1. FC Magdeburg – Würzburger Kickers, 38. Spieltag, 0:1 (0:1)
„BERLIN, BERLIN, WIR FAHREN NACH BERLIN!“ pic.twitter.com/yGHPZczkzH
— Nur der FCM! (@FCMBlog) 14. Mai 2016
Und da ist er wieder, der Magdeburger Größenwahn – aber warum eigentlich auch nicht? Der 1. FC Magdeburg beendet seine erste Drittliga-Saison auf einem mehr als nur großartigen vierten Platz, ist damit unter den Top 40 deutschen Profiteams und wird in der kommenden Spielzeit definitiv im DFB-Pokal vertreten sein. Und dort selbstredend für Furore sorgen – selbst Bayern-Fans blicken offenbar schon sorgenvoll auf die Auslosung. Bis die Abschlussplatzierung aber feststand und nicht nur im Heinz-Krügel-Stadion, sondern auch auf den anderen Plätzen der Republik der erlösende Schlusspfiff ertönte, hatten die Größten der Welt in der 38. Runde einen harten Brocken Arbeit vor sich und bissen sich an sehr guten Würzburgern und der eigenen Chancenverwertung letztendlich die Zähne aus. Und trotzdem: selten fühlte sich eine Heimniederlage so verdammt gut an!
Jens Härtel musste für das letzte Punktspiel der Saison noch einmal umbauen, weil unter anderem Marius Sowislo verletzungsbedingt fehlte. Und das merkte man: Selbst wenn man nicht unbedingt der größte Fan von Sowislos Spielweise ist, war deutlich zu spüren, wie bei (zu) vielen Offensivaktionen die ordnende Hand fehlte und etliche Bälle entweder viel zu schnell hergeschenkt oder, problematischer noch, nach Ballgewinn ziemlich schnell wieder verloren wurden. Anstelle des etatmäßigen Kapitäns übernahm Christian Beck die Binde und liefen in der Dreier-Abwehrkette David Kinsombi, Steffen Puttkammer und Christopher Handke auf. Im Mittelfeld wirbelten links Nico Hammann, rechts Nils Butzen, zentral vor der Abwehr Jan Löhmannsröben und Niklas Brandt und in der Offensive rotierenderweis’ Vertretungskapitän Beck, Manuel Farrona Pulido und Sebastian Ernst. Außerdem erhielt Matthias Tischer den Vorzug vor Stammkeeper Jan Glinker und somit einen würdigen Abschluss seiner zwanzigjährigen (!) Karriere als Aktiver beim 1. FC Magdeburg. Tolle Geste vom Trainerteam!
Genau wie die Mannschaft auf dem Rasen machte auch die Nordtribüne vom Anpfiff weg gleich mächtig Alarm – der kompakt stehende und erfreulicherweise recht gut gefüllte Gästeblock hatte zwar ganz offensichtlich auch seinen Spaß, gegen die Stimmgewalt von knapp 22.000 Blau-Weißen aber natürlich überhaupt keine Chance. Und es ging gut los für unsere Jungs: Bereits in der 7. Minute hatte David Kinsombi frei vor dem Tor die Chance, seine Farben in Führung zu köpfen, war aber vermutlich so überrascht davon, plötzlich völlig frei an den Ball zu kommen, dass er ihn deutlich über das Tor setzte. Auffällig in der Anfangsphase war, dass etliche Angriffe über die linke Offensivseite und damit über Nico Hammann liefen, der aber aus dem Platz, den die Würzburger ihm zum Teil ließen, gern noch ein wenig mehr hätte machen dürfen.
Auffällig war auf der anderen Seite des Feldes ebenfalls, dass die Abwehr in den Anfangsminuten in der einen oder anderen Situation doch einigermaßen unsortiert daherkam und sich so auch für Würzburg Lücken ergaben. Eine davon führte bereits in der 14. Minute zum Tor des Tages: Nachdem eine erste Ecke der Würzburger noch abgewehrt werden konnte, findet die zweite unmittelbar im Anschluss den Kopf von Elia Soriano, für den sich zentral im Strafraum so gar niemand zuständig fühlte und der dementsprechend problemlos gegen den chancenlosen Matthias Tischer ins Tor köpfen konnte.
