Arminia Bielefeld – 1. FC Magdeburg, 22. Spieltag, 1:3 (0:2)
Okay, vielleicht vorweg erst einmal die nicht so guten Dinge, bevor dieser Text hier vermutlich eine einzige Eloge auf die Größten der Welt wird: Warum gewinnen wir das Spiel gegen Arminia Bielefeld nicht deutlich höher als „nur“ mit 3:1? Und warum verspürte der 1. FC Magdeburg offenbar die dringende Notwendigkeit, seine Anhängerschaft in der zweiten Hälfte für ein paar Minuten noch mal ordentlich zittern zu lassen? Ansonsten, tja… was will man groß meckern? Grandiose Vorstellung auf der Alm, ausnahmsweise mal ausgesprochenes Schiedsrichterglück, dazu ein Tor nach einem Standard (!) sowie eins aus einem Konter heraus (!!), obendrauf ein Philip Türpitz, der Verantwortung übernahm und den Deckel auf die Partie machte – doch, das war schon ein lauschiger Nachmittag in Bielefeld, bei dem das Wetter noch dazu perfekt zum Ergebnis passte.
Michael Oenning verzichtete auf große Experimente in der Anfangsformation (wozu auch?) und tauschte lediglich Nico Hammann gegen Jan Kirchhoff und Michel Niemeyer gegen Timo Perthel. Ansonsten fanden sich die üblichen Verdächtigen auf dem Rasen der Bielefelder Alm ein: Loria im Tor, besagter Perthel sowie Tobias Müller, Dennis Erdmann und Marius Bülter in der Viererkette, Jan Kirchhoff davor, dazu Rico Preißinger und Charles Elie Laprevotte im Mittelfeld und Türpitz, Beck und Lohkemper in der Offensive. Zu Beginn sah das dann nach einem 4-4-2 mit Raute aus, in der zweiten Hälfte wirkte es eher wie ein 4-3-3. Ob 7-1-2 oder 0815 ist aber eigentlich auch egal; was die geneigte Anhängerschaft in der ersten Hälfte vom Gästeblock aus zu sehen bekam, war in jedem Fall richtig unterhaltsamer Fußball.
Abseits-Rot und Torpremiere(n)
Erstmal durften aber die Gastgeber ran, die zwar schwungvoll begannen, im gesamten Spiel aber kaum mal wirklich gefährlich vor Giorgi Loria im Magdeburger Tor auftauchten. Gleich in der ersten Minute gab es eine Bielefelder Ecke, die nichts Zwingendes brachte, in deren Folge es dem Club aber auch nicht gelang, einen eigenen Angriff einzuleiten. Stattdessen blieb Bielefeld in Ballbesitz; ein Abschluss aus der zweiten Reihe, der deutlich drüber ging, war dann aber der einzige Ertrag.
Die Hausherren setzten sich dann so ein bisschen vor dem Magdeburger Strafraum fest, allerdings gab es gegen die aufmerksame FCM-Abwehr kein wirkliches Durchkommen. Das ist ja auch so ein Ding, das man schnell mal vergisst: In den ersten 18 Partien kassierte der Club satte 35 Gegentore und stellte gemeinsam mit Ingolstadt die schlechteste Defensive der Liga. Diese Zeiten sind vorbei, für den Moment jedenfalls.
Die Angriffsbemühungen der Größten der Welt wirkten derweil reichlich statisch; wenig Bewegung in Mittelfeld und Offensive machte es denjenigen, die mit dem Spielaufbau betraut waren, zunächst schwer, die Lücken zu finden und kluge Pässe zu spielen. Und trotzdem hätte es nach acht Minuten gut und gerne 1:0 für die Guten stehen können: Felix Lohkemper, unter Michael Oenning Dauerbrenner, schnappte sich einen verunglückten Bielefelder Pass, marschierte gegen drei Gegenspieler los, schlug im Strafraum noch einen schönen Haken und zirkelte den Ball dann, noch leicht abgefälscht, an die Latte. Spätestens jetzt dürften auch die Allerletzten wach gewesen sein.
