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Vogelperspektive, fragmentiert

Köln

1. FC Köln – 1. FC Magdeburg, 17. Spieltag, 3:0 (1:0)

Wenige Stunden Schlaf, eine Stimme wie ein Reibeisen, eine weitere Niederlage auf dem Konto – und trotzdem ertappe ich mich wiederholt dabei, zu denken: „Es ist schon ein ziemliches Privileg, Auftritte unserer Mannschaft und unserer Kurve wie die beim 1. FC Köln live miterleben zu dürfen.“ Gleichzeitig meldet sich dann das schlechte Gewissen, weil uns natürlich nur Punkte weiterbringen, es derer auch in Köln keine zu holen gab und man das als Clubfan erst einmal doof finden muss. Dafür haben wir aber – einmal mehr – eine richtig dicke Visitenkarte hinterlassen, diesmal eben im Müngersdorfer Stadion. Natürlich können wir uns dafür rein gar nichts kaufen, für das gute Gefühl, für das eigene Selbstverständnis und sicher auch für die Mannschaft dürfte das trotzdem wichtig gewesen sein. Ein merkwürdiges Dilemma irgendwie.

Außerdem könnte man an dieser Stelle jetzt das allseits beliebte, aber brotlose „Was-wäre-gewesen-wenn“-Spiel spielen. Was, wenn Felix Lohkemper in der 10. Minute die Führung erzielt hätte? Was, wenn das 0:2 nicht schon so früh in Halbzeit 2 fällt? Was, wenn in den zweiten 45 Minuten doch mal einer durchrutscht? Hätte, hätte, Fahrradkette. Und trotzdem: Auch wenn das, was letztlich auf der Anzeigetafel stand, eine andere Sprache spricht, hat der Club über weite Strecken dieser überhaupt nicht einfachen Partie ein sehr ordentliches Spiel gezeigt.

Michael Oenning vertraute an diesem Montagabend in Köln-Müngersdorf der gleichen Elf wie zuletzt gegen Union Berlin und schickte folgende Formation aufs Feld: Im Tor Alexander Brunst, in der Dreierkette Tobias Müller, Dennis Erdmann und Steffen Schäfer; Michel Niemeyer, Rico Preißinger, Charles Elie Laprevotte und Marius Bülter bildeten das Mittelfeld, Philip Türpitz besetzte die 10, Felix Lohkemper und Christian Beck stellten den Sturm.

Der FCM mit Mut, Córdoba mit Abpraller-Glück

Vorab muss ich vielleicht noch festhalten, dass ich dieses Spiel tatsächlich eher fragmentarisch gesehen habe, was an zwei Dingen lag: Ding eins war eine zwar wunderschöne, aber doch recht sichtfeldvereinnahmende Fahne direkt vor unserer Nase, die je nach Schwenkrichtung mal diesen und mal jenen Blick auf das Spielfeld freigab. Mit etwas Glück spielte sich dann auch genau dort gerade das Geschehen hab. Aber hey, so ist das eben in einem Gästeblock, wir fahren ja schließlich nicht als Touristen quer durch die Republik. Die Fahne, hinter der wir standen, war übrigens eine von zwei im riesigen Oberrang. Klassiker.

Ding zwei war der Support im Ober- und Unterrang, der vor allem im Verlauf der zweiten Halbzeit phasenweise interessanter war als das Spiel selbst. Ich komme darauf zurück. Was ich sagen will: Man möge mir verzeihen, dass möglicherweise nicht jede erwähnenswerte Szene des Spiels jetzt auch hier im Blog landet.

In sportlicher Hinsicht passierte jedenfalls erst einmal das, was bei dem Duell zwischen einem Bundesliga-Absteiger mit Bundesliga-Kader und einem Zweitliga-Aufsteiger zu erwarten war: Der FC übernahm die Initiative und kam durch Córdoba und Drexler (3. und 4. Minute) gleich zu guten Abschlussmöglichkeiten. Gut daran: Auch Alexander Brunst war gleich im Spiel und parierte insbesondere gegen Córdoba ganz stark.

Dann kam aber auch recht bald der große 1. FC Magdeburg um die Ecke und zeigte an, dass man hier schon mächtig Lust hatte, mitzukicken. In der 6. Minute gewann Marius Bülter den Ball am eigenen Sechzehner, über rechts ging es mit Tempo in Richtung Kölner Strafraum. Dort war dann erst einmal Endstation, dafür gab es aber eine Ecke und anschließend noch einen Einwurf für die Größten der Welt; beides blieb allerdings ohne Ertrag.

In der 10. Minute dann ein Angriff, bei dem wir aus unserer Vogelperspektive im Oberrang den Torschrei schon auf den Lippen hatten: Wieder über rechts können sich Felix Lohkemper und Philip Türpitz in den Strafraum kombinieren, wo Lohkemper den Ball aus aussichtsreicher Position noch einmal serviert bekommt. Dann hat er die Kugel aber vielleicht auf dem falschen Fuß und zögert zu lange, obwohl die Schussbahn eigentlich sehr vielversprechend aussah und außerdem auch Michel Niemeyer und Christian Beck noch ganz gut gestanden hätten. Letzten Endes bleibt Lohkemper dann mit seinem Abschluss an Marcel Risse hängen. Sehr schade, da kann man (und muss man vielleicht gegen so einen Gegner) einen Ticken mehr draus machen. Sei es drum.

