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Von Spätstartern und Moralbeweisen

1. FC Magdeburg – VFC Plauen, 06.04.2014, 23. Spieltag

Schon witzig irgendwie, dass es im ersten Spiel nach der Schlappe in Neustrelitz ausgerechnet gegen den VFC Plauen gehen sollte. Jenen Verein nämlich, der den Blau-Weißen noch im Hinspiel deutlich vor Augen geführt hat, dass es doch noch 1, 2 Schritte braucht, um von einem sehr guten Regionalligateam zu einem Regionalligaspitzenteam zu reifen. Wir erinnern uns: souveräne 2-0-Führung, mehr als eine Halbzeit bei bestem Wetter in Überzahl – und am Ende nur ein Punkt, weil man sich, unterstützt vom hyperventilierenden Stadionsprecher, noch ganz geschmeidig zwei Gegentore einschenken ließ. Insofern war das, was am letzten Spieltag im Heinz-Krügel-Stadion zu Magdeburg passierte, wohl so etwas wie der letzte Nachweis, dass man endgültig und hoffentlich nachhaltig in der Regionalligaspitze angekommen ist – auch wenn es in dem einen Spiel gegen Neustrelitz nicht gereicht hat und dann eben der letzte Schritt vom Regionalligaspitzenteam zur absoluten, unangefochtenen Spitzenmannschaft doch noch gegangen werden muss. Doch der Reihe nach.

Zunächst war ich ja ein wenig überrascht und zugegebenermaßen auch etwas enttäuscht, dass die Herren Nils Butzen und Torge Bremer nicht in der Startelf standen. Aufgrund der gelb- bzw. rotsperrenbedingte Ausfälle im Abwehrbereich (Handke, Schiller und Lange mussten zuschauen) war ich nämlich davon ausgegangen, dass Steffen Puttkammer neben Kevin Nennhuber in die Innenverteidigung rutscht, Torge Bremer Puttkammers Platz im Mittelfeld einnimmt und besagter Nils Butzen für René Lange spielen würde (bzw. Hammann für Lange auf die linke Seite wechelt und Butzen dann eben den RV macht). Offenbar sind die beiden aber derzeit bei Trainer Petersen ziemlich hinten dran, denn Puttkammer blieb auf seiner angestammten Position und es starteten Christopher Reinhardt als linker Verteidiger und – Trommelwirbel – Tobias Friebertshäuser in der Innenverteidigung neben Nennhuber. Friebe, genau. Der Spieler, der in dieser Saison bisher noch keine einzige Minute Punktspieleinsatzzeit bekam, nicht mal in der U23 eingesetzt wird und quasi von der Tribüne direkt mal in die Startelf rutschte. Kann man mal machen. Ganz nebenbei hatte das übrigens den Effekt, dass doch noch wenigstens einer der beiden Spieler, die die diesjährige Dauerkarte zieren, in einem Punktspiel zum Einsatz kam ;-).

Für Butzen und Bremer und für den geneigten Stadiongänger, der beide gern mal von Anfang an in einem Regionalligaspiel gesehen hätte, war es jedenfalls schade und man muss an der Stelle mal sehen, ob der zur neuen Saison anstehende Trainerwechsel vielleicht noch mal ein wenig Dynamik in Einsatzzeit und somit Entwicklung bringt. Vorausgesetzt natürlich, beide stehen auch in der neuen Spielzeit im Kader der ersten Mannschaft, was zumindest bei Butzen (Vertrag bis 2015) nicht unwahrscheinlich ist. Sei es, wie es sei, viel schlechter als die letzten Endes für die Startelf ausgewählten Kollegen hätten es die beiden zumindest zu Beginn der Partie auch bloß nicht machen können. Ich kann mich jedenfalls aktiv an kein Spiel des FCM erinnern, bei dem ich zugegen war und in dem man den Beginn einer Begegnung derart eklatant verpennte. Nach 5 Minuten stand es nämlich bereits völlig verdient 2-0 für die Gäste und angesichts der Lücken, die sich da mitunter in der Abwehr auftaten, musste einem Angst und Bange werden und dachte ich schon: Au Backe, das wird ein sehr, sehr langer Nachmittag.

