Mitunter ist es ja doch ganz gut, sich ab und an mal ein wenig rauszuziehen und Abstand zu gewinnen, auch wenn das nicht immer ganz freiwillig passiert. Und so verschlug es mich, wie der eine oder die andere möglicherweise mitbekommen hat, ausgerechnet am Wochenende des Spiels der Spiele (nämlich gegen Neustrelitz) für einen lange geplanten Wochenendtrip ins schöne Wien. Dass selbstverständlich auch dort die blau-weißen Farben ordentlich hochgehalten wurden, muss ja eigentlich nicht extra erwähnt werden ;-).
Der Kurztrip war von Freitag bis Montag veranschlagt und ganz bewusst entschied ich mich am Spieltag (Sonntag) gegen die Möglichkeit, mir das Spitzenspiel im Livestream anzuschauen und dafür, den Tag entspannt mit der Gutsten und alten Freunden zu verbringen, die zu sehen wir ja letzten Endes auch ins Nachbarland gereist waren. So richtig gut hat das mit der Ablenkung allerdings nicht funktioniert, kreisten doch ab 14 Uhr bei jedem Blick auf die Uhr die Gedanken um das Spiel und die Frage, wie es wohl gerade stehen möge und ob man nicht vielleicht doch mal den Spielstand checken sollte. Als wir uns dann abends von unseren Freunden verabschiedet hatten, hielt ich es dann nicht mehr aus, suchte mir in der Fußgängerzone ein offenes WLAN und ließ mit klopfendem Herzen die entsprechende App auf dem Mobilfunktelefon laden. Und hatte dann erst mal überhaupt keine Lust mehr auf Sightseeing, Kaffeehaus oder sonstige Urlaubsaktivitäten.
Mittlerweile ist die Ernüchterung zwar wieder einigermaßen abgeklungen, gewirkt haben das Ergebnis und die damit verbundene Enttäuschung aber trotzdem länger als gewöhnlich. Schließlich war das die Riesenmöglichkeit, den Abstand auf den Tabellenführer aus Neustrelitz auf ein mageres Pünktchen zu verkürzen und den (vorzeitigen) Aufstiegstraum nebst entsprechender Euphorie weiter am Köcheln zu halten. Und irgendwie beschäftigt mich, wie vermutlich auch viele andere, nach dem ersten Frust seit Sonntag nun dauerhaft die Frage, was der Ausgang dieses einen Spiels jetzt im großen Ganzen bedeuten mag und wo die Reise nun hingeht. Recht klar ist für mich dabei, dass der Relegationsplatz in dieser Saison nicht mehr erreicht wird. Ich kann mir beim besten Willen und bei allem Optimismus nicht vorstellen, dass Neustrelitz tatsächlich noch 3 der verbleibenden 8 Spiele verlieren wird, während wir keinen Punkt mehr abgeben – wobei ich mich da selbstverständlich sehr gern eines besseren belehren lasse. Gehen wir also im weiteren Verlauf mal von dem deutlich wahrscheinlicheren Szenario aus, nämlich dem, dass es am Ende der zweite Platz in der Regionalliga Nordost wird.
Von diesem Standpunkt aus ist natürlich die just getroffene Entscheidung, sich zum Saisonende von Andreas Petersen zu trennen, doppelt bitter (wobei das Ganze hier jetzt nicht wieder in ein Petersen-Mimimi ausarten soll). Das Nicht-Erreichen der Relegation und der damit automatisch verbundene Nicht-Aufstieg bedeuten nämlich nicht nur, dass Andreas Petersen den Verein in jedem Fall verlassen wird (der in Aussicht gestellt Chefscoutposten (als „Opium fürs Volk“) wäre ja nur im Aufstiegsfall geschaffen worden). Es könnte (!) auch bedeuten, dass man die Aufbauarbeit, die man in den letzten beiden Jahren geleistet hat und die nun mal eng mit dem Namen „Petersen“ verbunden ist, möglicherweise und völlig ohne Not mit dem Hintern wieder einreißt. Denn: dass Andreas Petersen im dann dritten Jahr seines Wirkens die Mannschaft so weit hätte, dass Platz eins nicht nur realistisch, sondern auch erwartbar gewesen wäre, ist unter Beachtung der bisherigen Entwicklung und der bisher geleisteten Arbeit deutlich wahrscheinlicher, als dass ein neuer Coach gleich in seinem ersten Jahr die neu übernommene Mannschaft zum Aufstieg führt. Aus dem Bereich des NOFV ist dies in den vergangenen Jahren, wie ich an anderer Stelle bereits schrieb, nur RasenBallsport Leipzig gelungen, deren Voraussetzungen und Rahmenbedingungen mit Sicherheit nicht mit unseren zu vergleichen sind. Hoffnung macht in dieser Hinsicht allerdings tatsächlich – Achtung! – die TSG Neustrelitz, die sich mit Neu-Trainer Brdaric ja anschickt, genau das, nämlich den Aufstieg im ersten Trainerjahr, zu schaffen. Allerdings soll ja auch in Mecklenburg-Vorpommern die Geldbörse praller gefüllt sein, als anderswo im Osten…
Mit Petersens Abschied, der damit quasi feststeht (es sei, man würde sich in den nächsten Wochen noch besinnen umentscheiden und doch noch verlängern, was wohl aber ausgeschlossen ist), sinken natürlich auch die ohnehin schon nur marginalen Chancen, Toptorjäger Christian Beck von einem weiteren Jahr in der vierten Liga zu überzeugen. Klar hat er noch bis 2015 Vertrag, aber seien wir realistisch: ein 26jähriger Mittelstürmer, der in 22 Punktspielen 18 Tore erzielt, wird bei entsprechenden höherklassigen Angeboten nicht zu halten sein. Erst recht nicht, wenn mit Petersen quasi sein fußballerischer Ziehvater den Verein verlässt. Da hilft es auch relativ wenig, wenn mit Marius Sowislo zwar der Kapitän, aber eben auch derjenige Spieler seinen Vertrag vorzeitig verlängert und damit ein Zeichen setzt, für den zur kommenden Saison vielleicht am dringendsten hochwertigerer Ersatz her muss.