Der Stimmung im Stadion tat das allerdings nur kurz Abbruch; unmittelbar im Anschluss wurde die Mannschaft wieder nach vorne gepeitscht und beteiligten sich, wie während der Saison schon so oft praktiziert, alle Tribünen am Support ihres Teams – auch die Südtribüne, die zum zweiten Mal in dieser Spielzeit sehr gut gefüllt war und von der Nord aus einen schönen Anblick bot. Da dürfen wir uns in der kommenden Spielzeit mit Sicherheit auf viele weitere, richtig stimmungsvolle Partien freuen. Die Stimmung blieb auch deswegen gut, weil die Mannschaft in ihrem letzten Punktspielauftritt zuhause nicht aufsteckte und weiter zu guten Gelegenheiten kam – gegen eine Würzburger Mannschaft, die extrem gut organisiert in der Abwehr arbeitete und vor allem über die eigene rechte, also unsere linke Seite immer mal wieder gefährlich vor das Tor kam, wahrlich keine einfache Angelegenheit. Allein, der Ausgleich wollte partout nicht fallen, auch weil Jan Löhmannsröben per Kopf (30.) die vielleicht beste Ausgleichschance im ersten Durchgang vergab und eine scharfe Hereingabe von Sebastian Ernst kurz vor dem Pausentee vor dem Tor keinen Abnehmer fand.
Nach den ersten 45 Minuten war der 4. Platz, der für Blau-Weiß ja noch auf dem Spiel stand, also erst einmal futsch – Osnabrück lag zu diesem Zeitpunkt zuhause zwar zurück, Großaspach führte durch ein Tor von Timo Röttger (ausgerechnet Röttger!) aber in Dresden und hatte somit in der Blitztabelle den begehrten DFB-Pokal-Platz inne. Noch waren aber 45 Minuten Zeit, das zu ändern, wenngleich die Chancenverwertung und der couragierte Auftritt der bereits sicher für die Relegation qualifizierten Gäste die Sache nicht gerade leichter machen würden.
In der zweiten Hälfte passierte dann bis etwa zur 71. Minute erstaunlicherweise kaum etwas Bahnbrechendes, was dem Enthusiasmus auf den Rängen schon so ein wenig die Luft nahm; dem Club fiel wenig ein, ein Aufbäumen gegen die drohende Niederlage war kaum erkennbar und Würzburg tat das, was nötig war, um den Vorsprung über die Zeit zu bringen. Kräftig unterstützt wurden die Kickers dabei vom reichlich unsouveränen Schiedsrichter Osmers, der einige unglückliche Entscheidungen traf und so dafür sorgte, dass alsbald die ersten wenig freundlichen Sprechchöre in Richtung des Verbandes durchs Stadion schallten. Allerdings schießt ja nunmal nicht der Referee die Tore und dementsprechend muss sich der Club schon so ein bisschen an die eigene Nase fassen, den Rückstand nicht gedreht bekommen zu haben. Dabei gab es durchaus noch Gelegenheiten: in der 71. Minute verfehlt ein Nachschuss von Manuel Farrona Pulido den Kasten von Gästekeeper Wulnikowski nur knapp; zwei Minuten später setzt Christian Beck einen nahezu perfekten Kopfball, der von Wulnikowski mit einer überragenden Parade noch über die Latte gelenkt wird. Wieder zwei Zeigerumdrehungen später ist es Christopher Handke, der mit einem strammen Schuss aus der zweiten Reihe knapp links vorbeizielt.
Wer nun dachte, dass man an jenem Tag noch gute 3 Stunden hätte weiterspielen können, ohne, dass Blau-Weiß ein Tor gelingt, sah sich spätestens in Minute 84 bestätigt: Nils Butzen kommt mit Schwung rechts im Strafraum völlig frei zum Schuss, entscheidet sich aber für volles Risiko statt überlegtes Einschieben und nagelt den Ball ans rechte Außennetz. Es war zum Verzweifeln.
