1. FC Magdeburg – MSV Duisburg, 7. Spieltag, 3:3 (0:1)
Ich gebe zu, ich bin genervt. Von der anhaltenden Nicht-Sieg-Serie, klar. Davon, dass unsere Mannschaft wieder einen Vorsprung nicht über die Zeit bringen konnte. Sehr sogar. Aber auch davon, wie an der einen oder anderen Stelle jetzt schon wieder das große Ganze in Frage gestellt wird, der Weltuntergang droht und wir sowieso schon abgestiegen sind. Nicht falsch verstehen: Natürlich sehe auch ich, wo es hakt. Selbstverständlich ist nicht zu leugnen, dass wir große Probleme im Spielaufbau haben, wenn man unserer Abwehrreihe nur stark genug auf den Füßen steht. Oder dass der eine oder andere Akteur offenbar große Probleme hat, einen flachen Pass über 10 Meter in den Fuß des Mitspielers zu spielen. Oder dass unser Offensivspiel insgesamt sehr, sehr ausrechenbar ist. Oder dass die Abwehr plötzlich Schwächen offenbart, die es zu Saisonbeginn noch nicht gegeben hat; vielleicht auch, weil wir gefühlt im siebenten Spiel die siebzehnte Defensiv-Formation gesehen haben.
Das ist alles klar und natürlich kann, ja muss man da sogar drüber sprechen. Aber bitte sachlich und lösungsorientiert. Und: Was bringt es denn, sich Spieler XY auszugucken, persönlich anzugehen und irgendwelche obskuren „Der spielt bestimmt schlecht, weil xyz…“-Argumente zu konstruieren? Oder in der ersten Hälfte gegen Duisburg zu pfeifen, weil die Mannschaft sich zwar redlich, aber anfangs eben irgendwo auch kläglich bemühte, zu Torchancen zu kommen? Bringt uns das Punkte? Hilft uns das? Hilft das der Mannschaft? Ich glaube nicht. Und genau deshalb ist der folgende Text ein Versuch, mal etwas anders zu machen als sonst. Das Gute hervorzuheben. Das Spiel gegen Duisburg mal positiv zu verarbeiten. Hilft zwar der Mannschaft wahrscheinlich auch bloß nicht, aber mir, schließlich ist so ein Blogbeitrag ja auch immer so ein bisschen Selbsttherapie. Und die Fußball-Seele, die war mir in den letzten Tagen und Stunden viel zu negativ unterwegs. Also, packen wir es an:
Englische Woche, das Unter-der-Woche-Spiel, das heißt bei Jens Härtel traditionell, einige Änderungen in der Anfangsaufstellung vorzunehmen. Kann man doof finden, aber der Trainer wird sich etwas dabei gedacht haben und schickte an diesem 7. Spieltag die folgende Formation aufs Feld: Alexander Brunst im Tor, Christopher Handke, Romain Brégerie und Steffen Schäfer in der Abwehrreihe, Björn Rother und Richard Weil im zentralen Mittelfeld, links Michel Niemeyer, rechts Nils Butzen. In der Offensive begannen links Felix Lohkemper, in der Mitte Marius Bülter und rechts Marcel Costly. Interessante Variante übrigens mit Bülter zentral, die im weiteren Spielverlauf zumindest zeigte, dass er für den Club auf dem Flügel deutlich wertvoller ist.
Schleppender Beginn, engagierte Fortsetzung
Die Anfangsphase der Partie gehörte akustisch Blau-Weiß; zu Spielbeginn hatte Block U darüber informiert, warum man sich nicht an den bundesweiten Protesten, die eigentlich für den Spieltag angedacht waren, beteiligen würde. Auch im „Planet MD“ gab es einen interessanten Text dazu und ich kann für mich nur sagen: Hut ab für die Entscheidung, die sicherlich nicht einfach war, und gleich noch mal Hut ab für die für mich völlig nachvollziehbare Begründung. Sowas zu lesen, macht mich stolz auf unsere Ultra-Szene.
