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Schweinedreier

SC Preußen Münster

1. FC Magdeburg – SC Preußen Münster, 26. Spieltag, 1:0 (0:0)

Freitagsspiele unter Flutlicht sind großartig – und können gleichzeitig auch, je nach Tabellenkonstellation, ziemlich haarig werden. Der Großteil der anderen Mannschaften spielt am Samstag, die nahezu ungeteilte Aufmerksamkeit der Konkurrenz ist einem gewiss. Man kann die Chance nutzen und vorlegen – oder muss nach der eigenen Partie im schlechtesten Fall eben mit ansehen, wie die Kontrahenten im Auf- oder Abstiegskampf rechts und links vorbeiziehen. Der 1. FC Magdeburg entschied sich am 26. Spieltag nach einer insgesamt starken Partie für die erste Variante, schlug den SC Preußen Münster verdient mit 1:0 wird auch den nächsten Spieltag als Tabellenzweiter angehen. Trotz optischer Überlegenheit bedurfte es allerdings eines Elfmeters, um das Spiel zu eigenen Gunsten zu entscheiden – richtig hochkarätige Chancen blieben, wie auch schon gegen Mainz, Mangelware. Am Ende ist das freilich egal und bringt natürlich auch solch ein Ergebnis, das sich durchaus als  “Schweinedreier” bezeichnen lässt, die nötigen Punkte im Aufstiegsrennen.

Trotz des unbefriedigenden Spielausgangs in der Vorwoche und reichlich Getöse im Nachgang (Stichworte: Vorsänger, Mannschaftsleistung, Trainer-Vertrags-Hängepartie) war die Stimmung vor Beginn der Begegnung ausgesprochen ausgelassen, bekam Christian Beck ein Geburtstagsständchen dargebracht und betätigte sich Manuel Farrona Pulido, sehr zum Amusement der Nordkurve, beim Warmmachen kurzfristig als Aushilfskeeper (oder ließ sich, je nach Lesart, schlichtweg von den Kollegen abschießen). Was allerdings sicherlich nicht nur bei mir aufs Gemüt drückte, war der Umstand, dass es vor der Partie erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit kein “Planet MD” zu ergattern gab. Im Vorwort zur letzten Ausgabe hatte sich das ja schon so ein bisschen angedeutet:

“Wir haben heute eine etwas abgespeckte Version des Planet MD für euch vorbereitet. Die Gründe dafür liegen auf der Hand bzw. wurden zum Teil bereits weiter oben genannt. Wie sich unser Heft in Zukunft aufstellen wird, ist noch in Erfahrung zu bringen.” – Redaktion Planet MD in Ausgabe 258 (!) zum Spiel gegen Mainz II

Schade und bedenklich ist es allemal, wenn so ein wichtiges und immer mit viel Herzblut produziertes Sprachrohr der aktiven Fanszene plötzlich (und hoffentlich nur vorübergehend) verstummt. Was immer auch die konkreten Gründe dafür sein mögen – leicht gefallen sein wird den Machern des Heftes diese Entscheidung mit einiger Sicherheit nicht.

Kommen wir zum Sportlichen: Tobias Schwede musste gelb/rot-gesperrt aussetzen, für ihn rückte erwartungsgemäß Michel Niemeyer auf die linke Außenbahn. Davor und ebenfalls auf links kehrte Florian Kath in die Startelf zurück, im Sturmzentrum sollte Geburtstagskind Beck für Gefahr sorgen, rechts agierte erneut Tarek Chahed. Neben Niemeyer liefen Marius Sowislo und Nils Butzen im Mittelfeld auf, etwas überraschend musste außerdem Jan Löhmannsröben für Charles Elie Laprevotte in der Zentrale Platz machen. Ein Wechsel, der sich auszahlen sollte – der Franzose machte ein ganz starkes Spiel, lief defensiv mit einem Riesenpensum eigentlich alle Räume zu, spielte kluge Bälle im Spielaufbau und wird Jens Härtel die Entscheidung, wer gegen Bremen II auf dieser Position beginnen soll, einigermaßen schwer gemacht haben. In der Defensive gab es derweil keine großen Überraschungen, hier bildeten Nico Hammann, Richard Weil und Christopher Handke die Dreierkette vor Leopold Zingerle im Tor.