So langsam war jetzt auch zu erkennen, wie der Club sich das so dachte mit dem Herausarbeiten von Torchancen: Sobald man im letzten Drittel in Ballbesitz kam, war offenbar die Maxime, so schnell und schnörkellos wie möglich vor das Tor zu kommen. Das Ergebnis waren viele schnelle Weiterleitungen mit einer Berührung oder eben der gepflegte Steilpass in Richtung Grundlinie; zunächst blieben die Bemühungen aber, wie erwähnt, einigermaßen ertragslos. Ordentlich im Griff hatten die Größten der Welt die Partie nach allerspätestens 15 Minuten trotzdem, wenngleich das Ganze eher an Rasenschach als an begeisternden Offensivfußball erinnerte. Wie gut aber, dass der Club auch davon noch reichlich im Gepäck hatte, wie der weitere Spielverlauf zeigen sollte.
In der 20. Minute hatte Philip Türpitz seine erste von mehreren guten Gelegenheiten: Nachdem Christian Beck versucht hatte, sich gegen mehrere Gegenspieler durchzusetzen bzw. den Ball zu behaupten, kam das Spielgerät nach einigem Pingpong zu Türpitz, der einfach mal Richtung Strafraum gestartet war. Aus einer ähnlichen Position wie der, aus der heraus er in Ingolstadt noch den Siegtreffer erzielt hatte, brachte er diesmal leider nicht genug Druck hinter den Ball, sodass der Abschluss ohne Probleme bei Ortega landete. Nur eine Minute später ging es über Beck auf der linken Außenbahn schnell: Der Kapitän konnte in die Mitte passen, wo Felix Lohkemper als Abnehmer gedacht war, ein Bielefelder Bein den Ball allerdings vorher erwischte. Nun gut. Das Tor fehlte zwar, aber der Club erspielte sich Chancen, so konnte das gern bleiben.
Vorher kam aber erst einmal Arminia Bielefeld zur vielleicht besten Heimchance im gesamten Spiel: Voglsammer war frei vor Loria aufgetaucht, der sich in seinem vierten Spiel für Blau-Weiß das erste mal so richtig auszeichnen konnte, im Eins gegen Eins Sieger blieb und den Ball stark ins Seitenaus klärte (27.). Kurz vorher hatte er eine Bielefelder Hereingabe von der rechten Seite weggefangen, während kurioserweise sowohl Jan Kirchhoff vor den Trainerbänken behandelt wurde als auch ein Bielefelder Spieler die liegende der laufenden Position im Mittelfeld vorzog.
In Minute 28 dann der erste mittelgroße Aufreger vor dem Gästeblock: Felix Lohkemper war von Behrendt bei einem Konter kurz vor dem Bielefelder Strafraum auf Kosten eines Fouls gestoppt worden und sah dafür gelb. Bleibt er da weg, ist Lohkemper frei durch und kann wohl ein Tor erzielen. Letzter Mann war Behrendt aber nicht, sodass die gelbe Karte an der Stelle in Ordnung geht, auch wenn einige der 2.500 Guten in den A-Blöcken das anders sahen. Jedenfalls kam Philip Türpitz nun zu seiner zweiten guten Chance, und zwar in Form eines ruhenden Balles. 17, 18 Meter, leicht links, hebt er die Kugel über die Mauer, aber auch um Haaresbreite links am Pfosten vorbei. Schade eigentlich.
So, und nach 32 Minuten stand einigermaßen fest, dass das Spiel- und Schiedsrichterglück heute wohl aufseiten der Größten der Welt sein musste: Wieder heißt das Duell „Lohkemper gegen die Bielefelder Defensive“, wieder bleibt Lohkemper Sieger, wieder wird er in aussichtsreicher Position von den Beinen geholt. Diesmal entscheidet sich Schiedsrichter Sascha Stegemann für den roten Karton und schickt Julian Börner ohne Umwege duschen. An sich die richtige Entscheidung, hätte Lohkemper nicht im Moment der Ballabgabe einen guten Meter im Abseits gestanden. Bitter für Arminia, aber gut für uns und vielleicht ist an diesem „Über die Saison gleicht sich alles aus“-Ding ja doch was dran. Schöne Grüße an Herrn Siewer und den Vergangenheits-FCM gegen Ingolstadt in der Hinrunde! Der Ball lag nun noch um einiges besser, weil zentraler, als bei der Chance von Türpitz nur ein paar Minuten vorher. Diesmal war es allerdings Timo Perthel, der sich den Freistoß gönnte und ihn wunderschön in die rechte obere Ecke drehte. Doppelt bitter für Arminia, doppelt gut für uns: Ein Tor vorn, ein Mann mehr – was sollte schief gehen?
