1. FC Magdeburg – FC Rot-Weiß Erfurt, 30. Spieltag, 2:0 (0:0)
…und da war er wieder, einer dieser denkwürdigen Nachmittage im Heinz-Krügel-Stadion. Nicht mal unbedingt (nur) des Sportlichen wegen, sondern auch, weil die aktive Fanszene einmal mehr ordentlich geklotzt hatte, statt nur zu kleckern. 15.000 (!) blau-weiße Stofffahnen, verteilt unter genau 20.506 (!!) Zuschauern (wenn uns das vor 5 Jahren jemand erzählt hätte…), verwandelten das Magdeburger Stadion in einen Fahnenmeer-Hexenkessel, den es in dieser Form so schnell sicher kein zweites Mal geben wird. Dazu luden über 20 Grad und praller Sonnnenschein zum Fußballgucken ein, steigerten sich die Gastgeber im zweiten Durchgang merklich, fielen beide Treffer nicht nur für die richtige Mannschaft, sondern auch zu genau den richtigen Zeitpunkten und erzielte Christian Beck bereits am ersten Tag im April das Tor des Monats. Mindestens. Doch, der 01.04.2017 bot unter dem Strich tatsächlich nur wenig Grund zur Klage, und zwar auch, weil man mit dem FC Rot-Weiß Erfurt auf ein Team traf, dass sich alles andere als wie ein Tabellen-15. präsentierte.
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— Olli D. aus M. (@olliMD) 1. April 2017
Aufgrund des verletzungsbedingten Ausfalls von Florian Kath musste Jens Härtel seine Startelf im Vergleich zur Vorwoche erneut leicht verändern. Manuel Farrona Pulido bekam auf der rechten Seite das erste Mal seit dem 05.02.2017 wieder einen Startelfeinsatz, links stürmte Michel Niemeyer, zentral Christian Beck. Im Mittelfeld kümmerten sich Tobias Schwede (links) und Nils Butzen (rechts) um die Außenbahnen, zentral spielte diesmal Charles Elie Laprevotte von Beginn an, daneben Marius Sowislo. Defensiv blieb zunächst alles beim Alten, vor Leopold Zingerle verteidigten Nico Hammann, Richard Weil und Christopher Handke.
Während auf den Rängen vom Start weg Blau-Weiß den Ton angab und man es im Stadionrund ordentlich scheppern ließ, waren es auf dem Rasen erstaunlicherweise die Gäste, die das Spiel kontrollierten, strukturierten und folgerichtig zunächst auch über deutliche Feldvorteile verfügten. Zwar übersetzten die sich in den ersten 10 Minuten nicht unmittelbar in Torgelegenheiten, etwas überraschend kam der engagierte Beginn angesichts der letzten Auftritte von Gastmannschaften aus dem unteren Tabellendrittel im Heinz-Krügel-Stadion aber schon. Die erste Abschlusschance hatte trotzdem der 1. FC Magdeburg. Tobias Schwede versucht sich in der 9. Minute zunächst zentral vor dem Strafraum im Dribbling und verliert dabei fast den Ball, um ihn im letzten Moment aber doch noch zu Nils Butzen auf die rechte Seite gespitzelt zu bekommen. Der fackelt nicht lange und schiebt die Kugel gegen den Lauf von Philipp Klewin nur knapp links am Tor vorbei.
Drei Minuten später ist es Nico Hammann, der den Ball via Freistoß in den Strafraum bringt, wo er auch tatsächlich runter-, aber leider keinem Blau-Weißen gewinnbringend vor die Füße fällt. Den anschließenden Konter unterbindet der starke Charles Elie Laprevotte kompromisslos. Szenen dieser Art gab es in Durchgang 1 mehrfach und wer weiß, ob es die ersten Torfreude-Bierduschen nicht schon viel früher gegeben hätte, wäre einer unser Jungs im Strafraum mal mit der Fußspitze an einen der dort zum Teil ungestört durchrauschenden Bälle gekommen. Aber hey, wer wird sich am Ende des Tages darüber schon beschweren wollen?
