mit ein wenig mehr Glück aus diesem Einsatz auch die eine oder andere deutliche Tormöglichkeit kreieren können. Dass der 32jährige ‚Fuchser’ nicht nach ungefähr 60 Minuten völlig platt vom Feld getragen wurde, gehört wohl zu den größeren Mysterien dieser Begegnung.
Gar nicht mysteriös, sondern mustergültig herausgespielt war dann der Treffer von Christian Beck zum 1-0 nach 25 Minuten. Einen Schuss von Kapitän Sowislo kann BFC-Schlussmann Flauder noch parieren, danach schaltet aber Beck am schnellsten, wirft den Turbo an und sich selbst in den freien Ball und köpft das Spielgerät zum 1-0 vor der Nordtribüne in die Maschen. Die Lautstärke und Intensität, mit der dieser Treffer bejubelt wurde, habe ich in einem Regionalliga-Punktspiel schon ganz lange nicht mehr erlebt und irgendwann richteten sich bange Blicke nach oben, ob denn das Stadiondach noch vorhanden wäre. Eine absolute Explosion und die zu diesem Zeitpunkt völlig verdiente Magdeburger Führung.
Die selbiger Christian Beck in der ersten Halbzeit noch veredeln kann, wenn nicht sogar veredeln muss, nach einer passgenauen Hereingabe von Kevin Kruschke aber irgendwie merkwürdig am Ball vorbeirutscht und ihn jedenfalls nicht im Kasten unterbringt. So ging es mit einem 1-0 in die Halbzeit und es war da schon einigermaßen klar, dass dieser Vorsprung sehr wahrscheinlich nicht reichen würde – der BFC lauerte, kam, wie gesagt, seinerseits zu Chancen und war hier ganz offensichtlich nicht angetreten, um sich einfach mal unser schönes Stadion anzuschauen.
Dementsprechend dann auch ein äußerst couragierter Auftritt der Gäste nach der Pause, dem unsere Mannschaft eigenartigerweise zunächst nicht viel entgegensetzen konnte. Der BFC druckvoller, gedankenschneller, aggressiver in den Zweikämpfen und fast immer irgendwie vor den Unsrigen am Ball. Es wirkte ein bisschen so, als hätte Blau-Weiß Mut, Zugriff und Aggressivität in der Kabine gelassen und je länger die zweite Hälfte dauerte, desto bestimmter wurden dann auch die Angriffsbemühungen der Gäste. In der 66. Minute war es dann schließlich soweit: Ein Ball in die Schnittstelle der Abwehr erreicht Zurawsky (was schon mal der erste Fehler war, den Ball darf er nie bekommen – Stichwort ‚Zugriff’), der sieht, dass Tischer beim Herauslaufen zögert (weil er sich auch so ein bisschen auf seine Vorderleute verlässt) und den Ball gefühlvoll über unseren Keeper in den Maschen hebt. Völlig verdienter Ausgleich zu diesem Zeitpunkt und eine ganz blöde Szene für unsere Hintermannschaft.
Das 1-1 dokumentierte aus meiner Sicht recht eindrucksvoll, wie sich in bestimmten Momenten ein (verletzungsbedingt erzwungener) Torwartwechsel eben auch dann negativ auswirken kann, wenn man zwei ungefähr gleich starke Keeper im Team hat. In der Szene, die zum 1-1 führt, war die Hintermannschaft einfach nicht gut sortiert und in dem einen Augenblick, in dem sie dann (inklusive des Torwarts) doch noch zupacken kann, fehlt eben das Stückchen Eingespieltheit, das Du nicht hast, wenn Du in der Konstellation eine ganze Zeit lang nicht zusammengespielt hast. Um es klar zu sagen: Ja, ich denke, das Tor fällt nicht, wenn Matthias Tischer in der Szene einfach konsequent aus dem Tor kommt und sich vor dem heranlaufenden Zurawski so groß macht, dass der vielleicht gar nicht mehr auf die Idee kommt, den Ball zu lupfen. Aber: Das Zögern im entscheidenden Sekundenbruchteil dokumentiert eben in gewisser Weise auch die fehlende Spielpraxis, die man Tischer ja nun nicht unbedingt anlasten kann. Ganz blöd gelaufen einfach und nun hieß es für den weiteren Spielverlauf, das Ding trotzdem noch irgendwie zu ziehen und die drei Punkte an der Elbe zu behalten.
Das gelang allerdings nur mäßig, auch, weil das Spiel nach dem oben schon kurz angesprochenen Böllerwurf für einige Minuten unterbrochen wurde und diese Pause unserer Elf mal so gar nicht guttat. Fällt in diesem Spielabschnitt nach Wiederanpfiff das 1-2, hätten wir am Ende mit Sicherheit mit ganz leeren Händen dagestanden. So aber versuchte Trainer Härtel noch einmal alles, nahm in der Schlussphase mit Reimann und Bankert zwei defensive Kräfte herunter und brachte mit Matthias Steinborn und Tarek Chahed geballte Offensivkraft. Und auch wenn es letzten Endes nichts nützte und man nun mit der Punkteteilung leben muss, hat zumindest Chahed noch einmal einen sehr guten Eindruck hinterlassen können: Technisch beschlagen, tolle Ballannahme, für sein Alter schon eine sehr gute Spielübersicht – an dem Jungen werden wir in der kommenden Saison, da bin ich ganz sicher, noch jede Menge Freude haben.
