Fußball ist ein zynisches Drecksgeschäft und der 1. FC Magdeburg auch einfach nur ein stinknormaler Proficlub, der mit seinem Medienpartner in diesem Spiel ganz munter mitmischt. Jüngster Beleg: Die Entlassung von Cheftrainer Stefan Krämer und die, nun ja, journalistische Begleitung der ganzen Angelegenheit durch die Magdeburger Tagespresse. Es ist schon manchmal irre, auf wie vielen verschiedenen Ebenen man gleichzeitig wütend sein kann.
Fangen wir mal mit den Fakten an, meistens hilft das ja, die eigene Emotionalität ein bisschen runterzukochen und die Dinge einzuordnen. Der FCM entlässt den Trainer nach einer durchwachsenen und inkonstanten Hinrunde, die der Club mit 26 Punkten, 25:19 Toren, sechs Siegen, acht Unentschieden und fünf Niederlagen auf dem zehnten Tabellenplatz abschloss. Dazu kam dann noch das erste Spiel der Rückrunde, das mit neun Mann und einem zweimaligen Ausgleich nach Rückstand 2:2 endete. Zum Zeitpunkt der Trainerentlassung fehlen also noch 18 Punkte auf das vom Sportchef vor Beginn der Punkterunde nach außen kommunizierte Saisonziel „Klassenerhalt“. Bei 18 noch ausstehenden Partien. Soweit, so einfach. Und so unverständlich für mich, „puckeln jeh’n“-Romantik hin, „Magdeburger DNA“-Worthülsen und Drei-Jahres-Plan-Opium für’s Volk her. Aber okay, geschenkt. Für die sportliche Bewertung der Dinge sind andere Menschen zuständig.
Interessant und ärgerlich wird es für mich eher, wenn man sich zwei Texte anschaut, die vom Medienpartner nach dem Braunschweig-Spiel und nach der Demission von Stefan Krämer veröffentlicht wurden und die ich hier aus Gründen nicht auch noch verlinken werde. Knapp drei Stunden nach Abpfiff der letzten Partie des Jahres wird wenig subtil die Trainerfrage gestellt und eine „klare und harte Analyse“ seitens des Sportchefs angekündigt. Klar, kann man alles machen, nur fällt es mir schwer, zu glauben, dass so ein Beitrag mit dem Subtext „Trainer steht deutlich zur Disposition“ einzig und allein als Begleitberichterstattung zu dieser Partie entsteht. Ich persönlich hatte beim Lesen eher den Eindruck, dass da schon Entscheidungen gefallen waren, und zwar unabhängig vom Ergebnis des letzten Spiels, und dass deren Verkündigung jetzt einfach noch mal vorbereitet werden sollte. Ich meine, was für eine „klare und harte Analyse“ der Hinrunde soll das denn sein, an deren Ende gut 24 Stunden später die Freistellung von Stefan Krämer steht?
Dann erscheint ein zweiter Beitrag, angekündigt als „ausführlicher Artikel zum Thema“, in dem zwar auch viele kluge und richtige Dinge stehen, der aber vor allem eins macht: Stefan Krämer als allein Verantwortlichen für die insgesamt eher unbefriedigende Hinrunde +1 hinzustellen. Und das ist nach meinem Dafürhalten schon relativ harter Tobak, weil in diesem Text, einem sportjournalistischen Beitrag, für mich die mit (!) entscheidenden Fragen eben nicht gestellt werden, nämlich: Wer ist denn für die Zusammenstellung des Kaders und die Verpflichtung des Trainers verantwortlich? Wie sehen denn da Bilanz und Analyse aus?
Klar, es ist natürlich immer einfach, den Trainer als schwächstes Glied der Kette an den Marterpfahl zu binden. Das Volk hat seinen Schuldigen, die Webseite die Klicks und hey, ein Kommentar zum Thema, der die eigene Berichterstattung noch legitimiert und untermauert, ist auch noch drin, während die, die an der Situation auch (!) ihren Anteil haben, zunächst mal auf jemand anderen zeigen können. Coole Sache, alle sind zufrieden, jippijeiho.
Meine Fresse. Ernsthaft?