17 Minuten waren gespielt, als es vor dem Tor von Leopold Zingerle das erste mal ordentlich knallt. Allerdings nicht, weil Erfurt spektakulär zum Abschluss kommt, sondern weil Vocaj, Zingerle und Richard Weil gewaltig ineinander rauschen. Weil konnte zunächst weiterspielen, musste aber nach 21 Minuten doch vom Feld, für ihn kam Steffen Puttkammer. Es spricht dabei wohl für unsere Nummer 37, dass einem zumindest kurz ein wenig mulmig werden durfte. Der Gegner spielerisch stark, der unumstrittene Abwehrchef nach 21 Minuten nicht mehr dabei – man kann sich sicherlich schönere Situationen vorstellen. Zumal sich Puttkammer nur zwei Minuten nach seiner Einwechslung gleich wenig opportun einführt: Auf Erfurts linker Seite lässt er Vocaj ungehindert zur Flanke kommen, die scharfe Hereingabe findet dann aber glücklicherweise in der Mitte keinen Abnehmer. Von diesem kleinen Wackler mal abgesehen, spielte Steffen Puttkammer im weiteren Verlauf aber fehlerfrei; wohl der Mannschaft, die so eine Alternative auf der Bank zu sitzen hat.
In Spielminute 24 deutete sich erstmals an, wie Rot-Weiß Erfurt an diesem Nachmittag eventuell zu knacken sein könnte: mit Tempo zur Grundlinie nämlich. Tobias Schwede bekommt den Ball steil durchgesteckt, erwischt das Spielgerät knapp vor dem Toraus und flankt direkt in die Mitte, wo er allerdings statt zum Beispiel den Kopf von Christian Beck nur die Arme von Philipp Klewin findet. Fünf Minuten später das gleiche Schauspiel; diesmal hatte man auf den Rängen gleich mehrfach den Torschrei auf den Lippen. Obwohl der FCM kurz hintereinander zu drei, vier Schussgelegenheiten kommt, schafft man es am Ende nicht, den Ball gefährlich auf das Tor zu bringen. Ärgerlich.
Der Rest der Halbzeit gehörte dann, das muss man so klar sagen, fast vollständig den Gästen aus Erfurt, allerdings teilweise auch unter gütiger Mithilfe der Magdeburger Defensive. So ist es nach 32 Minuten ein einfacher Ballverlust von Tobias Schwede in der Erfurter Hälfte, der zu einem Eckball für RWE führt (!), weil offenbar niemand den nach einem Klärungsversuch vermeindlich ins Aus trudelnden Ball erlaufen will und Nico Hammann somit den Erfurter Konter nur zur Ecke klären kann (die aber nichts einbringt). Vier Minuten später ist es Sebastian Tyrala, der im Mittelfeld völlig ungestört die Fäden ziehen kann und Uzan steil schickt. Der kommt zum Abschluss, Leopold Zingerle fährt aber stark die linke Pranke aus. In 2 von 3 Fällen ist das das 0:1. Die anschließende Ecke erreicht über mehrere Stationen den trotz seiner 36 Jahre immer noch sehr auffälligen Daniel Brückner, der volley einfach mal draufhält, den Ball perfekt trifft und glücklicherweise Christopher Handke abschießt, anstatt den zu diesem Zeitpunkt nicht unverdienten Führungstreffer zu erzielen.
Von Magdeburg war in dieser Phase offensiv im Prinzip gar nichts zu sehen. Ein langer Ball von der rechten Seite links vor das Tor, den Christian Beck aus dem Abseits heraus erläuft, anstatt ihn einfach für den wohl besser postierten Marius Sowislo durchzulassen, blieb bis zum Halbzeitpfiff die einzige weitere erwähnenswerte Offensivszene. Zwei, drei Erfurter Freistöße später, die aber allesamt nicht gefährlich wurden, war dann Halbzeit und so ein bisschen hatte man den Eindruck, dass Blau-Weiß in Durchgang 2 wohl noch die eine oder andere Schippe würde drauflegen müssen, sollten die 3 Punkte an jenem Nachmittag an der Elbe bleiben.