Vor allem Friebertshäuser merkte man die fehlende Spielpraxis merklich an und mit der selbstbewussten Kante, als die ich Friebe noch aus der letzten Saison gut in Erinnerung habe, hatte der Spieler da am Sonntag nur noch sehr, sehr wenig zu tun. Wo sollen Selbstvertrauen und Sicherheit im Spiel aber auch herkommen, wenn man im Normalfall bestenfalls auf der Bank sitzt. Allerdings trug auch Nico Hammann in der Anfangsphase zur Verunsicherung bei (das 0-1 geht aus meiner Sicht zu 100% auf seine Kappe), fing sich dann aber, wie die gesamt Mannschaft, glücklicherweise relativ schnell. So war es dann ein klassischer „Beck“, der den Anschlusstreffer besorgte, als er nach guter Fuchs-Flanke zum 1-2 einnickt. Und als dann der insgesamt bockstarke Tino Schmunck per sattem 25-m-Schuss (den ein guter Torwart an einem sehr guten Tag aber durchaus auch mal hält) den Ausgleich markierte, konnte man zumindest wieder einigermaßen ruhig durchatmen auf der Tribüne. Apropos Schmunck: das war jetzt schon das zweite Heimspiel in Folge, in dem mich der junge Ex-Rostocker absolut überzeugt hat und in dem ich keinerlei wehmütige Gedanken an einen Fabio Viteritti vergeudet habe. Letzterer konnte nicht auflaufen, weil ihm wohl die Nachricht, nur noch ein paar hundert Minuten Spielzeit zu benötigen, bis sich sein Vertrag automatisch verlängert (und ein potentiell interessierter Drittligist, sagen wir mal Chemnitz, dann Ablöse bezahlen müsste) direkt mal einen grippalen Infekt bescherte. Na sowas.

Zur zweiten Halbzeit wurde Tobias Friebertshäuser dann erlöst ausgewechselt, was recht interessante taktische Auswirkungen hatte: Steffen Puttkammer rotierte nämlich jetzt in die IV (wo er meiner Meinung nach gleich von Beginn an hätte spielen sollen), Christopher Reinhardt nahm Puttkammers Platz im Mittelfeld ein, Schmunck rückte auf die LV-Position und die linke Außenbahn übernahm der neu eingewechselte Morris Schröter. Spannend war diese taktische Variante deshalb, weil sie ziemlich gut funktioniert hat und mal wieder zeigt, wie gut es ist, flexibel einsetzbare Spieler im Kader zu haben. Puttkammer, den ich ja sonst immer eher so medium finde, muss ich an dieser Stelle übrigens auch mal explizit loben: aus meiner Sicht hat er nicht nur schon in Halbzeit eins auf seiner Stammposition, sondern auch in Halbzeit zwei als Innenverteidiger ein Bombenspiel gemacht.

Unglücklich verlief der Einsatz dagegen für den jungen Morris Schröter, der doch auffallend viele unglückliche Aktionen hatte und vielleicht einmal zu oft die falsche Entscheidung traf. Was man ihm aber zugute halten muss, ist, dass er sich trotzdem immer wieder Dinge zugetraut hat, nur dass die halt diesmal in gefühlten 99 Prozent der Fälle eben genau falsch ausgegangen sind. Aber hey: der Bursche ist 18 und sicher ein großes Talent, und wie soll er es denn anders lernen, als durch Einsatzzeit auf diesem Level? Womit wir dann auch bei meinem ganz persönlichen Hasskappen-Erlebnis des Spieltags wären: ich kann ja irgendwo verstehen, dass man nach einem derart beschissenen Auftakt mit frühem Rückstand und schlimmem Spiel zu Beginn ein wenig enttäuscht ist und hier und da seinem Ärger mal Luft machen muss. Wenn dann aber meine eigene Mannschaft 2 Tore aufholt und sich anschickt, auch noch das Führungstor zu machen, muss ich als Zuschauer nicht immer noch anfangsgefrustet sein und jeden Fehlpass und jeden misslungenen Laufweg lautstark mit Schimpfwortkanonaden kommentieren. Und wenn sich dann noch ein 18jähriger in seinem 9. Regionalligaspiel Ansagen wie „Ey, jetzt renn doch mal, Du Idiot!“ anhören muss, hilft ihm das mit Sicherheit erst mal nicht weiter. Eher im Gegenteil. Mal ganz davon abgesehen, dass jeder, der Spieler der eigenen Mannschaft als Idioten oder sonstwie despektierlich bezeichnet, vielleicht in Zukunft doch lieber wieder seinem Dasein als Internet-Ultra frönen und dem Stadion vielleicht doch besser fernbleiben sollte. Schlimm.

