1. FC Magdeburg – 1. FC Union Berlin II, 08.03.2014, 19. Spieltag
Zugegeben, so richtig verarbeitet habe ich noch nicht, was genau da gestern eigentlich passiert ist. Auch knappe 24 Stunden nach dem Spiel überwiegt immer noch das Entsetzen darüber, dass die Mannschaft den eigentlich vollkommen verdienten Sieg über die Zweitvertretung der Unioner nicht nur völlig unnötig aus der Hand gegeben, sondern den Gästen die drei Punkte in der letzten Viertelstunde des Spiels förmlich aufgenötigt hat. Die jungen Unioner konnten im Prinzip gar nicht anders, als diese Einladung anzunehmen und das Heinz-Krügel-Stadion als Sieger zu verlassen. Dass unsere Mannschaft damit womöglich die Aufholjagd auf Neustrelitz vollkommen ohne Not beendet und der vorsichtigen Euphorie und der guten Stimmung im Umfeld einen erheblichen Dämpfer verpasst hat, kommt erschwerend hinzu.
Dabei war eigentlich mal wieder alles angerichtet für einen herrlichen Fußballnachmittag: die Sonne schien ununterbrochen auf die Nordtribüne, die Stimmung im Block war einmal mehr sensationell (was sogar den Capo nach einem Wechselgesang zwischen ihm und der Kurve zu einem zwischenzeitlichen, fast schon erstaunten „Das war stark!“ verleitete) und auf dem Rasen gab es, wenigstens zu Beginn der Partie, Großchancen im Minutentakt.
Aber, und hier greift eben wieder die alte Fußballweisheit: wenn Du vorne die Buden nicht machst, rächt sich das hintenraus meist bitterlich. Und so verliert man eben auch mal ein Spiel, bei dem es zur Halbzeit eigentlich mindestens 5-0 stehen muss (und locker hätte stehen können) und bei dem sich die Gäste im Normalfall zur zweiten Hälfte gar nicht mehr aus der Kabine trauen, mit 1-2.
Der Spielverlauf hatte dabei in der zweiten Hälfte schon etwas stark slapstickhaftes: erst erzielt Christian Beck in der 53. Minute das hochverdiente und längst überfällige 1-0 und man konnte richtig sehen, wie von der ganzen Mannschaft ein immenser Druck abfiel. Dann kassiert ein Unioner in der 65. Minute die gelb-rote Karte, man ist also die letzten 25 Minuten des Spiels auch noch in Überzahl (was dem Club in dieser Saison allerdings bisher überhaupt nicht gut tat). Dazwischen wird irgendwann noch ein glasklarer Elfmeter nach Foul am ansonsten ziemlich schwachen Viteritti nicht gepfiffen, was im Normalfall das sichere 2-0 zur Folge hat. Tja, und dann stellt die komplette Mannschaft eben so ab Minute 70 die Abwehrarbeit im Wesentlichen ein und lässt Union zum Ausgleich kommen. Jetzt muss man dazu sagen (eine Phrase, die auch Andreas Petersen offenbar sehr gern zu gebrauchen pflegt), dass man gegen diese Berliner Mannschaft eigentlich immer mit einem Gegentor rechnen muss; nicht umsonst haben die jungen Unioner in dieser Saison bereits 52 (!) Tore und damit die meisten der Liga erzielt. Umso unverständlicher dann aber, dass sich die Mannschaft bei guten noch 20 zu spielenden Minuten derartige Auszeiten erlaubt. Das ist vor allem eine Einstellungsfrage, die man in Teilen sicher auch dem Trainerteam anlasten kann.
So. Und als man sich im Stadion dann so langsam an den Gedanken zu gewöhnen begann, dass es wohl heute nur zu einem Unentschieden reichen wird (was schon ärgerlich genug gewesen wäre), spielt René Lange weitgehend unbedrängt und völlig ohne Not einen an sich geklärten Ball nicht zu einem seiner 10 Mitspieler, sondern lieber in die Füße der Unioner Abwehr, die blitzschnell umschaltet und den Ball locker im leeren Tor unterbringt. Und Matthias Tischer noch dazu schlecht aussehen lässt, der aus dem Tor eilt, um zu retten, was nicht mehr zu retten war, aber zu spät am Ball ist und so den Pass mit anschließendem Torabschluss nicht verhindern kann. Entgegen des „Sport im Osten“-Kommentators würde ich in der Situation aber sagen, dass Tischer gar nicht anders kann, als so früh rauszukommen, weil die Abwehr ja komplett aufgerückt war und der Versuch, den Pass auf den freien Unioner auf dem Flügel zu verhindern, die einzige Handlungsoption des Torhüters war, die in dieser Situation Sinn gemacht hat. Der Fehler passiert halt vorher, und zwar nicht Tischer, sondern Lange, der jetzt vermutlich lebenslänglich eine Kiste Bier zum Training mitbringen muss.
