1. FC Magdeburg – F.C. Hansa Rostock, 12. Spieltag, 0:1 (0:1)
Wo ist eigentlich Tobias Müller, wenn man ihn mal braucht? Okay, okay, die Einstiegsfrage ist natürlich nur so halb ernst gemeint, am Innenverteidiger lag es mit Sicherheit nicht, dass der 1. FC Magdeburg gegen den F.C. Hansa Rostock die zweite Niederlage der Saison einstecken musste. Die Goalgetter-Qualitäten, die Müller gegen Kaiserslautern und Duisburg noch unter Beweis gestellt hatte, hätten die Größten der Welt allerdings schon ganz gut gebrauchen können, insbesondere in der zweiten Halbzeit, in der offensiv einmal mehr erschreckend wenig ging. Und weil das so war, lief die Partie ungefähr so, wie die letzten auch schon gelaufen waren: Gute Anfangsphase, hintenraus dann aber große Ratlosigkeit, selten mal rausgespielte Torchancen, ziemlich wenig Tempo, kaum Feuer und phasenweise das Gefühl, dass da unten auf dem Rasen auch in vier Stunden kein Treffer fallen wird. So langsam, aber sicher etabliert sich ein Muster für diese Saison, und dieses Muster lässt die Euphorie nicht eben in den Himmel wachsen, um es vorsichtig auszudrücken. Die Frage, die sich mit jedem weiteren Auftritt dieser Art immer stärker aufdrängt, ist irgendwie: Wollen, sollen oder können es die Jungs von Stefan Krämer („Hinten raus haben uns etwas die Mittel gefehlt.“) einfach nicht besser?
Bevor sich die Clubfans unter den 21.884 Stadiongänger*innen allerdings mit derlei Gedanken beschäftigen mussten, standen erst einmal ganz andere Themen im Vordergrund. Für die Opfer des Terroranschlags in Halle gab es zunächst eine Schweigeminute, die natürlich von irgendeinem Idioten mit einem „Alle gegen Halle“-Zwischenruf gestört werden musste. Mal ehrlich, was genau geht (außer den beiden Murmeln, die da offenbar ganz entspannt von rechts nach links und wieder zurück kullern) in einem solchen Moment im Kopf von so einem Menschen vor? So viel kann man doch eigentlich gar nicht trinken …
Im Anschluss bzw. besser: Mit dem Anpfiff zeigte die Nordtribüne eine Choreographie in Gedenken an Hannes, der vor nunmehr schon drei Jahren sein Leben verlor. Schwarze Pappen wurden hochgehalten, in der Mitte zierte irgendwann eine große Blockfahne mit Hannes’ Gesicht die Tribüne, untermalt wurde das Ganze von roten Bengalos in der ersten und der letzten Reihe. Ein schönes Bild, von dem man sich wünscht, dass man es nie hätte sehen müssen … Hannes – unvergessen!
Rückstand aus dem Nichts
Als sich der Rauch verzogen hatte, waren schon gut zehn Minuten gespielt, dem Raunen von den anderen Tribünen nach zu urteilen hatte sich der Club während der Choreo bereits die eine oder andere gute Szene erarbeiten können. Vertreten wurden die Magdeburger Farben diesmal zunächst von Morten Behrens im Tor sowie Brian Koglin, Tobias Müller, Jürgen Gjasula und Tarek Chahed in der Viererkette. Das Mittelfeld bildeten Björn Rother, Thore Jacobsen, Manfred Osei Kwadwo und Rico Preißinger, während Christian Beck und Sören Bertram die Doppelspitze gaben.
Die erste Aktion, die dann von der Nordtribüne aus zu sehen war, war ein Freistoß von der rechten Seite, den Jürgen Gjasula in Richtung des linken Pfostens trat. Dort stand Tobias Müller, der aufs Tor köpfte; Rostocks bärenstarker Keeper Markus Kolke konnte jedoch klären, ein Kopfball-Nachsetzer von Jacobsen landete schließlich auf dem Tornetz.
In den ersten zwanzig Minuten etwa war der Club recht gut präsent, hatte ordentlich Ballbesitz und ließ Kugel wie Gegner laufen, wirkliche Abschlüsse waren aber erstmal keine weiter zu verzeichnen. Das änderte sich erst nach 26 Minuten wieder, als Rico Preißinger einen guten Blick aufs Tor hatte und sich mit einem Schuss versuchte, der aber leider direkt in den Armen des Rostocker Schlussmannes landete. Sehr schade – ein bisschen platzierter rechts oder links und dann schlägt das Ding vielleicht ein. Und wer weiß, wie das Spiel verlaufen wäre, wenn die Größten der Welt sich für einen bis dahin ordentlichen Auftritt einfach mal belohnt hätten … Nun ja, es ist müßig.