Auf dem Feld passierte ziemlich lange nicht so furchtbar viel. Der FCM war um Kontrolle bemüht, die Angriffsversuche waren aber noch zu ungenau. Nach 11 Minuten hatte Richard Weil die erste gute Szene für den Club, spielte aber einen Konter nicht konsequent genug zu Ende, weil er sich anstelle des Abschlusses für einen Pass im Strafraum entschied, der letztlich keinen Abnehmer fand. Schade eigentlich. Von Duisburg war derweil überhaupt nichts zu sehen – bis es plötzlich 0:1 stand. Vorausgegangen war gleich eine ganze Fehlerkette; letztlich reichte ein starker Pass in den Rücken der Abwehr auf Stanislav Iljutcenko, der dann ohne Probleme verwandeln konnte. So kann’s laufen: Erster Torschuss, erster Treffer.
Weiter ging’s, aber leider erst mal mit Duisburg. Mit viel Glück (für uns) verpassten es die Gäste sowohl in der 22. als auch der 26. Minute, auf 2:0 zu erhöhen. Dafür hätte in Spielminute 27 eigentlich zwingend der Ausgleich fallen müssen. Marius Bülter hatte nach eigenem Ballverlust am Duisburger Strafraum den Ball stark zurückerobert und flach in die Mitte gespielt – wo Nils Butzen den Pass dann zwar erreichte, ihn aber nicht aufs, sondern nur über das leere Tor bringen konnte. Sehr schade, aber ein erster Vorgeschmack auf das, was offenbar der offensive Plan war: Über außen gefährlich werden und dann in der Mitte zum Abschluss kommen. Nur zwei Minuten nach dieser Szene landete eine Costly-Flanke von rechts fast im Tor, Duisburgs Keeper Mesenhöler musste mit der Faust klären.
Es sollte dann bis zur 38. Minute dauern, ehe es eine weitere Torraumszene für die Größten der Welt gab: Von Bülter in der Zentrale gelangte der Ball zu Michel Niemeyer auf der linken Bahn, der die Kugel auf den langen Pfosten flanken konnte. Zunächst über Freund und Feind hinweg, fällt Kapitän Butzen das Spielgerät vor die Füße. Sein Abschlussversuch wird geblockt, im Rückraum kommt wieder Niemeyer an den Ball, kann ihn entspannt zum Ausgleich ins Tor schlenzen – und donnert ihn mit Schmackes auf die Nordtribüne. Die zweite verpasste Ausgleichsmöglichkeit. Ist das schon Chancenwucher? Immerhin: Es gab Gelegenheiten, nur musste man sie halt irgendwie auch mal nutzen.
Für die weiteren Offensivaktionen des FCM in der Schlussphase der ersten Hälfte war dann vor allem der extrem spielfreudige Marcel Costly zuständig. Immer wieder sorgte er mit engagierte Dribblings für Gefahr, suchte selbst den Abschluss (43.) oder versuchte, für die Kollegen aufzulegen (42.). Der Ball wollte aber partout nicht über die Linie, also blieb es vorerst beim 0:1-Rückstand, mit dem es auch in die Kabine ging. Was sich an positiven Dinge mitnehmen ließ? Nun, es gab (eigentlich ausreichend) Ausgleichsgelegenheiten, die vor allem über die Flügel herausgespielt wurden; Duisburg hielt man derweil bei einem echten Torschuss. Dass der dann gleich drin war – tja nun.
Flippernd zum Unentschieden
Durchgang 2 begann mit der Einwechslung von Christian Beck, der nach dem Bekunden einiger Clubfans in diesem Kader und dieser Liga nichts mehr zu suchen hat. Warum das Quatsch ist, belegten die folgenden 45 Minuten. Auf die Bank musste für ihn Felix Lohkemper. Marius Bülter nahm dessen Position ein, der frisch gebackene Vater rückte ins Sturmzentrum.
