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Profifußballparadoxien

Professionalisierung

Es gibt da eine Sache, die mich schon eine ganze Weile beschäftigt und von der ich gar nicht so richtig weiß, wie ich sie eigentlich ausdrücken soll. Angefangen hat das, so meine ich, mit dem Aufstieg unseres 1. FC Magdeburg in den Profifußball, vielleicht (wahrscheinlich) aber auch schon früher. Wenn ich überlege, unter was für einem Stichwort sich meine diffusen Gedanken an der Stelle am ehesten zusammenfassen lassen, fällt mir als allererstes der Begriff ‘Professionalisierung’ ein, wobei es das irgendwie nicht bzw. nicht vollständig trifft. Im Prinzip geht es eher um die Frage, wie sich unser Verein und sein Umfeld durch den sportlichen Erfolg in den letzten Jahren verändert haben und in der Zukunft noch verändern werden. Und wohl auch ein kleines bisschen darum, ob nicht vielleicht der Aufstieg und der Rausch des ersten Jahres dafür gesorgt haben, dass eine Diskussion darüber, was das jetzt alles mit uns macht und wie wir uns gegenseitig zueinander verhalten sollten, irgendwie auf der Strecke geblieben ist.

Was ich meine, zeigte sich in der Vergangenheit z.B. an der Frage der Ausgestaltung der Feierlichkeiten zum fünfzigjährigen Geburtstag (Stichwort: Jubiläumstrikot-Aktion) oder auch – andere Baustelle, gleicher Hintergrund – bei den Diskussionen um die Ausgliederung der Profimannschaft. Ich glaube, diese beiden Dinge, die ja lediglich Beispiele sind, haben nur auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun. Aktuell kassiert der Club gerade einiges an Kritik für die Aufteilung unseres Stadions in so genannte Sektoren inklusive separiertem Einlass und diskutieren wir über die Frage, wie groß die Taschen sein dürfen, die man mit an den Platz nehmen möchte. Und wenn man sich jetzt sein Bier kauft, bezahlt man mit Plastikgeld – oder eben auch nicht, weil das Bierwagen-Personal nur so mäßig gut geschult ist und der Auflade- und Bezahlprozess am ersten Spieltag wohl noch ordentlich Schluckauf hatte.

Während ich den Text hier schreibe, twittert der Verein die nächste KidsClub-Aktion. Der Familienblock heißt seit diesem Jahr nicht einfach nur “Familienblock”, sondern trägt den Namen eines Sponsors (wobei das vorher, meine ich, auch schon so war, nur eben nicht so deutlich betont wurde). Vor unserem Stadion steht ein brandneues VIP-Zelt mit Platz für 600 Gäste. Der Ticket-Vorverkauf, sogar der geschlossene für Mitglieder, läuft inzwischen auch online und weitestgehend reibungslos, es gibt sogar eine Plattform, auf der man seine Dauerkarte anbieten kann, wenn man es mal selbst nicht ins Stadion schafft. Schöne neue Welt, alles glitzert und glänzt, Profifußball eben. Professionalisierung allerorten und auf allen Ebenen.

Worauf ich hinaus will, ist, dass die Dinge sich verändern, verändern müssen und diese Veränderungen in den letzten Monaten und möglicherweise Jahren eine ganz schöne Dynamik angenommen haben, die durch den Aufstieg noch einmal besonderen Schwung bekam. Der Verein forciert das natürlich mit und kann als Akteur im Profifußballgeschäft ja auch gar nicht anders, auch wenn einige Aktionen mitunter sicher unbeholfen wirk(t)en. Nicht unbedingt von der Sache her, aber von der Kommunikation mit dem wichtigsten Klientel und dem größten Pfund, mit dem der 1. FC Magdeburg wuchern kann: seiner Fanszene.