Apropos Auftritt: So etwa um die 24. Minute herum leisteten sich Heim- und Gästekurve einen durchaus unterhaltsamen „Wechselgesang“: Wurde zunächst das „Hansa!“ drüben aus der Ecke noch mit einem „Schweine!“ gekontert, schaukelte sich das ganze schließlich zu einem verbalen Schlagabtausch hoch, an dessen Ende irgendwann ein „Ostdeutschland“ von der Nordtribüne stand. Konnte man schon mal so machen, der eine oder andere Schmunzler huschte da sicher nicht nur mir über das Gesicht. Schön dann auch folgender Moment in Minute 27: „Einhaken!“ hieß es aus Richtung der Vorsänger und ehe man sich versah, wurde endlich mal wieder ganz legal und offiziell auf der Nordtribüne gehüpft. Wie neulich schon einmal geschrieben: Es sind momentan eben die kleinen Dinge, die man einfach mitnehmen muss.
Sportlich ging es in der 29. Minute mit einem Foul an Sören Bertram weiter, das einen Freistoß aus zentraler Position zur Folge hatte. Gjasula tritt an und zirkelt den Ball in die Torwartecke, wo aber Kolke schon wartete und den Schuss stark zur Ecke lenkt. Die kommt gut, Becks Kopfball geht dann aber über den Kasten.
Von Hansa war bis dahin offensiv so gut wie nichts zu sehen, erst in der 33. Minute war der erste ordentliche Abschluss zu verzeichnen – und der musste dann natürlich auch gleich sitzen. Starkes Anspiel von Opoku hinter die Kette auf Omladic, der mit dem trockenen Abschluss und zack! steht es 1:0 für die falschen Farben. So einfach konnte es gehen. Ein Tor aus dem Nichts, aber gut, da trägt dann eben die alte Phrase, von wegen „wenn Du die Dinger vorn nicht machst …“. Aber hey, weiter ging’s, noch war hier ja nichts verloren.
Wie kaum anders zu erwarten, gab der Treffer nun allerdings dem F.C. Hansa Sicherheit, während sich der Club weiter redlich bemühte, aus dem Spiel heraus aber nichts Hochprozentiges mehr kreieren konnte. Einzig ein Freistoß nach 39 Minuten und Foul an Beck wurde noch einmal gefährlich. Wieder gab es das Duell Gjasula – Kolke, wieder blieb der Keeper der Gäste Sieger. Und weil auch ein fragwürdiger Foulpfiff nach einer Defensivaktion von Rother glücklicherweise folgenlos blieb, ging es mit einem 0:1-Rückstand in die Kabine.
Anderes Spiel, ähnliche Probleme
Zu Beginn des zweiten Durchgangs versuchte sich der Club zunächst noch an druckvollem Spiel, stand sich dabei aber, wie zuletzt schon viel zu häufig, gern selbst im Weg: Dribblings blieben hängen (immerhin gab es aber welche), letzte Pässe wurden zu unpräzise gespielt, auch die eine oder andere Schiedsrichterentscheidung fiel zu Ungunsten der Hausherren aus. Und spätestens ab der 54. Minute kippte die Partie dann auch verlässlich, zunächst in Richtung Hansa und später in die oben schon beschriebene Ratlosigkeit.
In eben jener 54. Minute war zunächst Morten Behrens zur Stelle und vereitelte im Eins gegen Eins stark den zweiten Gegentreffer. Nur 120 Sekunden später hat der FCM großes Glück, dass Hansa eine schicke Aktion katastrophal schlecht zu Ende spielt: Nico Neidhart kann weitgehend ungehindert durchs Mittelfeld spazieren, beim freien Abschluss vor dem Tor stellen sich die Gäste dann aber maximal dämlich an. Gut für uns, aber trotzdem bedenklich, mit wie wenig Gegenwehr der Gegner in dieser Szene zu einer Abschlussgelegenheit kommen konnte. Das war ja überhaupt spannend: Während so gut wie jede blau-weiße Offensivaktion hart erarbeitet aussah, konnten Rostocks Mittelfeldspieler häufiger mal leichtfüßig und technisch versiert durch die Reihen dribbeln. Mag sein, dass da die Wahrnehmung etwas verzerrt ist, weil man mit der nicht so erfolgreichen Brille eh schlechter sieht. Trotzdem wirkte vieles bei Rostock irgendwie … unbekümmerter. Selbstverständlicher. Geschmeidiger. Oder täuscht der Eindruck?