Die letzten Minuten der Begegnung gehörten dann – leider, muss man sagen – ganz klar dem katastrophal schwachen Schiedsrichter. Eine fragwürdige Szene bei blau-weißem Ballbesitz lässt er laufen, nur um dann in einer vollkommen identischen Spielsituation auf der anderen Seite 10 Sekunden später auf Freistoß für Weinrot zu entscheiden. Dass sich in dem Moment der angestaute Unmut des Stadions entlädt, ist da sicher nicht weiter verwunderlich, zumal es vorher schon einige, naja, ‚unglückliche‘ Entscheidungen gab. Insgesamt muss man ganz klar sagen, dass Henry Müller an diesem Tag seine Regionalligatauglichkeit als Schiedsrichter so überhaupt gar nicht nachweisen konnte, was allerdings für seine Linienrichter in gleichem Maße gilt. Wer einen mit 1,5 Umdrehungen ins Aus gespielten Ball nicht sieht, obwohl er 2 Meter neben der Situation steht (und das mehrfach!) sollte sich die Sache mit der Linienrichterei vielleicht noch einmal gründlich überlegen. Oder mal den Gang zum Augenarzt wagen.
Und Müller? Als regelmäßiger „Collinas Erben“-Hörer habe ich ja mittlerweile noch einmal einen etwas anderen Blick auf das Schiedsrichter-Thema entwickelt und meine sagen zu können, dass Müller diverse kritische Spielsituationen gar nicht richtig pfeifen konnte, weil er sie durch katastrophales Stellungsspiel schlichtweg gar nicht gesehen hat. Wenn ich mich als Schiedsrichter eigentlich immer so bewege, dass ich 20 Meter von der Situation weg bin und nur die Rücken der Spieler zu mir habe, habe ich mir am Ende der Begegnung zwar vermutlich alle Rückennummern und die dazugehörigen Namen eingeprägt, ein Spiel aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht ordentlich geleitet. Hier kann man nur hoffen, dass das ‚intern’ irgendwie noch mal ausgewertet wird und Herr Müller dann vielleicht stark verbessert in die nächste von ihm zu pfeifende Begegnung geht…
Am Ende des Tages bleiben vier Erkenntnisse: Erstens haben wir nichts verloren, sondern auf den FSV Zwickau sogar noch einen Punkt gewonnen. Alles gut also an der Front. Zweitens haben wir leider mit Kevin Kruschke einen weiteren Verletzten zu beklagen, was insofern problematisch ist, als dass er sich in den vergangenen Begegnungen gut steigern konnte und unser Spiel doch gut bereichert hat. Hoffen wir, dass er bald wieder trainieren und uns im Kampf um den Aufstieg helfen kann. Drittens kassierte Marius Sowislo von Henry Müller die fünfte gelbe Karte und muss beim schweren Spiel gegen Hertha II aussetzen. Das sehe ich erst einmal als ziemliches Problem, weil wir im Moment keinen gesunden Spieler im Kader haben, der Sowislo positionsadäquat sofort ersetzen könnte. Hier bin ich also gespannt, was sich Jens Härtel in der Hinsicht taktisch einfallen lassen wird.
Erkenntnis 4 betrifft den schon angesprochenen Umstand, dass einige Clubfans möglicherweise ihre Drittligatauglichkeit erst noch nachweisen müssen. Ich habe länger überlegt, ob ich das tatsächlich so bringen kann, mich dann aber dafür entschieden, dass manchmal einfach auch klare Worte angebracht sind. Wer damit nicht einverstanden ist, der entferne halt einfach sein „Gefällt mir“ zum Blog bei Facebook oder werfe eben die virtuelle Shitstorm-Maschine an. Das halte ich gut aus. Was aber gar nicht geht, sind Posts wie dieser hier, der nach dem Spiel in der FCM-Gruppe bei Facebook auftauchte:
Marcel, wir kennen uns nicht persönlich, aber als Clubfan schäme ich mich für Dich und diese, Deine Äußerung in einer öffentlich einsehbaren (!) Gruppe zu unserem Verein abgrundtief. Und das gilt nicht nur für Dich, sondern auch für die 24+ „Gefällt mir“-Klicker gleichermaßen. Zur Gewalt gegen Schiedsrichter (oder überhaupt irgendwen) aufzurufen, ist das allerletzte und wirft nicht nur ein schlechtes Licht auf Dich als Sportsmann (wobei ich den Begriff in diesem Zusammenhang eigentlich gar nicht benutzen mag), sondern auch auf unseren Verein und unsere Fanszene. Sechs, setzen. Und von Deinem inhaltsleeren Post mal völlig abgesehen, lag es nicht am Schiedsrichter, dass wir diese Partie nicht gewonnen haben. Das gelingt nämlich nur, wenn eine Mannschaft den Ball öfter im Tor des Gegners versenkt, als diesem das auf der anderen Seite gelingt. Und unsere Mannschaft hat nun mal klare Möglichkeiten ausgelassen und daher die Begegnung völlig verdient mit einem 1-1 beendet. So ist Fußball. So, wie Du ihn offenbar verstehst, ist er nicht.
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