Nachdem Christopher Handke in der 47. Minute mit einem viel zu kurzen Klärungsversuch im eigenen Strafraum dafür sorgte, dass alle wieder wach waren, näherte man sich so ab der 55. Minute mal wieder dem Ausgleich an. Erst war es ein Niemeyer-Freistoß aus gut 30 Metern, der allerdings im Toraus landete, dann konnte Handke in der 58. Minute schön auf Butzen spielen. Der versuchte, Beck in der Mitte mitzunehmen, die Abwehr packte aber zu, bevor der Ball im Tor einschlagen konnte.
Eine knappe Stunde war gespielt, als Philip Türpitz für Michel Niemeyer den Platz betrat. Dieser Wechsel hatte auch Auswirkungen auf die Rolle von Marcel Costly, der jetzt nämlich die Niemeyer-Position einnahm, während Türpitz rechts in der Offensive wirbeln sollte. Letzterer war es auch, der in der 62. Minute den viel umjubelten Ausgleich einleitete: Einen Einwurf auf unserer rechten Seite führt er schnell aus und wirft zu Marius Bülter, der relativ ungehindert in die Mitte passen konnte. Tja, und da stand Christian Beck diesmal blitzeblank und musste die Kugel nur noch über die Linie schieben. Alles auf Anfang, 1:1, es ging doch! Und es wurde gleich noch viel, viel besser: Ein schöner Lauf von Nils Butzen kann von Duisburg nur per Foul gestoppt werden, für den fälligen Freistoß aus gut 20 Metern tritt, na klar, Philip Türpitz an. Der nimmt kurz Maß und knallt den Ball dann humorlos rechts unten in die Ecke. Spiel gedreht, in 2 Minuten und gegen eine Duisburger Mannschaft, die ja in dieser Saison auch noch auf ein Erfolgserlebnis wartet. Geil, geil, geil! Alles, was es jetzt noch brauchte, war ein zeitiger Abpfiff und keine weiteren Torgelegenheiten für die Gäste.
Aber: Wie wir inzwischen wissen, kam es natürlich anders. Duisburg zeigte Moral, intensivierte die eigenen Angriffsbemühungen und bekam in der 65. Minute einen Freistoß zugesprochen. Die Position war ähnlich der, die zum Führungstreffer für uns führte, allerdings stand diesmal die Mauer besser. Kevin Wolze war das egal. Mit einem sehenswerten Schuss beförderte er den Ball in die Maschen und war sich danach nicht zu blöd, die Nordtribüne nicht nur mit Gesten zu provozieren, sondern auch noch ausgelassen an der Eckfahne rechts vor dem Block zu feiern. Klar, Emotionen und so, ich halte so etwas aber für gleichermaßen unnötig wie unsportlich. Kann man lassen (was ich im umgekehrten Fall übrigens genauso geschrieben hätte) – die fliegenden Bierbecher jedenfalls wird wohl wieder der Verein und nicht der äußerst, ähm, sympathische Sportfreund Wolze zahlen.
Die Antwort von Blau-Weiß? Kam in Form weiterer Torgelegenheiten. Erst vergab Weil nach schöner Vorarbeit von Handke, Türpitz und Butzen aus guter Position im Strafraum (69.), dann haute Beck eine Hereingabe von Costly nach einer Ecke auf den langen Pfosten über den Kasten (70.). In der 77. Minute versuchte es Beck noch mal nach einer scharfen Flanke von Kollege Türpitz, blieb im Abschluss aber ebenfalls glücklos. Nach 81 Minuten meldeten sich auch die Gäste noch mal offensiv: Andreas Wiegel hatte sich an der Strafraumgrenze mit ein, zwei Körpertäuschungen Platz verschafft und aus 16 Metern abgezogen, konnte Alexander Brunst mit seinem Schuss aber nicht überwinden.
Dann kam die 83. Minute, die wohl vor allem auf Duisburger Seite noch für einigen Gesprächsstoff gesorgt haben dürfte. Schiedsrichter Daniel Schlager hatte fälschlicherweise auf Ecke für die Größten der Welt entschieden, eigentlich hätte es Abstoß geben müssen. Der Ball fand jedenfalls den Kopf von Christopher Handke und plötzlich stand es doch tatsächlich 3:2 für die Guten! Nach einem Standard! Also einem echten, ruhenden Ball. Schon wieder. Angesichts der doch recht mauen Standards der letzten Spiele war das direkt mal eine Steigerung um gefühlte 200%.