Insgesamt machte es der Club in der Anfangsphase durchaus gut: Defensiv war man angemessen aufmerksam, offensiv agierte man mit Mut und Zug zum Tor, wenn sich die Gelegenheit ergab. Aber klar, warum eigentlich auch nicht?

Die Hausherren versuchten derweil, den Druck hochzuhalten, und kamen in der 17. (Hereingabe von rechts, die Brunst sicher fängt) und 21. Minute (Schuss aus 18 Metern, nachdem die FCM-Defensive den Ball nicht entscheidend klären konnte) zu weiteren Abschlüssen. Naja, und in der 33. Minute klingelte es dann. Ein schöner Ball von Marco Höger aus der Zentrale auf die linke Seite zu Dominick Drexler genügte, um die blau-weiße Defensive auszuhebeln. Drexlers Schuss kann Brunst noch stark parieren, Teroddes zweiten Versuch ebenso, und dann hat Jhon Córdoba Glück, dass ihm der Ball noch mal vor die Füße fällt (oder er steht halt richtig, je nach Vereinsbrille). Diesmal ist Alexander Brunst im Tor machtlos und schlägt die Kugel zum sicher nicht unverdienten Kölner 1:0 ein. Tja.

Trotz des Rückstandes vor einer netten Kulisse von 49.500 Menschen, mehr als 3.000 davon aus Magdeburg, spielten die Größte der Welt einfach weiter Fußball. Bereits vor dem Gegentreffer gab es gute Ansätze (Türpitz per Kopf, 23., Freistoß in der 28., in die Arme von Horn) und auch jetzt versteckte sich Blau-Weiß keineswegs, sondern suchte weiter mutig den Weg zum Tor. In der 35. Minute kam Tobias Müller zentral am Sechzehnmeterraum zum Abschluss, donnert den Ball dann aber deutlich über das Tor. Laprevotte hatte da klug für ihn aufgelegt. Nach 38 Minuten war es Felix Lohkemper, der den Ball zunächst im Mittelfeld gut behaupten kann, ihn dann nach vorn treibt und Michel Niemeyer auf der linken Seite mitnimmt. Dessen Schuss wird zur Ecke abgefälscht, die wiederum Müller einen Torschuss beschert, der mit zu wenig Druck aber nicht gefährlich werden konnte.

Es folgten noch zwei weitere Versuche, die Magdeburger Offensivkräfte mit flachen Pässen in die Schnittstellen einzusetzen. Allerdings war erst Christian Beck zu langsam und spielte Michel Niemeyer seinen Ball auf Lohkemper direkt danach zu unpräzise, als dass es hätte gefährlich werden können. Mitten rein in eine weitere Magdeburger Vorwärtsbewegung dann der Pausenpfiff und so der Eindruck: Also gegessen ist der Käse hier noch nicht.

Block U furios, Szenenapplaus vom Heimpublikum

Leider änderte sich das relativ schnell nach Wiederanpfiff. Erst wurde Felix Lohkemper mit einem langen Ball auf den rechten Flügel noch gut eingesetzt, konnte seine direkte Abnahme dann aber nicht aufs Tor bringen. Dann war es allerdings Dominick Drexler, der rückblickend bereits in der 49. Minute den Deckel auf diese Begegnung machte: Vorausgegangen war ein starker Ball auf Kölns rechte Seite, von wo aus Marcel Risse zurück in die Mitte flankt. Alexander Brunst hebt ab, kommt aber faustenderweis‘ nicht an den Ball. Stattdessen klärt Dennis Erdmann vor seinem Keeper, nur eben ziemlich genau auf den Kopf von Drexler. Und der lupft die Kugel dann vom Elfmeterpunkt aus gefühlvoll zum 2:0 ins Tor, wo Brunst jetzt auf der Linie fehlte. Super ärgerlich, das, und schon das zweite Tor an diesem Abend, bei dem man sich aus Clubfan-Perspektive ordentlich in den Allerwertesten beißen durfte.

Für Köln war die Situation jetzt natürlich wie gemalt. Der Club musste kommen, man selbst konnte etwas tiefer stehen, erst mal schauen und dann gelegentlich den Vorwärtsgang einschalten. So auch nach 52 Minuten, als Jonas Hector nach einem Steckpass blitzeblank vor Brunst auftauchte, unser junger Keeper es diesmal aber überragend machte und dem Nationalspieler den Ball noch vom Fuß wischte.