Schaut man sich die Diskussionen an, die aktuell so laufen, kann man einen gewissen Unmut bei dem einen oder der anderen sicher nicht von der Hand weisen. Nicht immer ist die Argumentation sachlich, manchmal sogar ganz schön schrill, motzig und laut, aber so ist das eben mit des Magdeburger Fußballfans’ Herzensangelegenheit. Ich denke, worauf vieles hinausläuft und wo dann auch der gemeinsame Hintergrund all dieser Debatten zu suchen wäre, ist: Angst. Angst davor, dass “unser FCM” vielleicht irgendwann mal nicht mehr “unser FCM” ist, sondern eine austauschbare, professionelle Marketingmaschine mit (ausgegliederter) Fußballabteilung. Dass irgendwann mal Leute ins Stadion kommen, die sich einfach nur gut unterhalten lassen wollen, ansonsten aber gar nicht verstehen, was es wirklich bedeutet, FCM-Fan zu sein. Die Meuselwitz, Plauen und Auerbach als Fußballstandorte gar nicht kennen, geschweige denn, dort mal irgendwann im Gästeblock gestanden zu haben. Und die dann eben auch in der 85. Minute das Stadion verlassen, wenn die Show halt nicht so verlaufen ist, wie man sich das möglicherweise vorgestellt hat.

Wenn man in einer ganz ruhigen Minute mal darüber nachdenkt, ob diese Entwicklung in letzter Konsequenz wirklich aufzuhalten sein wird, muss man ehrlicherweise wohl mit “nein” antworten. Wir tragen ja sogar selbst alle fleißig dazu bei, indem wir uns das verhältnismäßig teure DFB-Pokal-Ticket eben doch kaufen. Oder das Trikot. Oder die Dauerkarte, über deren Kosten so viele so sehr gemeckert haben. Das Schizophrene ist doch: Wir alle wollen, dass unser Erster Fußballclub Magdeburg erfolgreich ist, wir mit unseren Jungs auf dem Rasen jubeln und die ganze Woche über mit einem fetten Grinsen durch die Gegend rennen. Gleichzeitig aber soll sich möglichst nichts verändern, soll “unser Club” der Arbeiterverein bleiben, der der Stadt des Schwermaschinenbaus zur Ehre gereicht. Das ist paradox und kann nicht funktionieren.

In der Gestaltung genau dieser Paradoxie liegt nun eine der wichtigsten Aufgaben unserer Vereinsführung – eine Aufgabe im Übrigen, um die ich Mario Kallnik und Co. so überhaupt gar nicht beneide. Auf der einen Seite gilt es, im Profigeschäft zu bestehen, eine konkurrenzfähige Mannschaft auf den Rasen zu stellen, dafür die entsprechenden Strukturen zu schaffen und die Fanszene dabei auch noch mitzunehmen. Auf der anderen Seite muss man mit der Identität des Vereins behutsam umgehen und es irgendwie hinbekommen, das Besondere, das oft zitierte ‘Alleinstellungsmerkmal’ unseres Clubs bestmöglich zu bewahren. Und dabei schauen Dir gefühlt zehntausende Menschen über die Schulter, von denen ein nicht unerheblicher Teil – meistens der laute – meint, es immer besser zu wissen. Puh.

Veränderungen werden ja immer dann problematisch bzw. überhaupt zum Thema, wenn sie sicht- oder spürbar werden. Im Moment ist das der Fall, indem es zum Beispiel je nach Stadionsektor getrennte Eingänge gibt oder man halt am Bierwagen anstelle von Münzen eine Plastikkarte über den Tresen reicht. Aber Veränderungen passieren nun mal und wenn man sie schon nicht aufhalten kann, sollte man sie vielleicht einfach gemeinsam bestmöglich gestalten.

Profifußball ist letzten Endes ein knallhartes und dementsprechend auch rationales Geschäft, allerdings eins mit einem hochemotionalen Produkt. Die beste Strategie ist in solchen Szenarien vermutlich ein goldener Mittelweg, Maß zu halten also, und zwar sowohl in die eine wie die andere Richtung.

Aber wie soll das funktionieren bei den Größten der Welt, beim 1. FC Magdeburg, wo alles andere doch nur Fußball ist?

 

Beitragsbild: “Paradox” (geändert) von Anders Sandberg, Lizenz: CC BY 2.0

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