Die Anfangsphase der Partie gehörte, wie auch schon in der Vorwoche, ganz klar dem FCM. Nach zwei Minuten waren bereits zwei Eckbälle auf das von Maximilian Schulze Niehues gehütete Münsteraner Tor gekommen (die letztlich zwar für wenig Gefahr sorgten, aber immerhin ankamen), die Gäste hingegen ließ man gar nicht zur Entfaltung kommen. Trotzdem und auch, weil Münster (zweitweise mit Sechserkette) engagiert und tief stehend verteidigte, sollten bis zur ersten ernstzunehmenden Torchance 15 Minuten vergehen. Ein überragender Ball von Michel Niemeyer von weit aus der eigenen Hälfte findet den freien Raum vor Tarek Chahed, der im richtigen Moment startet, sich dann aber den Ball einen Ticken zu weit vorlegt und so vor dem herauseilenden Schulze Niehues in keine richtig gute Schussposition mehr kommt. Sehr schade, aber ein Indiz dafür, wie es gegen Münster vielleicht gehen könnte, denn: solche Räume taten sich insbesondere auf der rechten Offensivseite häufiger mal auf. Das Problem war allerdings so ein bisschen, wie auch schon gegen Mainz und besonders zuvor in Duisburg, dass Butzen und Chahed die zwar sehr gut besetzten, dann mit dem Ball aber oft nicht mehr allzu viel anzufangen wussten. Man stelle sich vor, beide würden jetzt auch noch den tödlichen Pass spielen oder selbst verlässlich abschließen können – unser Flügelspiel würde wohl mit zum Besten gehören, was die 3. Liga so zu bieten hat.

Unabhängig von diesem kleinen Manko (und ja, das ist sicherlich Meckern auf hohem Niveau) blieb Blau-Weiß aber am Drücker, war extrem präsent, zwang Münster zu Fehlern und kam selbst immer wieder spielerisch ins letzte Angriffsdrittel. In Spielminute 19 erkämpfte Christian Beck an der oberen Strafraumgrenze (!) eine Ecke (!!), nach 25 Spielminuten räumt Tarek Chahed mal eben einen Münsteraner Gegenspieler beim Kopfballduell am Mittelkreis ab – zwei Szenen, die für die Einstellung der Mannschaft an diesem Abend stellvertretend stehen können. Es fehlten aber, sieht man von Chaheds Chance mal ab, die klaren Torgelegenheiten, und dann ist es im Zweifelsfall halt auch egal, wie stark Du kämpfst und wie gut Du den Gegner letzten Endes im Griff hast. Respekt an der Stelle auch an Preußen Münster, die von Benno Möhlmann auf das, was sie in Magdeburg erwarten würde, offenbar sehr gut eingestellt waren und eben einfach auch so gut wie gar nichts zuließen.

Nach einer guten halben Stunden zeigten sich dann auch die Gäste mal kurz, ohne Leopold Zingerle allerdings wirklich in Verlegenheit bringen zu können. Ein Freistoß in der 29. Minute wird direkt versucht, bleibt aber harmlos, drei Minuten später geht ein abgefälschter Schuss ans Außennetz, woraus dann auch die zwei möglicherweise gefährlichsten Münsteraner Szenen im ganzen Spiel resultierten: Es gibt Ecke von links und einen Kopfball von Schweers, der von der Magdeburger Defensive im letzten Moment auf der Linie geklärt werden kann. Ein zweiter Eckstoß direkt im Anschluss landet wieder bei einem Münsteraner, der eigentlich nur Vollspann abziehen muss, sich glücklicherweise aber für die Innenseite und mehr oder weniger für eine Rückgabe an Keeper Zingerle entscheidet. Dankbarer Ball für unseren (an jenem Abend jederzeit sicheren) Torhüter und ein kurzes, aber kollektives Durchschnaufen auf den mit 17.741 Zuschauern sehr ordentlich besetzten Rängen.