Während all das passierte, stand an der Seitenlinie schon Mergim Berisha bereit, der in den letzten paar Minuten wohl noch einmal für Angriffsschwung sorgen sollte. Nach dem Führungstreffer durfte er sich aber direkt wieder setzen, stattdessen schickte Jens Härtel nun Tobias Müller für Marius Bülter in die Schlacht. Völlig nachvollziehbarer Move, wenngleich natürlich bitter für Berisha. Für Marcel Costly wiederum bedeutete das, die nunmehr dritte Position im Spiel einzunehmen: Müller rückte hinten links in die Abwehr, Costly wieder eins nach vorne.
Naja, und anstatt das Spiel dann in Ruhe zu Ende zu bringen, musste der Club den Ball in der 88. Minute erneut aus den Maschen holen. Es gibt eine Duisburger Flanke von rechts auf den langen Pfosten, die Björn Rother aus was auch immer für Gründen auf Christopher Handke am Fünfmeterraum köpft. Den Abpraller nutzt Lukas Daschner und schiebt die Kugel zum 3:3 ein. Und ja, das fühlte sich schon so ein bisschen an wie ein Stich ins Herz. Solche Gegentore bekommst Du vermutlich nur, wenn Du unten drin stehst. Es durfte – mal wieder – einfach nicht wahr sein. Kurz darauf war dann Schluss und wieder war es nix mit dem ersten Zweitliga-Dreier der Vereinsgeschichte.
Fazit
Wie man das Spiel letztlich bewertet, kommt vermutlich mal wieder darauf an, ob man generell eher der „Glas halb voll“- oder der „Glas halb leer“-Fraktion angehört. Ich bin immer noch einfach froh, dass in unserem Saison-Glas überhaupt Zweitliga-Wasser drin ist, und möchte daher auch mit einem kleinen Appell enden.
Jens Härtel sagte irgendwann mal sinngemäß: „Wir haben halt die Mannschaft, die wir haben.“ Und damit hat er Recht. Im Kader wird sich aller Voraussicht nach bis zur Winterpause nichts mehr tun. Also, was bleibt uns übrig? Wollen wir uns jetzt in Endlosdiskussionen ergehen, wie man den letzten Ball besser hätte klären können oder ob er da, wo er landete, überhaupt erst landen muss? Oder – größer gedacht – welcher Spieler welche Schwächen hat? Oder wer wen wann und woher hätte verpflichten müssen? Auf was die sportliche Leitung aus welchen Gründen auch immer nicht reagiert hat? Warum alles doof ist und die Sonne über Magdeburg vermutlich nie wieder scheinen wird? Oder wollen wir vielleicht einfach den Arsch hochkriegen und mit dem arbeiten, was wir zur Verfügung haben? Einer Mannschaft, die will und inzwischen auch Tore schießen kann. Einer Abwehr, die es nicht gänzlich verlernt haben kann, Tore zu verhindern. Einer eigenen Stimme, die man nach Lust und Laune benutzen kann, auch in den lauteren, motivierenden Tonlagen. Und einer Liebe zu einem Verein, die ja wohl bitte hoffentlich nicht an die Liga geknüpft ist? Also, Freundinnen und Freunde der russischen Dichtkunst: Geht ins Stadion! Unterstützt Eure Mannschaft! Bedingungslos! Am Ende kackt die Ente und nach 34 Spieltagen werden wir wissen, wozu das alles gut war. Und ich kann jetzt hier nur für mich sprechen, aber: Ich möchte mir am Ende der Saison nicht vorwerfen lassen müssen, nicht alles in meiner Fan-Macht Stehende versucht zu haben.
Nächster Halt: Sandhausen. So. Ich werde da sein. Und laut. Ihr auch?
Gegnerperspektive:
„20 Anmerkungen zum MSV-Spiel gegen den 1. FC Magdeburg, die die Welt noch nicht gesehen hat“ (Zebrastreifenblog)
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