Allerdings wissen wir ja alle, wie das ist: ein Tor ist gut, zwei sind natürlich deutlich besser. Also schickte sich Dennis Erdmann in der 42. Minute an, schon recht früh recht viel klarzumachen. Nach einer Türpitz-Ecke war er zur Stelle und nickte zum 2:0 ein – Sascha Stegemann jedoch verwehrte dem Treffer die Anerkennung, weil eine vermeintliche Abseitsposition vorlag. Dann musste es eben anders gehen: 45. Minute, Umschaltsituation, Lohkemper bekommt das Anspiel an der Mittellinie. Marschiert los. Ist allein vor Ortega. Guckt, schießt und platziert den Ball zum 2:0 in die lange Ecke. Jawollja! So schnell – und so verdient – kann’s gehen. Und es war ja noch nicht Schluss: Kurz nach dem Tor war es erneut Lohkemper, der diesmal als Passgeber und auf der rechten Seite in Erscheinung trat. Seine flache Hereingabe fand allerdings keinen Abnehmer, sodass es mit einer komfortablen 2:0-Führung in die Pause ging.
Eigentlich
Es war schon kurios: Eigentlich, eigentlich konnte hier heute nix mehr wirklich schief gehen. Bei Bielefeld hatten beide Treffer und der Platzverweis Wirkung gezeigt, so richtig gefährlich waren sie auch schon mit 11 Spielern nicht, warum um alles in der Welt sollte man sich noch Sorgen machen? Die Antwort ist einigermaßen einfach: Weil man halt Clubfan ist und mit diesem Verein schon so einiges erlebt hat. Also blieb die überbordende Euphorie lieber noch etwas unterdrückt (der Magdeburger an sich lacht ja sowieso eher nach innen, wie der beste aller Präsidenten zu sagen pflegt) und harrte man der Dinge, die da kommen würden.
Und was kam, war Bielefeld: Hut ab für die Moral und den Willen, hier noch zum Anschlusstreffer kommen zu wollen (was, Spoiler, dann ja auch noch gelang). Vom Club sah man bis auf den Versuch, den Vorsprung irgendwie zu verwalten, nicht mehr allzu viel, wenn man von einem FCM-Kopfball nach Bülter-Freistoß in der 55. Minute mal absieht. Vorher hatte es einiges an Behandlungs-Trallala gegeben (Türpitz, Lohkemper, nix Ernstes) und einen Bielefelder Freistoß aus ganz ähnlicher Position wie der, aus der Perthel getroffen hatte (48.). Kurios: Mit einem Mann weniger erzwang Bielefeld nun spielerisches Übergewicht, was irgendwie unklar war, hatte man doch den „Oenning-FCM“ als Team kennengelernt, das einfach nach vorn spielt und sein Heil eher in der Aktion als der Reaktion sucht.
In der 57. Minute betrat dann Marcel Costly das Feld, Felix Lohkemper wurde mit reichlich Applaus in den Feierabend verabschiedet. Der Wechsel war durchaus sinnvoll: Bielefeld wollte den Anschluss, der FCM sicherlich kontern, um die Partie zu entscheiden, wobei der schnelle Costly natürlich im Normalfall gut helfen kann. Das Problem war nur: den allerbesten Tag hatte er nicht erwischt, machte hier und da eher unglückliche Läufe und konnte sich nur selten mal gegen die Bielefelder Defensive durchsetzen. Was erstmal gar nichts machte, weil die Prognose für den Spielausgang natürlich umso positiver wurde, je weniger Zeit noch auf der Uhr war.
In der 69. Minute wurde es dann tatsächlich noch mal kurz ungemütlich, weil es kam, wie es irgendwie kommen musste: Hatte Loria in der 65. Minute nach einem langen Freistoß noch klären können, indem er den von links scharf vor das Tor getretenen Ball nach vorne wegpatschte und auch zwei Nachschüsse nicht aufs Tor kamen, war er gegen Klos nach einem schicken Bielefelder Konter machtlos:
Weitgehend ungestört konnte Bielefeld den Ball durch das Mittelfeld und schließlich auf die linke Seite bewegen. Die Hereingabe hoppelt an allen vorbei, bis schließlich Arminias Nummer 9 rechts vor dem Tor den Fuß dran hält und die Kugel über die Linie bugsiert.