Was soll man sagen? Genau das tat die Mannschaft dann auch. Erfurt ist nach Wiederanpfiff noch gar nicht richtig sortiert, da zappelt der Ball das erste Mal im Netz. Ein langer Pass von Nico Hammann aus der eigenen Hälfte ist eigentlich schon verloren, wird von Michel Niemeyer auf der linken Seite aber noch überragend erlaufen. Von der Grundlinie aus flankt er vor das Tor, wo Christian Beck noch verpasst, Manuel Farrona Pulido dahinter aber völlig frei steht und den Ball so satt wie trocken in die Maschen befördert. Großartiges Tor, das zu mindestens mal 50% Michel Niemeyers Geschwindigkeit gehört und das Beste, was dem Spiel passieren konnte: Erfurt musste jetzt kommen, mit den schnellen Außen ließ es sich aus Magdeburger Sicht nun bequem auf Konter lauern.
Und Erfurt kam, wenngleich die letzte richtig gefährliche Offensivszene der Gäste erneut und ohne Not durch einen Magdeburger Abwehrfehler eingeleitet wurde. In der 51. Minute versucht es Erfurt über rechts, produziert aber einen Fehlpass in den Sechzehner, der bei Michel Niemeyer eigentlich bestens aufgehoben ist. Einfach lang und doll raus oder gezielt auf den Mitspieler und niemand würde nach der Partie ein Wort über die Szene verlieren. Niemeyer entschließt sich aber, es noch mal spannend zu machen, lässt sich den Ball vom Fuß stibitzen und bringt die Gäste damit in eine optimale Umschaltsituation – im Magdeburger Strafraum war man ja nun schon mal. Also den Ball sauber in die Mitte gespielt, wo Leopold Zingerle irgendwie noch vor dem einschussbereiten Carsten Kammlott rankommt und den eigentlich sicheren Ausgleich großartig verhindert. Zingerle 2, Erfurt 0. Gut so.
Nur drei Minuten später dann großer Jubel im Erfurter Block, der mit einem Blick auf den Unparteiischen aber jäh endet. Ein Freistoß von rechts wird schnell ausgeführt, der Ball landet irgendwie im Tor – aber die Aktion wird abgepfiffen, weil der Schiedsrichter den Standard noch gar nicht freigegeben hatte. Interessanterweise entscheidet sich Erfurt bei dem dann folgenden, tatsächlichen Freistoß für genau die gleiche Variante, die dann aber eher problemlos von der Magdeburger Defensive geklärt werden kann.
Nach einer knappen Stunde zeigte sich erneut der FCM und wieder ist es eine gute Umschaltsituation über den starken Tobias Schwede, die zu Torgefahr führt. Schwede bringt den Ball zu Pulido, der rechts in den Strafraum eingelaufen war. Sein kluger Lupfer erreicht Christian Beck in der Mitte, der dann Philipp Klewin per Kopf zu einer starken Parade zwingt. Kurz darauf wechselt Jens Härtel zum zweiten Mal und bringt Tarek Chahed für Manuel Farrona Pulido, der zwar den einen oder anderen kleinen Wackler dabei hatte, die sich ihm bietende Chance auf mehr zukünftige Spielzeit durch sein Tor aber in jedem Fall zu nutzen wusste.
Während Erfurt, angetrieben durch den überragenden Sebastian Tyrala, weiter auf den Ausgleich drückte, ohne aber wirklich gefährlich werden zu können, zog Jens Härtel seine dritte Wechseloption. Niklas Brandt kam zu seinen ersten Minuten seit dem 17.12.2016, er ersetzte Laprevotte im zentralen Mittelfeld. Nur fünf Minuten nach dem Tausch hatte dann erst einmal Michel Niemeyer einen Krampf; in der Folge wirkte es so, als würde er nicht mehr wirklich rund laufen – was bei einem bereits ausgeschöpften Wechselkontingent natürlich eher so mäßig ist.