Überhaupt, die Ränge. Viel war ja zu lesen und zu hören im Laufe der Woche, nachdem der koordinierte Support gegen die Mainzer U23 nicht so sonderlich gut geklappt hatte. Diesbezüglich gab es vor dem Spiel noch einmal eine klare Ansage vom Vorsängerpodest, die sinngemäß in die Richtung ging, dass es prinzipiell egal sein müsse, wer da vorne steht und die Lieder anstimmt – eine gute Kurve unterstützt auch unabhängig vom Vorsänger die eigene Mannschaft. Da ist was dran, wie auch an der Aussage, dass zwar der Funke gegen Mainz möglicherweise nicht so gut übersprang, letzten Endes aber die Kurve auch den Capo so ein bisschen im Stich gelassen hat. Man darf ja wirklich nicht vergessen, worum es dabei eigentlich geht: eine einzelne Person soll Kraft ihrer Stimme und ihres Auftretens irgendwie 5.000 Leute koordinieren und zum Mitmachen bewegen. Für mich persönlich eine völlig undenkbare Vorstellung, von der ich (fast) jedes Mal fasziniert bin, wenn das dann tatsächlich doch klappt. Wenn aber die Kurve der Meinung ist, dass man sich vom Vorsänger nicht ansprechend genug animiert fühlt, wird aus der Aufgabe eigentlich ein unmögliches Unterfangen. Von daher war der Appell “wider die Konsumentenhaltung” in dieser Deutlichkeit wohl noch mal wichtig und führte jedenfalls dazu, dass die Nordtribüne gegen Münster wieder ein ansprechendes Maß an Lautstärke und Brachialität an den Tag legte.

Auf dem Rasen änderte sich derweil am Spielverlauf nicht wirklich viel, nach der kurzen Münsteraner Drangphase um die 30. Minute herum übernahm der Club wieder das Kommando. In der 41. Minute wurde es dann nochmal interessant: Florian Kath leitet im Mittelkreis einen Ball bärenstark an Christian Beck auf links weiter und damit einen schulbuchmäßigen Konter ein, bekommt das Spielgerät an der Strafraumgrenze zurück, zieht direkt ab und trifft aber statt ins Tor nur einen Preußen, der den Ball zur Ecke ins Toraus abfälscht. Vier Minuten später war dann Pause – zufrieden, aber ob des Spielstands auch ein wenig unbefriedigt ging es in die Halbzeit.

Im zweiten Durchgang (zunächst) das gleiche Bild. Zwar agierte der 1. FC Magdeburg nun nicht mehr ganz so druckvoll, die Spielkontrolle gab man dennoch nicht groß aus der Hand. Allerdings schlichen sich jetzt öfter als noch in der ersten Hälfte kleinere Fehler im Spielaufbau ein, die den Gegner dann natürlich stark machen und im dümmsten Fall in ein Spiel zurückbringen können, das man bis dato eigentlich völlig im Griff hat. Glück für den FCM, dass auch Münster die sich so bietenden Gelegenheiten nicht konsequent zu Ende spielte und zwar mitunter in ganz gute Positionen, aber eben auch nicht entscheidend zum Abschluss kam. Mit dafür verantwortlich war allerdings auch eine an diesem Abend überaus sattelfeste Abwehr mit Richard Weil als Fixpunkt und Organisator und, wie oben schon erwähnt, einem Keeper, der diesmal den Ball lieber einmal öfter aufnahm, als durch Mitspielen vielleicht für den einen oder anderen ungewollten Überraschungseffekt zu sorgen.

Mit anderen Worten: Das Spiel plätscherte phasenweise so vor sich hin, ohne langweilig zu werden, aber auch ohne, dass sich vor den jeweiligen Toren wirklich Aufregendes ereignen würde, auch wenn die Angriffsbemühen des FCM phasenweise Anleihen aus dem Handball nahmen. So auch in Spielminute 63, als aus einem Belagerungszustand rund um den Münsteraner Strafraum heraus dann doch mal ein langer Ball durchrutschte, den freistehenden Nils Butzen aber irgendwie überraschte und statt aufs Tor oder in die Mitte an Butzen vorbei ins Toraus ging.