Im Block wurden indes die Smartphones gezückt und gespannt auf die Spielstände in Osnabrück und Dresden geschaut: Erstere waren inzwischen raus aus der Show und lagen nach 83 Minuten 1:3 zurück, in Dresden stand es derweil 1:1 – in Anbetracht der Tatsache, dass unsere Mannen wohl an diesem Tag keinen Heimsieg mehr erringen würden, war man nun also ausgerechnet auf den Spielausgang in Dresden und damit gewissermaßen auf sächsische Schützenhilfe angewiesen.
Und die Minuten wollten einfach nicht vergehen.
Dann die Nachricht aus Sachsens Landeshauptstadt: Dynamo hatte erneut getroffen; in der 88. Spielminute war es Väyrynen, der die Heimmannschaft mit 2:1 in Front brachte.
Noch 2 Minuten.
Großaspach brauchte jetzt 2 Tore.
Die werden doch nicht…
“Pfeif’ ab jetzt!”
Schluss. Schluss in Magdeburg und Schluss in Dresden. Zur Sicherheit noch 3x die Live-Spielstände auf dem Smartphone gecheckt, aber die gelben Zahlen waren ja doch längst weiß geworden. Es war geschafft: Die Drittliga-Saison 2015/2016 war Geschichte und der 1. FC Magdeburg war im DFB-Pokal! Wahnsinn.
Während man sich nun im Block noch in den Armen lag oder alternativ abklatschte, hatte sich die Mannschaft, diese Mannschaft! längst im Mittelkreis versammelt. Schließlich galt es nun, Abschied zu nehmen von Burak Altiparmak, Ryan Malone, Lars Fuchs, Nicolas Hebisch, Silvio Bankert, Kevin Kruschke, David Kinsombi und nicht zuletzt natürlich Matthias Tischer, die alle dabei mitgeholfen hatten, Großes zu erreichen. Ich hatte zugegebenermaßen ein kleines bisschen Bammel vor allzu emotionalen Szenen und rührenden Abschiedsworten. Was aber passierte, war alles in allem zwar irgendwie merkwürdig kurz, aber im Endeffekt eigentlich auch ganz angenehm: Jeder Spieler wurde von den Stadionsprechern und den Zuschauern noch einmal gebührend gefeiert und während es im Mittelkreis Geschenke gab, donnerten die Namen der Akteure ein letztes Mal durchs weite Rund, in dem ein großer Teil der 22.072 Zuschauer geblieben war, um den Spielern und dem Team noch einmal Dank und Respekt zu zollen. Und nur in Magdeburg kann wohl einem Spieler ein Abschieds-Banner gewidmet werden, bei dem, passend zum Namen, ein Stück Pelz in der Mitte drapiert ist:
Als Matthias Tischer an der Reihe war, das eigens von der Mannschaft für ihn produzierte Video über die Anzeigetafel flimmerte und sich die Kurve schließlich “Tischi auf den Zaun!” wünschte, wurde es doch noch einmal ganz kurz emotional. Das letzte Mal einklatschen im Heinz-Krügel-Stadion mit dieser Mannschaft, die die ganze Saison über nichts hat anbrennen lassen und vor allem über Mentalität, Wille und Zusammenhalt Punkt um Punkt erst für den Klassenerhalt, dann für den 4. Rang sammelte. Ein letztes Mal Matthias Tischer, der sich auf dem Vorsängerpodest freute wie Bolle. So jung kommen wir nicht mehr zusammen, wohl wahr, und in dieser besonderen Konstellation schon gar nicht.
Noch aber wartet ja eine Aufgabe auf die Größten der Welt, und die heißt “Erdgas Sportpark” und “Pokalsieg gegen Halle”. Und dann, ja, dann gilt es, einen dicken, fetten Strich unter diese Saison zu machen, die Spielzeit noch einmal Revue passieren zu lassen und sich ungläubig die Augen zu reiben, was für ein großartiges Jahr wir mit den Größten der Welt doch erleben durften. Und die letzten Worte? Die hat die Kurve:
“FUSS-BALL-CLUB MAG-DE-BURG! FUSS-BALL-CLUB MAG-DE-BURG!”
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