Bevor man sich darüber aber wirklich Sorgen machen konnte, hatte Christian Beck seinen großen Auftritt. Ausgerechnet Beck. Ausgerechnet gegen Erfurt. Nico Hammann marschiert durchs Mittelfeld und wartet eigentlich darauf, dass Niemeyer wieder in Richtung Grundlinie startet. Anstatt aber den Steilpass auf die Nummer 19 zu bringen, spielt er einen hohen Ball auf Beck, der zentral vor dem Tor an der Strafraumkante in Position gelaufen war. Was dann passiert, habe ich mir inzwischen bestimmt fünf Mal in der Wiederholung angeschaut: Beck nimmt den Ball mit der Brust an, scheint noch zu schauen, ob er ihn irgendwo hin ablegen kann, entscheidet sich dann aber, sich die Kugel doch einfach selbst vorzulegen. Und per Fallrückzieher abzuschließen. Per Fallrückzieher! Nach 6 torlosen Spielen. Vor 20.000 Menschen. Und dann gegen den Ex-Club. So viel Eier muss man erst mal haben.
Beck steigt jedenfalls hoch, setzt den Schuss an – und überlupft sowohl die Defensive als auch den machtlosen Klewin im Erfurter Kasten. Ein Traumtor. Wahnsinn. Irre. Christian Beck.
Wer jetzt gedacht hatte, nach dem 2:0 wäre der Kuchen gegegessen, hatte die Rechnung ohne tapfer kämpfende Gäste gemacht. Erfurt spielte einfach weiter und drückte auf den Anschlusstreffer, was für den FCM natürlich Räume eröffnete: so bedient Beck nach 78 Minuten den links einlaufenden Michel Niemeyer, der den Ball dann aber knapp rechts am Tor vorbei platziert. Zehn Minuten später ist es erneut die 1,96 Meter-Sturmlatte, die es nun richtig wissen will und gleich mal vor dem Strafraum gegen drei Erfurter ins Dribbling geht. Klar, dass das nicht gut gehen kann, was Beck aber nicht davon abhält, den Ball am Boden liegend (!) auf Tobias Schwede zu spielen, der seinen strammen Schuss allerdings nicht auf das Tor bekommt.
Viel passierte dann nicht mehr. Zwar gab es noch zwei Bonusminuten von Schiedsrichter Badstübner, zu nutzen wusste die der FCM zur Ergebnissicherung aber besser als Erfurt für den Anschlusstreffer, sodass nach einem pünktlichen Feierabend ein unter dem Strich verdienter 2:0-Heimerfolg von der Anzeigetafel leuchtete. Das Verrückte dabei: Der einzige Vorwurf, den sich Erfurt vielleicht machen kann, ist, die beiden großen Chancen (Uzan, Kammlott) nicht für mindestens ein Tor genutzt zu haben. Okay, und dann sollte man Christian Beck vor dem 2:0 eventuell nicht so bewundernd bei der Ballannahme zusehen. Ansonsten war das aber ein insgesamt sehenswertes Drittligaspiel, an dem diesmal eben auch die Gastmannschaft einen gehörigen Anteil hatte. Angesichts der eher anstrengend defensiven Ausrichtungen von Mainz II, Münster und Wiesbaden zuletzt lohnt es sich durchaus, das an dieser Stelle noch mal zu betonen.
Für die Größten der Welt geht es nun bereits am Dienstag weiter, auf der Fischerwiese bittet der Chemnitzer FC zum Tanz. Auch diese Partie wird der 1. FC Magdeburg wieder als Tabellenzweiter angehen, danach sind es noch sieben Spiele bis zum Ende der Saison. Mit einem Christian Beck, der wieder trifft, einem Manuel Farrona-Pulido, der endlich wieder eine ordentliche Alternative ist und einer Fanszene, die sich gegen Erfurt mal wieder selbst übertroffen hat, darf man durchaus gespannt sein, welche magischen Momente uns in den verbleibenden Partien wohl noch so erwarten werden.
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