Was uns zum nächsten Punkt bringt, nämlich der Frage der Trainernachfolge und damit verbunden der Frage der Kaderplanung. Wenn man den diversen Medienberichten glauben darf, will sich Präsidiumsmitglied Sport Mario Kallnik ja nicht unter Druck setzen und mit der Trainerfindung Zeit lassen, um nachher den Kandidaten zu präsentieren, der eben im Sinne des FCM den größtmöglichen Erfolg verspricht. Das ist prima und alles schön und gut, wirft aber die Frage auf, wer jetzt im Moment eigentlich gerade am Kader für die neue Spielzeit bastelt. Kallnik höchstselbst? Das würde nicht unbedingt verwundern, nur: welcher neue Spieler unterschreibt für die kommende Saison, ohne zu wissen, wer ihn dann eigentlich trainieren und in welcher Form mit ihm planen wird? Und selbst wenn Mario Kallnik potentiellen Neuzugängen glaubhaft versichern könnte, sie wären die fehlenden Puzzlestücke zum Aufstieg und hätten glänzende Perspektiven beim Ersten Fußballclub Magdeburg: müsste nicht jeden ambitionierten Trainer die Aussicht, nur die Vorgaben ‚von oben‘ um- und nur das vorher bereits besorgte Spielermaterial einzusetzen, von einem (längerfristigen) Engagement an der Elbe abschrecken? Fragen über Fragen.
Was ich sagen will: trotzdem es dem Verein und allen voran Mario Kallnik, wie er ja selbst nicht müde wird zu betonen, immer nur um den Erfolg des Ersten FC Magdeburg geht, pokert man mit den jetzt gestellten Weichen gewaltig hoch und hat man das Erfolgspotential oder das „Erfolgsfenster“ (wenn man es denn so nennen will) objektiv eher verkleinert, als vergrößert. Was durch den Umstand, dass man eben das Schlüsselspiel in Neustrelitz verloren hat, noch potenziert wird. Das kann alles gut gehen und dann möchte ich nichts gesagt haben, aber die schlichte Wahrscheinlichkeit, dass der Aufstieg in der kommenden Saison klappt, ist unter Beachtung der im Moment bekannten Fakten und der vom Verein geschaffenen Rahmenbedingungen meiner Meinung nach eben einfach kleiner, als noch vor ein paar Wochen.
Aber klar: wenn wir jetzt tatsächlich in den verbleibenden 8 Spielen noch volle 24 Punkte holen und Neustrelitz plötzlich doch noch schwächelt, sind alle hier angestellten Überlegungen völlige Makulatur und hat Mario Kallnik alles richtig gemacht. Und wenn rechtzeitig (!) ein neuer Trainer verpflichtet wird, der die Zeit und das Auge hat, die richtigen neuen Spieler zu holen, der die konzeptionelle Arbeit nahtlos fortführt und der nächste Saison souverän Platz eins erreicht, auch. Trotzdem bleibt es aus meiner Sicht ein vollkommen unnötiger Ritt auf der Rasierklinge, für den man Herrn Kallnik im Besonderen und uns Fans im Allgemeinen nur jede Menge Glück wünschen kann. Und dass wir davon in der Vergangenheit nicht gerade reichlich hatten, sollte mittlerweile bekannt sein…
Und was bleibt für den Rest der Saison? Nun, neben einem komischen, nicht gerade positiven Bauchgefühl, was die weitere Entwicklung betrifft, zunächst mal die pragmatische Hoffnung, dass recht bald ein neuer Trainer verpflichtet wird, der die neue und so wichtige Saison auch entsprechend vorbereiten kann. Und dass dieser neuer Trainer nicht Pavel „der Söldner Wandertrainer“ Dotchev heißt. Dann natürlich die Erwartung, dass sich Spieler und Trainer bis zum Schluss den Allerwertesten aufreißen und weiterhin für gute Ergebnisse sorgen. Schließlich der Ansporn, die Mannschaft weiterhin kräftig zu unterstützen, auch wenn es sehr wahrscheinlich nur noch um die goldene Ananas geht. Das haben sich die Jungs nämlich mit dem bisherigen Saisonverlauf mehr als verdient. Die nächste Gelegenheit dazu ergibt sich schon jetzt am Sonntag gegen den VFC Plauen und dann eine Woche später in meinem zweiten Auswärtsspiel der Saison beim FSV Wacker 90 Nordhausen. Eine Begegnung, die ja aufgrund der Ereignisse vom Hinspiel doch ein gewisses Geschmäckle hat. Und jetzt, wo Petersen eh raus ist, könnte er den Goslar ja eigentlich auch mal so richtig… also, ähm, umarmen! In diesem Sinne: Sport frei und immer vorwärts, FCM!