Zurück zum Spiel: in dem hätte nämlich Toptorjäger Beck selbiges mehrfach allein entscheiden können, war aber vielleicht doch zu geil auf seinen 20. Ligatreffer und agierte in 2,3 Situationen deutlich zu eigensinnig und/oder schloss einen Ticken zu spät ab. Allerdings spricht es irgendwie auch für den Spieler, dass er mit Nasenbeinbruch nicht nur fast durchspielt, sondern auch noch per Kopf (!) und mit vollem Einsatz den Führungstreffer zum 3-2 vorbereitet. Aus solchem Stoff werden in Magdeburg in der Regel Legenden gestrickt und Fundamente für Denkmäler gegossen… hoffentlich weiß das auch Christian Beck und nutzt auch noch die kommende Spielzeit, um in diese Richtung bei uns weiterzuarbeiten.

Lachen musste ich dann übrigens gestern, als ich mir auf FCM.TV die Pressekonferenz vom Spiel ansah und irgendein Reporter doch allen Ernstes fragte, ob das Spiel gegen Plauen für Friebertshäuser und Teixeira möglicherweise ein Abschiedsspiel war. Was ich bei Friebe angesichts seiner Leistung sogar als berechtigte Frage noch hätte akzeptieren können, bei Telmo Teixeira allerdings mal so gar nicht nachvollziehen kann. Der hat mich nämlich nach seiner Einwechslung (ja, sie trat tatsächlich ein, es geschehen noch Zeichen und Wunder) eher recht positiv überrascht und war zumindest am 4-2 durch Marius Sowislo entscheidend beteiligt, indem er das Tor durch einen mit Übersicht gespielten Pass auf den auch starken Christoph Siefkes einleitet. Überhaupt hat mir imponiert, dass Teixeira nicht mal unbedingt durch die wahnsinnige technische Beschlagenheit auffiel, die ihm oft (und vermutlich zu recht, dafür habe ich ihn zu wenig spielen sehen) zugeschrieben wird, sondern eben durch die Arbeit im defensiven Bereich, die ich ihm in der Form so gar nicht zugetraut hätte. Ob die guten 15 Minuten Einsatzzeit aber für einen Anschlussvertrag reichen, ist sicherlich trotzdem mehr als fraglich.

Tja, und so wurde es letzten Endes ein Sieg der Moral, der mit 4-2 auch in der Höhe und insgesamt betrachtet sicher verdient war und für den unglaublichen Einbruch im Hinspiel entschädigen konnte. Weiter geht es jetzt am Samstag in Nordhausen; auf das Spiel freue ich mich ja – aus Gründen – schon, seitdem feststand, dass die Thüringer in unsere Liga aufsteigen. Und mit der ganzen Goslar-Petersen-Geschichte ist die Partie natürlich noch mal interessanter. Für den anderen großen Lacher sorgte übrigens das Ticket für dieses Auswärtsspiel und wer mal einen Blick drauf wirft, weiß, was ich meine. Wenn da mal nicht aufgrund eines performanten Farbkopierers und der entsprechenden Papierstärke so um die 4.000 Magdeburg mit einer Eintrittskarte für den Gästeblock auftauchen :-P.

Und wo wir schon mal bei Aufsteigern in unsere Liga sind: ein gewisser BFC Dynamo ist nur noch theoretisch vom Aufstiegsplatz in der Oberliga Nord zu verdrängen und macht dort ganz geschmeidig einen auf Bayern München, so ergebnis- und vorsprungstechnisch. Und da sage noch mal einer, die Regionalliga wäre doof… wer will schon Burghausen, Münster und Darmstadt, wenn er zukünftig Zwickau, Jena, den BFC und ggf. die Lokomotive aus Probstheida haben kann ;-)?

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