Ich habe mir die Mühe gemacht, mal nachzuschauen und nachzuhören: Ende Mai wurde Stefan Krämer als neuer Trainer vorgestellt, am 21.5., um ganz genau zu sein. Zur Verpflichtung hieß es seinerzeit:
„In den Gesprächen mit Stefan Krämer hat sich manifestiert, dass wir eine gemeinsame Spielphilosophie verfolgen, welche durch die Werte des 1. FC Magdeburg getragen werden soll. Wir freuen uns auf einen akribischen Cheftrainer, welcher seine Leidenschaft für den Fußball auf die Mannschaft übertragen und mit einem jungen und hungrigen Team arbeiten wird“, so Maik Franz, Leiter Lizenzspielerabteilung des 1. FC Magdeburg.“
Am 5.6. wurden dann die ersten Spielerverpflichtungen bekanntgegeben. Sirlord Conteh, Dominik Ernst, Brian Koglin, Jürgen Gjasula, Anthony Roczen und Leon Bell Bell wurden als Zugänge vorgestellt, dazu kamen unsere Nachwuchskicker. In Podcast-Folge 130 (so ungefähr bei Minute 12:43) erzählte uns der Trainer, dass der Großteil des Kaders schon stand, bevor er selbst verpflichtet wurde. „In dem Moment, als der Kontakt zustande kam, war eigentlich der Großteil des Kaders schon zusammen“, sagte Krämer wörtlich. Und weiter: „So richtig aktiv mitgewirkt habe ich eigentlich nur noch an den Transfers von Gjasula, Bomheuer, Kvesic, alle anderen waren eigentlich schon da.“
Okay. Wenn das so stimmt, ergibt auch die Forderung Krämers nach Verpflichtungen in der Winterpause Sinn. Ist doch klar, dass ich mir als Trainer wünsche, dass der Kader mit Spielern ergänzt wird, die zu meiner Spielidee passen. Noch dazu, wenn ich vorher mit einer Mannschaft gearbeitet habe, die ich selbst nur in Ansätzen mit zusammenstellen konnte. Und ja, klar, natürlich wusste Stefan Krämer, worauf er sich einlässt und wie der Kader aussehen würde, als er selbst unterschrieb. Das ändert jetzt für mich aber erstmal nichts an der Tatsache, dass der Wunsch nach weiteren Ergänzungen völlig legitim ist. Es dann so darzustellen, dass ebenjener Wunsch bei den Verantwortlichen nicht ganz so gut ankam (und offenbar mit zur Trennung beitrug, was ich da aber jetzt hineininterpretiere), ohne das mal ein bisschen einzuordnen ist, nun ja, bestenfalls gewagt. Und richtig zynisch wird es, wenn dann noch zu lesen ist, dass ja Bomheuer und Kvesic nach ihren verletzungsbedingten Ausfällen langsam wieder zu Optionen werden. Zwei der drei Spieler also, die Krämer haben wollte und auf die er in der gesamten Hinrunde so gut wie gar nicht zurückgreifen konnte.
Um mal einen Vergleich aus einem anderen Bereich zu bemühen: Im Prinzip fühlt es sich für mich so an, als hätte ein Formel-1-Team einen neuen Fahrer verpflichtet, ein für die eigenen Ambitionen nicht ausreichend konkurrenzfähiges Auto hingestellt, selbigen Fahrer dann nach der Hälfte der Rennen entlassen und ihm medial noch ein „Du hast es halt nicht gebracht“ mitgegeben. Das ist für mich ganz, ganz schlechter Stil.
Um das nicht falsch verstanden zu wissen: Natürlich, selbstverständlich, hat auch Stefan Krämer seinen Anteil an der bisherigen Punkteausbeute und am Auftreten des Teams. Er hat die Mannschaft trainiert, eingestellt und die Spiele mit ihr bestritten. Und klar gab es da viele Dinge, die anders hätten laufen können, alles keine Frage. Es aber so zu drehen, dass Krämer nun der große, alleinige Sündenbock ist, finde ich absolut ungebührlich. Das gehört sich nicht.
Die sportliche Leitung hat nach allem, was ich wissen kann, den großen Teil des Kaders zusammengestellt. Sie hat einen Trainer dazu verpflichtet, von dem man weiß, was für einen Fußball er spielen lassen will und wofür er steht. Man war der Ansicht, dass das passt, siehe Zitat oben. Wenn man sich dann im Winter vom Trainer trennt, weil man der Meinung ist, dass Entwicklungsziele gefährdet seien (also, perspektivisch der Drei-Jahres-Plan und kurzfristig der Klassenerhalt), gehört zur Analyse auch, das eigene Handeln zu hinterfragen. Oder hinterfragen zu lassen. Kann ja auch produktiv sein, sowas. Nur braucht es dazu eben auch einen Medienpartner, der sich das traut. Schade, dass es einen solchen in Magdeburg offenbar nicht gibt.
Ich habe fertig. Besinnliche Weihnachten.
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