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Vorglühen

Vorglühen

FC Carl Zeiss Jena – 1. FC Magdeburg, 30. Spieltag (Nachholspiel), 1:5 (0:3)

Zu Beginn eine Beichte: Je länger die Saison dauert und je realer der Traum von der 2. Liga wird, desto schwerer fällt es mir tatsächlich, einigermaßen sachlich über die Spiele unseres großen 1. FC Magdeburg zu schreiben. Wir erleben derzeit nichts weniger als einen historischen Moment, haben nach der Partie beim FC Carl Zeiss Jena inzwischen 11 Punkte Vorsprung auf Rang 3 und stehen bei insgesamt 12 noch zu vergebenden Zählern unmittelbar vor dem Aufstieg. In die 2. Fußball-Bundesliga. Mit dem FCM. Es gibt Momente, da sprengt dieser Gedanke tatsächlich meine Vorstellungskraft. Im Nachholspiel an den Kernbergen jedenfalls lief vieles sehr, sehr gut für den designierten Zweitliga-Debütanten von der Elbe und wenn die Begegnung in Wiesbaden die Reifeprüfung war, dürfte die letzte Partie so etwas wie das Vorglühen vor der großen Feier gewesen sein. Der FCM ist wieder da! Also, fast. Wer aber wird am letzten, kleinen, fehlenden Pisspottschritt wohl noch ernsthaft zweifeln wollen?

Im Vorfeld der Begegnung gegen Jena war an verschiedenen Stellen zu lesen und zu hören, dass die letzten Wochen ordentlich Substanz gekostet hatten und insbesondere auch der Auftritt beim SV Wehen Wiesbaden nicht ganz blessurenlos geblieben war. Dementsprechend nahm Jens Härtel für das Traditionsduell gegen den FCC einige Änderungen vor. Alexander Brunst stand erneut für den verletzten Jan Glinker im Tor, Christopher Handke kehrte in die Dreierkette zurück und agierte dort neben Andre Hainault und Steffen Schäfer, das zentrale Mittelfeld bildeten Björn Rother und der vollständig wieder hergestellte Richard Weil, Nico Hammann rückte auf der linken Seite eine Position nach vorn und für den angeschlagenen Tobias Schwede ins linke Mittelfeld, rechts startete Dauerbrenner Nils Butzen. In der Offensive änderte sich nichts, hier agierten Philip Türpitz, Christian Beck und Marcel Costly von Beginn an.

Vor 840 äußerst engagierten Clubfans und noch diversen Blau-Weißen in den Heimbereichen waren aber zunächst die Gastgeber diejenigen, die auf dem Rasen den Ton angaben. Bereits in der 2. Minute musste Alexander Brunst im Magdeburger Kasten beim Eins gegen Eins mit Maximilian Wolfram sein ganzes Können aufbieten, um den frühen Einschlag zu verhindern. Der rechte Mittelfeldspieler war von Timmy Thiele mit einem schönen Pass auf die Reise geschickt worden, scheiterte mit seinem Flachschuss aber letztlich am glänzend reagierenden Magdeburger Schlussmann. Nur drei Minuten später war Brunst erneut gefragt, konnte einen Schuss von Jan Löhmannsröben von der Strafraumkante allerdings sicher fangen. Dazwischen lag noch ein Magdeburger Konter über Philip Türpitz und Marcel Costly, dessen Abschluss nach guter Vorarbeit von Türpitz über das Tor segelte.

Es gab also einen durchaus flotten Beginn, in dem der FC Carl Zeiss Jena tatsächlich das bessere Team und den Größten der Welt eine gewisse Müdigkeit durchaus anzumerken war. Und als sich das Spiel dann nach einer guten Viertelstunde gerade ein wenig zu beruhigen begann, stand es plötzlich 1:0 für den 1. FC Magdeburg. Steffen Schäfer hatte aus der eigenen Hälfte einen langen Ball auf Marcel Costly geschlagen, der im Laufduell mit Matthias Kühne von selbigem wohl leicht gestoßen wurde und zu Boden ging. Schiedsrichter Tobias Reichel aus Stuttgart zögerte nicht und zeigte auf den Punkt: Elfmeter für den 1. FC Magdeburg. Ob man den zwingend so pfeifen muss, kann man zumindest mal vorsichtig diskutieren; Philip Türpitz war das freilich egal – er schnappte sich die Kugel, scheiterte mit einem Schuss in die Mitte zunächst an Jo Coppens im Jenenser Tor, donnerte den Ball dann aber im Nachschuss in die Maschen. Verrückt: Jena machte das Spiel, der FCM das Tor. Und der Gästeblock? Der feierte das erste Mal.

