FC Erzgebirge Aue – 1. FC Magdeburg, 13. Spieltag, 0-0 (0-0)
Der 1. FC Magdeburg holt den nächsten Auswärtspunkt und so langsam kann man wohl davon ausgehen, dass der Fußballgott an Auswärtsspieltagen im Moment die blau-weiße Buxe drunter hat. Nach einer ganz ordentlichen ersten und einer insgesamt recht wackligen 2. Halbzeit ist nämlich auch dieser Punkt in der Fremde wieder eher glücklich zustande gekommen, aber danach fragt am Ende der Saison ja bekanntermaßen niemand mehr. Wobei man natürlich trefflich darüber diskutieren kann, wie das Spiel wohl ausgehen mag, wenn der Club eine seiner drei sehr guten Möglichkeiten genutzt und dem gastgebenden FC Erzgebirge so den ersten Heim-Gegentreffer zugefügt hätte. Hat er aber nicht und so sollte man es wohl mit dem Coach halten:
FCM-Trainer Härtel: „Hatten hinten raus sicher auch bissel Glück, aber das braucht man, wenn man hier einen Punkt mitnehmen will.“ #auefcm
— Sport im Osten (@SportimOsten) 18. Oktober 2015
Startpunkt für den Spieltagsausflug war diesmal Magdeburg; alle anderen Anreiseoptionen schieden aufgrund der nicht gerade exponierten Verkehrsanbindung des Zielortes von vornherein aus. Und: Es war vermutlich eine meiner besseren Entscheidungen, vorher mal gegoogelt zu haben, ob man denn im Bahnhof Aue sein Gepäck einschließen kann. Man kann nicht. Genau wie man im Bahnhof Aue auch sonst überhaupt nichts machen kann, weil wir hier von einem Ort sprechen, der die Bezeichnung ‘Bahnhof’ eigentlich gar nicht verdient. Zwei bewirtschaftete Gleise, eine Unterführung, Feierabend.
Vom, ähm, Haltepunkt? Aue ging es dann mit dem Shuttlebus in Richtung Stadion und der Gedanke, der sich schon bei der Ankunft schemenhaft formte, nahm auf dieser Tour immer deutlicher Gestalt an: Wie war es eigentlich möglich, an diesem Ort etliche Jahre Zweitligafußball zu spielen? Und: Wenn die hier etliche Jahre Zweitligafußball spielen konnten, wie zum Teufel war es dann möglich, dass wir 25 Jahre lang in den Amateurligen dieses Landes versunken waren? Dabei ist das gar nicht abwertend gemeint, eher im Gegenteil. Wer schon mal in Aue beim Fußball war, wird meine Verwunderung vermutlich nachvollziehen können.
Da ich diesmal ausnahmsweise viel zu früh statt viel, viel zu spät dran war, gab es ausreichend Zeit, das Stadion des Gastgebers ausführlich in Augenschein zu nehmen.
‘Oldschool’ trifft es vermutlich am besten, Flutlichtmasten, Stehplatzkurven und ein Pissoir mit reichlich DDR-Charme, das mutmaßlich vor allem von einer beeindruckenden Masse an Aufklebern von innen zusammengehalten wird, inklusive. 10.050 Leute sollten an diesem Tag den Weg ins Erzgebirgsstadion finden, ca. ein Fünftel davon hielt es mit den Gästen aus Sachsen-Anhalt. Das ganze Drumherum im Erzgebirge war nach meinem Empfinden angenehm schlicht, wenn man vielleicht von den 4 großen Schwenkfahnen auf dem Rasen und dem musikalisch grenzwertig inszenierten Heiratsantrag eines Aue-Fans im Mittelkreis vor Spielbeginn mal absieht. Aber hey.
Jens Härtel schickte sein Team im bereits bewährten 3-4-3 auf den Rasen, wobei Christopher Handke in der Innenverteidigung nach seiner Verletzung erstmals wieder durchspielen durfte und zusammen mit André Hainault und Jan Löhmannsröben die Dreierkette bildete. Letztgenannter ersetzte Steffen Puttkammer, der verletzungsbedingt nicht dabei war, und machte seine Sache recht ordentlich. Damit haben wir Jan Löhmannsröben in Punktspielen jetzt schon als Innenverteidiger, Rechtsverteidiger und im zentralen Mittelfeld gesehen. Das muss wohl diese Vielseitigkeit sein, von der immer alle reden.
Vor der Dreierkette bildeten Niklas Brandt und der frisch gebackener Papa Marius Sowislo das Mittelfeld-Duo, flankiert rechts von Nils Butzen und links von Burak Altiparmak (von dem ich immer mehr zum Fan werde). In der Offensive durften Christian Beck zentral, Nicolas Hebisch links und Tarek Chahed rechts ran. Derselbe Tarek Chahed beendete das Spiel übrigens als linker Mittelfeldspieler bzw. linker Verteidiger nach der Auswechslung von Altiparmak – wo wir gerade von Vielseitigkeit sprechen.