Auf der Bielefelder Alm war jetzt gut Alarm, weil sich nach dem Anschlusstreffer auch das Heimpublikum von der aktiven Fanszene auf der Südtribüne mal zum Mitmachen animieren ließ. Vorher war außer dem einen oder anderen albernen Schmähgesang kaum mal was durch den Block-U-Klangteppich gedrungen. Bielefeld war jedenfalls jetzt am Drücker, der FCM wackelte ein bisschen, lediglich ein Bülter-Schlenzer in der 75. Minute brachte mal so ein kleines bisschen Entlastung. Eigentlich fängt man sich in solchen Situationen, in denen der Gegner Momentum, die zweite Luft und die eigenen Anhänger im Rücken hat, ja gern mal einen Ausgleich, zumal, wenn man an den 1. FC Magdeburg vom Saisonbeginn zurückdenkt. Eigentlich. Andererseits ist der 1. FC Magdeburg vom 22. Spieltag inzwischen schon recht weit weg von der Mannschaft, die häufiger mal um ein Gegentor gebettelt hat.
Nervlich einigermaßen anstrengend blieb es aber erst einmal. In Minute 77 kam Michel Niemeyer für Timo Perthel, am Geschehen auf dem Rasen änderte sich allerdings wenig. Dann die 84. Minute: Ein starkes Bielefelder Dribbling die linke Flanke entlang endet mit gleich zwei ausgespielten Magdeburgern und einem Pass in die Mitte, aus dem sich ein schneller Gästeangriff entwickelt. Über Beck geht es in Richtung Daniel Ortega; Michel Niemeyer war durchgestartet, bekam den Ball im Strafraum auch serviert – und wurde von Salger fein säuberlich weggecheckt. Die Entscheidung konnte nur „Elfmeter“ lauten und einen Elfmeter gab es auch: Türpitz schnappt sich die Kugel, guckt Ortega aus und vollendet ganz souverän in die rechte untere Ecke.
Das Ding war damit durch, spätestens jetzt begann im Gästeblock die ganz große Party und auch die überzeugtesten Pessimisten mussten nun wohl eingestehen, dass der Club dieses Ding beim besten Willen nicht mehr würde verspielen können. Inzwischen hatte Türpitz für Nils Butzen Platz gemacht, der auch noch ein paar Minuten bekam und Zeuge wurde, wie die Größten der Welt noch die eine oder andere Konterchance liegen ließen. Wie eingangs erwähnt, muss das Spiel eigentlich zwingend 4:1 oder 5:1 ausgehen, aber wer will schon mosern. Das können wir dann, wenn wir den direkten Aufstiegsplatz um ein einziges Törchen verpassen, immer noch tun. Magdeburger Größenwahn! Manche Dinge ändern sich eben nie.
Irgendwann war dann Schluss, lag man sich glücklich und satt gesonnt in den Armen und bewies am Ende auch der Stadion-DJ noch (Galgen-)Humor: Kurz nach dem Abpfiff schallte nämlich The Verves „Bittersweet Symphony“ durch die (zum Teil doch arg übersteuerten) Stadionlautsprecher.
Fazit:
Mal ehrlich: So, wie Bielefeld das Jahr 2019 begonnen hatte, hätte man vor dem Spiel wohl ein Unentschieden sofort unterschrieben. Dass es am Ende gleich drei Punkte wurden, ist natürlich traumhaft und hat viel damit zu tun, dass wir inzwischen eine Magdeburger Mannschaft mit viel Selbstbewusstsein, einem positiven Selbstverständnis und einem klaren Plan vom Fußball erleben dürfen. Vergessen sollte man aber auch nicht, dass die rote Karte gegen Bielefeld dem Spiel schon noch mal eine andere Dynamik gab und man jetzt das allseits beliebte „Was wäre gewesen, wenn…“-Spielchen spielen könnte. Aber: Warum eigentlich? Der FCM ist in Liga 2 endlich ins Rollen gekommen, der FCM hat unter dem Strich einen völlig verdienten Erfolg eingefahren und unbesiegbar ist er ohnehin. Also gilt das gleiche, was seit der Winterpause eigentlich schon die ganze Zeit gilt: einfach den Moment genießen, die gute Phase mitnehmen und am Ende schauen, was dabei herauskommt. Mit so einem Auswärtssieg im Rücken lässt es sich jedenfalls äußerst beschwingt in die Woche starten und am Sonntag, tja, da wird dann eben Paderborn geputzt.
In diesem Sinne: Am Sonntag alle ins Stadion! Wann nicht jetzt, wann dann?
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