Nach 19 Minuten war es erneut Alexander Brunst, der mit einer Großtat den Ausgleich verhindern konnte: Einen Magdeburger Ballverlust im Mittelfeld hatte Jena zum schnellen Umschalten genutzt und Kapitän René Eckardt mit einem Pass in die Abwehr-Schnittstelle schön in Szene gesetzt. Brunst hatte den Braten aber gerochen, konnte rechtzeitig herauslaufen und Eckardts Schuss erneut im Eins gegen Eins entschärfen. Das zweite wichtige Ding vom jungen Keeper, der damit weiter Werbung in eigener Sache betreiben konnte. Und nur wenig später mit dem gesamten Gästeanhang jubeln durfte, weil es nach einem weiteren Elfmeter, den Philip Türpitz diesmal sofort verwandelte, 2:0 für seine Farben stand. Zunächst war Nico Hammann nach einem schönen Handke-Einwurf und einer Kopfball-Verlängerung noch mit einer Direktabnahme aus vielleicht 10 Metern an Coppens gescheitert; der Abpraller fliegt in Richtung Costly, der beim Einlaufen in den Strafraum gehalten wird und abermals zu Boden geht. Erneut entscheidet Reichel schnell und wohl richtig und naja, dann baut man die Führung eben aus, bevor man sich schlagen lässt.

Die letzte spektakuläre Szene des ersten Durchgangs war dann Christian Beck vorbehalten und hier ist es nun so, dass jedes Wort, das man finden könnte, der Toraktion des Mittelstürmers kaum gerecht werden kann. Lassen wir also lieber das bewegte Bild für sich sprechen:

Jay-Jay Beck, Christian Okocha oder einfach nur Wahnsinn – sucht es Euch aus. Was für ein Tor, bei dem man sich auf der PlayStation vermutlich beide Daumen gebrochen hätte. Das 3:0 nun natürlich die Vorentscheidung und der Auftakt zu einer langen, langen Party, die hoffentlich dann am Samstag gegen Fortuna Köln ihren Höhepunkt erreicht.

Weiter ging die wilde Fahrt direkt nach der Halbzeitpause, und wenn man als Gästefan nicht längst mit einer Mischung aus völliger Entspannung und ordentlicher Ekstase unterwegs gewesen wäre, hätte einem Jena zu diesem Zeitpunkt fast ein bisschen leid tun können. Keine zwei Minuten waren in Halbzeit 2 gespielt, als es – diesmal direkt vor der Kurve – nämlich gleich wieder klingelte. Ecke Nico Hammann, Kopfballabwehr Jena direkt in die Füße von Andre Hainault und der mit einem satten Flachschuss in die rechte Ecke zum 4:0 für die Größten der Welt. Es war nicht zu fassen. Wann hatten wir a) nach 45 Minuten das letzte Mal mit 3:0 geführt und b) eine nunmehr vollkommen entspannte zweite Halbzeit vor uns? Gerade für Hainault freut man sich ja außerdem immer doppelt und gönnt ihm so ein Tor nach seiner Verletzungsgeschichte vielleicht noch mal ein kleines bisschen mehr als jedem anderen Spieler auf dem Platz.

Die Gästekurve war nun natürlich völlig gelöst, donnerte ein ums andere Mal ein „F! C! M! Ohhhhhohhhho!“ in den Jenaer Abendhimmel und quittierte den zwischenzeitlichen 4:1-Anschlusstreffer durch Maximilian Wolfram in der 56. Minute allenfalls mit einem Achselzucken. Der für Cros eingewechselte Manfred Starke hatte nach einem Vertikalpass in den Strafraum zunächst Alexander Brunst umkurvt, aber nur den Pfosten getroffen – Wolfram stand allerdings goldrichtig und konnte mühelos einschieben. Dafür stellte Philip Türpitz mit dem dritten Elfmeter im Spiel nach einer guten Stunde den alten Abstand wieder her. Erneut war es Marcel Costly, der im Strafraum zu Fall kam, weil er diesmal von Kevin Pannewitz in Eishockey-Manier weggecheckt wurde. Vorausgegangen war allerdings ein Katastrophen-Pass von Firat Sucsuz auf ebenjenen Pannewitz, den Costly erlaufen konnte; Pannewitz blieb, schon in Bewegung, gar nichts anderes mehr übrig, als den Magdeburger Offensivmann umzurennen. Türpitz sagte „Dankeschön“, netzte zum dritten Mal und warf anschließend Kußhände in Richtung des blau-weißen Anhangs.

Über den Rest der Partie könnte man noch einiges sagen, muss aber eigentlich auch keine großen Worte mehr verlieren. Felix Lohkemper kam nach 79 Minuten noch zu Einsatzzeit, ersetzte Costly und hatte in der Schlussphase noch die Möglichkeit zum 6:1, ebenso wie Florian Pick, der für Christian Beck kam und mit einem Dribbling zu viel letztlich auch an der Jenaer Abwehr scheiterte.

Es wäre ein bisschen zu viel des Guten gewesen und reichte ja auch so: 5:1, 11 Punkte Vorsprung und beim Feiern mit der Mannschaft nach dem Abpfiff nur ein Gedanke: 2. Liga, wir kommen! Ist. das. geil. Der FCM ist wieder da!

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