Insgesamt merkte man jetzt schon, was für Qualität Köln da auf dem Platz hatte. Rückblickend war es, das kann man durchaus so sagen, beeindruckend, wie die Hauherren das jetzt nach Hause brachten. Der FCM versuchte es zwar tapfer weiter, so richtig viele zwingende Aktionen waren aber nicht mehr zu verzeichnen. Auf der anderen Seite hatten Córdoba (65., starke Flugeinlage nebst Parade von Brunst) und Terodde (78., Latte) die Möglichkeit, auf 3:0 zu stellen, bis selbiges dann schließlich in der 90. Minute fiel. So ein bisschen war das jetzt wie in Heidenheim: Zu dem Zeitpunkt war Tor Nummer drei dann auch egal.

Interessanter als das Spiel war im zweiten Durchgang, wie oben schon angemerkt, das Geschehen auf den Rängen. Da nach dem 0:2 irgendwie klar war, dass das hier heute wohl keinen Auswärtssieg mehr geben würde, verlegte man sich im Ober- und Unterrang eben auf eine veritable Kurvenshow. Auch schön. In der 66. Minute gab es erstmal eine ordentliche Block-Polonaise, die damit endete, dass sich das Heimpublikum im Sitzplatzbereich links von uns zu einem Applaus hinreißen ließ. Jedenfalls habe ich es so verstanden, dass das uns galt, eine zum Applaus passende Szene auf dem Spielfeld habe ich jedenfalls nicht gesehen. Derlei Action kennt man in Köln wohl nicht so. Skurril, irgendwie.

Naja, und in der 72. Minute ließen es sich die Vorsänger natürlich nicht nehmen, erst ein „In Europa kennt Euch keine Sau!“ und dann das allseits beliebte (und im Kern ja auch vollkommen korrekte) „Die Nummer Eins der Welt sind wir!“ anzustimmen. Groß-ar-tigst! Auch das ist eben Magdeburger Größenwahn in Reinkultur: Da liegst Du 0:2 hinten und feierst Dich dann halt einfach selbst. Diese und auch die brachialen Wechselgesänge, die folgten, werden dem einen oder der anderen aus der Kölner Anhängerschaft wohl noch länger im Gedächtnis bleiben.

Apropos Anhängerschaft: Zur Wahrheit dieses Stadionbesuchs gehört auch, dass zumindest ich von dem, was das weite Rund da an Geräuschkulisse lieferte, doch einigermaßen enttäuscht war. Köln, was ist da los bei Euch? Ich hatte schon damit gerechnet, dass uns mehr als 46.000 Kehlen da ordentlich was um die Ohren hauen, stattdessen wurde es eigentlich nur nach den Toren, so mein Eindruck, mal wirklich laut. Eventuell ist man als Clubfan aber auch einfach verwöhnt, das ist natürlich möglich. Schön übrigens auch, wie die ersten Menschen im Heimbereich so ab der 80. Minute die Tribünen verließen, mit einem „Auf Wiedersehen!“ aus dem Gästeblock verabschiedet wurden, das aber gar nicht verstanden haben und lustig zurück winkten. Oh je. Wenn das Bundesliga ist, dann muss ich persönlich da vielleicht nicht unbedingt hin.

Fazit:

Unter dem Strich geht der Sieg für den 1. FC Köln natürlich völlig in Ordnung, auch wenn er eventuell ein Tor zu hoch ausgefallen ist. Die Frage ist ja auch immer so ein bisschen, was wir jetzt eigentlich aus so einer Begegnung mitnehmen können. Klar ist auf jeden Fall, dass wir uns vor so einer gestandenen Bundesliga-Szene wie der Kölner definitiv nicht verstecken müssen. Aber gut, das wussten wir ja vorher. Klar ist auch, dass so Mannschaften wie der FC in dieser Saison nicht unser Maßstab sind und sein können. Umso besser, dass wir in Müngersdorf nicht komplett unter die Räder gekommen sind (Grüße nach Dresden!), sondern im Gegenteil zumindest in der ersten Hälfte gut dagegen gehalten haben und selbst auch zu Abschlusschancen kamen. Klar ist abschließend ebenso, dass es eben nicht unbedingt Köln, der HSV, von mir aus noch Union und auch St. Pauli, sondern die Teams aus Ingolstadt, Duisburg und Sandhausen sind, die es aus Magdeburger Perspektive in der Rückrunde unbedingt zu schlagen gilt, wenn man die Klasse halten möchte. Und zwar ohne wenn und aber.

Beim besagten FC St. Pauli werden die Größten der Welt am kommenden Samstag das Fußballjahr 2019 beschließen und gleichzeitig noch vor der Winterpause in die Rückrunde starten. Lasst uns die Mannschaft dort noch einmal angemessen in den Weihnachtsurlaub verabschieden, verdient hat sie es allemal. Und wer weiß? Vielleicht kündet der letzte Spielbericht des Jahres hier im Blog ja doch noch einmal von einem Auswärtssieg. Ein viel schöneres Weihnachtsgeschenk könnte uns die Mannschaft jedenfalls kaum machen. In diesem Sinne: Packen wir es an!

Gegnerperspektive:

Spielbericht auf effzeh.com.

2 Kommentare

  1. Pingback: Unschöne Bescherung - nurderfcm.de

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