Eine knappe Stunde war rum, als es eigentlich einen Elfmeter für die Größten der Welt hätte geben müssen: Am Fünfmeterraum wurde Christian Beck von drei Gegenspielern gleichzeitig gestoßen, gehalten und gezogen, die Pfeife von Schiedsrichter Storks blieb allerdings stumm. Aber klar, wenn es nicht läuft, dann läuft es eben einfach nicht, auch in solche einer Hinsicht. Drei Minuten später war immerhin mal ein fast gelungener Spielzug zu bewundern: Kwadwo marschierte im linken Mittelfeld und nahm Bertram mit, der schließlich einen Schlenzer auf das Tor versuchte. Am Strafraum wäre Kapitän Beck noch anspielbar gewesen, stattdessen rauschte der Abschluss doch einigermaßen deutlich an Freund und Feind vorbei ins Toraus.
Das war dann erst einmal die letzte Offensivaktion des Clubs. Möchte man es vorsichtig ausdrücken, könnte man sagen, dass sich das Gefühl, der FCM würde hier mal ein Tor erzielen, in den nächsten Minuten nicht unbedingt aufdrängte … Bereits nach 63 Minuten hatte Stefan Krämer sein Team noch offensiver ausgerichtet, indem er Roczen für Rother brachte. Akzente setzen konnte der Sommerzugang mit der Nummer 7 allerdings leider keine groß. Ähnlich galt das auch für Sirlord Conteh, der nach 77 Minuten das Spielfeld betrat und Manfred Osei Kwadwo ersetzte. Auch das irgendwie kurios: Die Werkzeuge sind eigentlich alle da, nur irgendwie ist die Mannschaft nicht in der Lage, sie auch sachgemäß einzusetzen.
Immerhin: Eine gute Chance, das Spiel zumindest auszugleichen, gab es dann doch noch: In der 78. Minute blieben mehrere Abschlussversuche der Hausherren im Strafraum hängen, einen Beck-Kopfball parierte schließlich der an diesem Tag nicht zu bezwingende Kolke. Auch Hansa bekam noch einmal eine Gelegenheit, der freie Schuss von Nartey in der 90. Minute segelte allerdings knapp über das Tor.
Auch wenn dann in den Schlussminuten noch einmal alles, inklusive Keeper Morten Behrens, nach vorn geworfen wurde: Ein weiterer Schuss aufs Tor sollte Blau-Weiß nicht mehr gelingen. Und so endete diese Partie unter dem Strich nicht unverdient mit der zweiten Heimniederlage der Saison.
Fazit:
Der Gegner hieß anders, die Kulisse war etwas größer als sonst, aber im Prinzip haben wir die Partie, die der Club an diesem 12. Spieltag absolvierte, in dieser Saison schon häufiger gesehen. Und erneut frage ich mich, was genau es eigentlich ist, das mir dieses komische, ungute, sorgenvolle Gefühl in der Magengegend verursacht. Dass sie nicht kämpfen würde, dass sie ihrer Arbeit nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit nachgeht, dass der Mannschaft egal ist, wie die Begegnungen ausgehen, kann man ihr beileibe nicht vorwerfen. ‚Technisch‘ passiert das, was man im Profifußball erwarten kann: Es werden Laufwege absolviert, es werden Pässe gespielt, es gibt sogar Torchancen und ja, auch wenn Hansa diesmal die drei Punkte mitgenommen hat, macht die Defensive grundsätzlich einen guten Job. Es ist ja nicht so, dass wir dauernd komplett baden gehen würden.
Und trotzdem gibt es da irgendwas, das fehlt. Etwas, das zumindest für mich kaum zu greifen ist. Etwas, das mit Feuer zu tun hat. Mit Verbindlichkeit. Mit dem unbedingten Willen, das Ding in jedem Fall ziehen zu wollen, auch wenn der Gegner vielleicht spielerisch besser drauf oder gerade mit einer breiteren Brust ausgestattet ist. Mit einem Selbstverständnis, das sagt: Wir wissen, was zu tun ist, wir werden es tun und am Ende werden wir das Spiel gewinnen. Und so langsam drängt sich der Verdacht auf, dass das, was da fehlt, kein kurzfristiges, sondern möglicherweise ein strukturelles Problem ist.
Am Freitag geht’s nach Köln, dann folgt das in vielerlei Hinsicht schwierige Spiel gegen den anderen Profiverein des Bundeslandes. Sechs mögliche Punkte und zwei Partien, die womöglich noch einmal Weichen stellen können, jetzt, wo diese tolle Ungeschlagen-Serie der Vergangenheit angehört. Quo vadis, FCM? Ausreden gibt es jetzt jedenfalls keine mehr.
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