In der ersten Hälfte brauchte das Spiel ein wenig, um in die Gänge zu kommen, was man glücklicherweise vom gut gefüllten Gästeblock nicht behaupten musste. Die erste richtig dicke blau-weiße Chance aus dem Spiel heraus war in der 28. Minute zu verzeichnen (Chahed), eine noch bessere ergab sich in Minute 42 (Hebisch nach Brust-Ablage von Beck). Von Aue war bis dato nur ein schön herausgespieltes Tor zu sehen, dem aber wegen Abseits die Anerkennung verwehrt blieb, richtig gefährliche Schüsse musste Jan Glinker in unserem Kasten in Halbzeit eins ansonsten eigentlich nicht vereiteln.
Der zweite Durchgang begann dann mit sehr engagierten Gastgebern und einem Schiedsrichter, der an diesem Tag eher eine, sagen wir mal ‘englische’ Linie fuhr, indem er hüben wie drüben so einige körperbetonte Aktionen laufen ließ. Das sah nicht immer ganz so glücklich aus, war in der Summe wohl aber okay, zumal größere Benachteiligungen irgendeiner Seite eigentlich auch nicht zu verzeichnen waren. Aue erspielte sich also Gelegenheiten und wäre für deren Nicht-Nutzung in der 60. Minute beinahe bestraft worden: Nicolas Hebisch taucht völlig frei vor Torhüter Männel auf, überlegt aber zu lange und bekommt das Leder in der Folge nicht im Tor untergebracht. Vielleicht eine typische Hebisch-Szene, der im weiteren Spielverlauf eine ebenso typische folgte, als er einen schwierigen Ball aus 10, 12 Metern volley nimmt und oben auf das Tornetz setzt. Offenbar braucht er eher die kniffligen Aufgaben und vermutlich würde es ihm verdammt gut tun, eine dieser ganz einfachen Gelegenheiten einfach mal humorlos ins Tor zu zimmern und damit den berühmten Knoten zum Platzen zu bringen.
Während es auf dem Rasen aus blau-weißer Sicht und bis auf die zwei Hebisch-Gelegenheiten wenig Erbauliches gab, drehten beide Capos auf dem Zaun und dementsprechend auch der Gästemob in den Blöcken F und G irgendwann um die 70. Minute herum vollkommen frei: Zu einem minutenlangen “Vorwärts, Magdeburger Jungs!” wurde sich in den jeweiligen Blöcken in alle erdenklichen Richtungen bewegt, was ‘oben’ und ‘unten’ genauso einschloss wie das Stürmen an den Zaun oder das Singen mit dem Rücken zum Spielfeld. Groß-ar-tige Einlage, die mal wieder so richtig Spaß gemacht hat. Der eine oder andere Auer Fan dürfte angesichts der Performance im Block gehörig Augen geschraubt haben. Bei Sportfotos MD auf Facebook gibt es einen Teil der Show noch einmal zum Nachschauen.
Allein – zu offensiven Höchstleistungen auf dem Rasen fühlte sich unsere Mannschaft dadurch eher nicht angestachelt. Es fehlt an diesem Tag einfach (einmal mehr?) die nötige Präzision und Ruhe im Passspiel. Und dass ein kreativer Offensivgeist wie Lars Fuchs derzeit verletzungsbedingt nicht dabei ist, machte die Aufgabe nicht unbedingt einfacher. Weil aber auch die Schlussoffensive der Auer entweder in einer vielbeinigen und tapfer kämpfenden Magdeburger Abwehr oder allerspätestens bei Jan Glinker endete, blieb es beim Unentschieden, mit dem die Größten der Welt wohl deutlich besser werden leben können als die Gastgeber.
Was bleibt also von Spieltag 13 und dem inzwischen fünften Punkt im siebenten Auswärtsspiel? Zunächst mal die Erkenntnis, dass wir vielleicht langsam schon auch mal wieder auswärts in Führung gehen sollten, wenn es irgendwann etwas werden soll mit dem ersten Auswärtssieg. Dann das gute Gefühl, über einen Kader mit einem guten Maß an Flexibilität zu verfügen, die gerade in einer so langen Saison wie der in der 3. Liga Gold wert sein kann. Schließlich die Festellung, dass das Erzgebirge schon eine wirklich eigene Region ist. Wenn aber im Stadion neben der obligatorischen Bratwurst auch Grillsteaks, Rauchwurst und sogar Nudeln mit Wurstgulasch gereicht werden, können dort eigentlich nur überwiegend gute Menschen wohnen.
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