Der Treffer des Tages fällt schließlich unter tatkräftiger Mithilfe der Gäste in Spielminute 68. Tarek Chahed wird im Strafraum (unglücklich zwar, aber mustergültig) gelegt, Schiedsrichter Heft zögert keine Sekunde und gibt den fälligen Elfmeter. Richard Weil tritt an, schießt und versenkt den Ball mit einem satten Schuss unhaltbar in die linke, obere Ecke. Beeindruckend, mit welcher Selbstverständlichkeit Weil nach so kurzer Zeit schon Verantwortung übernimmt; in der Rückschau ist man zwar natürlich immer schlauer, aber irgendwie sagte die Körpersprache beim Hinlegen des Balles schon: “Schulze Niehues, Du kannst machen, was Du willst, den hältst Du nicht.”

1:0 also für die Größten der Welt und als hätte jemand bei Preußen Münster einen Schalter umgelegt, antworteten die Gäste nun ihrerseits mit zielstrebigem, gefälligen Offensivspiel, vielleicht ja auch dem Mut der Verzweiflung und reichlich Druck auf den Magdeburger Sechzehner. Die daraus resultierende beste (Halb-)Gelegenheit hat in der 72. Minute Gästekapitän Adriano Grimaldi, der – im Zentrum völlig freistehend – eine gute Flanke von der rechten Seite knapp nicht erreichen kann. Eine Minute später wechselte Jens Härtel zum ersten Mal, für Florian Kath kam als zusätzliche Sicherungsinstanz Jan Löhmannsröben ins Spiel. Charles Elie Laprevotte rutschte dafür kurzzeitig auf die nun frei werdende linke Offensivposition, während “Löh” Laprevotte vor der Abwehr ersetzte. Nach 79 Minuten war der Arbeitstag des französischen Winter-Neuzugangs schließlich beendet, unter reichlich Applaus verließ er für Manuel Farrona Pulido den Platz.

Mit einem 1:0 im Rücken und einem Gegner, der sich eine Niederlage so gar nicht leisten kann, beginnt in solchen Spielphasen ja üblicherweise das Zittern und so war es natürlich auch an diesem 26. Spieltag. Münster versuchte noch mal viel, während der FCM vorne zwar immer mal wieder für Entlastung sorgen konnte, hinten den Ball aber kaum mehr kontrolliert aus der Gefahrenzone gespielt bekam. Das waren mit Sicherheit wieder gute zehn bis fünfzehn Lebensjahre, die dem einen oder der anderen auf den Rängen bis zum Abpfiff verloren gingen… Fünf Minuten vor dem Ende kam noch Julius Düker für Christian Beck, dem zwar abermals ein eigener Treffer verwehrt blieb, der sich aber einmal mehr für das Team die Lunge aus dem Leib gelaufen hatte. Nach gefühlten 10, real wohl aber eher 2 Minuten Nachspielzeit war es dann endlich geschafft und der so wichtige, wenn auch denkbar knappe Auftaktsieg in die englische Woche unter Dach und Fach gebracht.

Unter dem Strich bleibt eine spielerisch überwiegend starke Leistung mit viel Spielkontrolle und einem letzten Endes einfach auch erkämpften 1:0-Erfolg, bei dem am Saisonende keiner mehr danach fragt, ob der nun per Elfmeter, Traumkombination, Eigentor oder was auch immer zustande gekommen ist. Am Ende des Tages sind eben auch Schweinedreier 3 Punkte, die uns keiner mehr nimmt. Möglicherweise hat es so einen Sieg jetzt in der Rückrunde auch einfach mal gebraucht und wer weiß? Vielleicht erinnern wir uns alle in der Sommerpause an genau diese Partie als diejenige, die für die restlichen Spiele so etwas wie ein Dosenöffner war. Oder um es abschließend und zusammenfassend mit den Worten vom Vorsängerpodest zu sagen:

„Kompliment, liebe Mannschaft, geiles Spiel! Applaus!“

Die Pressekonferenz zum Spiel (via YouTube)

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