Wer nun aber gedacht hat, dass die Mannschaft sich noch mal zusammenreißt, alles nach vorne wirft und versucht, mit Macht auf den Ausgleich zu drängen (jetzt war es ja auch egal, ob man vielleicht noch ein Kontertor kassiert), sah sich getäuscht, was wiederum mich (und vermutlich noch ein paar andere) ziemlich geärgert hat. Statt schneller, einfacher Bälle wurde versucht, sich weiterhin bis hinter die Berliner Torlinie zu kombinieren, was aber selbstredend und in Anbetracht der ablaufenden Spielzeit viel zu überhastet, damit natürlich ungenau und dementsprechend erfolglos passierte. Naja und dann war Schluss und was blieb, war große Enttäuschung, ziemliche Ernüchterung und ein Stück weit Fassungslosigkeit.
Diese entlud sich nun, wie üblich, auch auf den Rängen und der Schuldige an der ganzen Misere war natürlich auch sofort gefunden: selbstverständlich war es nicht die Mannschaft, die einen absolut sicheren Sieg durch katastrophale Chancenverwertung und zwei riesige Blackouts völlig souverän vergeigt hat, sondern der Trainer, der (O-Ton) „immer mit seinen bescheuerte Wechseln“ die Niederlage besiegelt hat. Zur Erinnerung: Christoph Siefkes verletzt sich und zeigt seine notwendige Auswechslung selbst an, für ihn kommt Timo Schmunck. Völlig nachvollziehbarer und richtiger Wechsel. Bleibt Siefkes drin und fällt dann über unsere rechte Seite womöglich das Gegentor – ich möchte mir gar nicht ausmalen, welche Hasstiraden gegen Petersen das zur Folge gehabt hätte. Und der im Großen und Ganzen indisponierte Fabio Viteritti wird nach 60 Minuten von Matthias Steinborn ersetzt, was zwar erst auf den zweiten Blick, dafür aber im Hinblick auf den Spielstand und -verlauf zu diesem Zeitpunkt doch wieder Sinn macht.
An beiden Gegentoren waren die eingewechselten Spieler übrigens nicht beteiligt. Aber gut, wenn man sich eh schon eingeschossen hat und ohnehin der Meinung ist, das Spiel mit 3,8 auf’m Kessel verfolgen zu müssen, können einem solche Äußerungen wie „die sollen den endlich rausschmeißen“ und „der macht das doch mit Absicht“ schon mal rausrutschen.
Eine Einzelkritik der Spieler spare ich mir an der Stelle mal; groteskerweise ist es ja tatsächlich so, dass die Mannschaft insgesamt kein schlechtes Spiel abgeliefert hat. Andreas Petersen sagte nach der Partie in der Pressekonferenz (hier via FCM.TV nachzuschauen) richtigerweise (sinngemäß), dass das vom Spielerischen her vielleicht sogar das beste Heimspiel der ganzen Saison war; allein, und darauf verwies auch der Gästetrainer, Fußball ist nun mal Ergebnissport und für ein schönes Spiel kann man sich nur solange etwas kaufen, wie man am Ende eben mehr Tore erzielt hat als der Gegner. Und da das gegen die Berliner eben nicht gelang, könnte heute in Plauen (wo der Tabellenführer aus Neustrelitz zum Auswärtsspiel aufdribbelt) wohl schon so etwas wie eine Vorentscheidung fallen – was im Übrigen auch Petersen in besagter Pressekonferenz relativ unumwunden zugibt.
Insofern war der 19. Spieltag für alle Blau-Weißen eben vor allem ein gewaltiger Nackenschlag, der dann sicher auch die eine oder andere Unmutsäußerung verständlich macht. Und Magdeburg wäre nicht Magdeburg, wenn der gemeine Fan in der Straßenbahn nach dem Spiel nicht erst lautstark krakeelend alle zum Teufel wünscht, nur um eine Minute später wieder festzustellen: „…und trotzdem rennt man ja immer wieder hin.“
Genau. So ist es nämlich und deswegen heißt es auch: Kopf hoch, weitermachen und am nächsten Wochenende dann eben in Jena die drei Punkte mitnehmen. Das nächste Spiel ist immer noch das wichtigste und wie heißt es so schön: „Solang‘ die dicke Frau nicht singt, ist die Oper nicht zu Ende.“ In diesem Sinne: einmal – immer.
Nachwort:
Eine kurze, stolze Bemerkung noch zu Block U und einem Beitrag im „Planet MD“ zum Spiel, in dem man sich doch recht deutlich gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit positioniert und sehr klar macht, dass Nazi-Parolen und das Verunglimpfen von Spielern aufgrund ihrer Hautfarbe in der Fankurve des 1. FC Magdeburg nichts verloren haben. Sauber, Jungs! Nur so!
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