1. FC Magdeburg – Hamburger SV, 11. Spieltag, 0:1 (0:0)
Heinz-Krügel-Stadion, Freitagabend, kurz nach 6: Es ist wuselig auf der Nordtribüne. Die bekannten Gesichter sind längst begrüßt, unten auf dem Rasen machen sich beide Mannschaften warm. Der Gästeblock verkündet, welches Team aus dieser Ecke heute Abend unterstützt werden wird, Vertreter von Block U sind derweil unten hinter dem Tor mit Choreo-Vorbereitungen beschäftigt. Ich stehe an meinem Platz, mein Blick geht geradeaus. Für einen Moment blende ich den Trubel aus. Pause. Innehalten. Gedanken an Tage, an denen ich mich hier, an genau dieser Stelle, über Niederlagen gegen die TSG Neustrelitz oder den TSV Havelse geärgert habe. Und nun soll es heute Abend tatsächlich gegen den Hamburger Sportverein gehen. Also, gegen die erste Mannschaft. In einem Punktspiel. Das ist real und surreal gleichzeitig. Und dann ist dieser Moment auch schon wieder vorbei. Die Mannschaften laufen ein, Pappen werden in die Höhe gehalten, Lieder angestimmt. Los geht die wilde Fahrt. Fußball in Magdeburg. Kurvenshow deluxe. Die Größten der Welt. Feuerwerk!
Die Allermeisten dürften gewusst haben, dass das ein ganz schwerer Gang werden würde an diesem 11. Spieltag. Wie deutlich aber die Unterschiede sein würden zwischen einer Hamburger Mannschaft mit einem gefühlten Erstligakader und uns als tapferem Aufsteiger, das war dann doch überraschend. Klar, die Paarung hatte mehr was von „erste Runde DFB-Pokal“ als von einem regulären Punktspiel, aber trotzdem. Ein Klassenunterschied war über weite Strecken der Partie nicht zu übersehen.
Jens Härtel entschied sich gegen den HSV für das 4-2-3-1 als Grundordnung und schickte vor Alexander Brunst im Tor Michel Niemeyer, Steffen Schäfer, Romain Brégerie und Nils Butzen in der Viererkette aufs Feld. Die zentralen Mittelfeldspieler hießen zunächst Richard Weil und Björn Rother, die offensive Dreierreihe bildeten Marius Bülter, Philip Türpitz und Marcel Costly. Als Sturmspitze begann, natürlich, Christian Beck.
15 Minuten auf Augenhöhe
Offensiv trat aber zunächst der Gast aus Hamburg in Erscheinung. Bereits in der ersten Minute arbeitete sich Khaled Narey von rechts in den Strafraum und bediente dort Pierre-Michel Lasogga, der allerdings im Abseits stand und den Ball außerdem ans rechte Außennetz nagelte. Die Blöcke 3 bis 5 waren unterdessen noch mit der Choreo beschäftigt, die ein „HKS“ über die gesamte Tribüne erscheinen ließ und mit einem Spruchband vor der Kurve denjenigen Menschen gedachte, die diese Partie nicht mehr erleben konnten. Direkt im Anschluss gab es noch eine Schweigeminute, die Gänsehaut bescherte. Schals in die Höhe und eben: innehalten. Ein sehr, sehr schöner und gleichzeitig auch ein „Kloß-im-Hals“-Moment.
Unten auf dem Rasen passierte in der Zwischenzeit nicht so wahnsinnig viel. Früh deutete sich an, dass der HSV spielstark, passsicher, robust und mit reichlich individueller Klasse angetreten war; die Größten der Welt versuchten, mit Einsatz und Leidenschaft dagegenzuhalten und ihrerseits, immerhin Hausherren, auch offensiv den einen oder anderen Akzent zu setzen. Das gelang bis ungefähr zur 15. Minute. Abgesehen von einem Butzen-Freistoß gleich zu Beginn und einem schicken Dribbling von Marius Bülter in der 13. Minute, das fast einen Abschluss beschert hätte, wäre nicht im letzten Moment ein Hamburger Abwehrspieler in Bülters Rücken ballstibitzend zu Stelle gewesen, ergaben sich aber keine guten Gelegenheiten.
Naja, und dann übernahm eben der Favorit mit der Raute auf der Brust. Die gute Nachricht zuerst: Trotz gefühlten 90% Ballbesitz gab es „nur“ 3 (sehr) gute Torchancen der Gäste: In der 23. Minute fand ein perfekter Pass in die Magdeburger Abwehr-Schnittstelle den starken Narey, der allerdings in Alexander Brunst seinen Meister fand. Zwei Minuten später ist es Steffen Schäfer, der einen Freistoß von Aaron Hunt aus 20 Metern und zentraler Position von der Linie köpft. Richard Weil hatte zuvor die gelbe Karte gesehen, musste aber einen Fehler von Björn Rother ausbügeln und konnte das in dieser Szene eben nur auf Kosten eines Fouls. Schließlich ist es in der 29. Minute Romain Brégerie, der einen Abschluss von Hee-chan Hwang ebenfalls im letzten Moment noch auf der Linie klärt. Zu diesem Zeitpunkt waren längst die ersten „FCM, erwache!“-Rufe durchs Stadion geschallt. Nicht böswillig-bockig oder enttäuscht, sondern eher genau so, wie der Text auch gemeint ist: als Wachrüttler.
Allein, so richtig viel half das nicht, und hier kommen wir dann auch zur schlechten Nachricht: Der Club lief über weite Strecken der ersten Hälfte schlicht und ergreifend hinterher. Erkämpfte man sich mal einen Ball, war der fast schon zuverlässig einen, spätestens zwei Pässe später wieder beim Gegner. Entlastung kam so kaum einmal zustande. Klar machte der HSV das nach Ballverlusten überragend und setzte sofort nach. Allerdings fehlt(e) den Hausherren nach Ballgewinnen viel zu häufig einfach auch die nötige Ruhe, um planvolle Angriffe einzuleiten. Oder, je nach Geschmack, die nötige Präzision, wenn der öffnende oder weiterleitende Pass dann doch mal handlungsschnell in die richtige Richtung gespielt wurde, verbunden mit Schwierigkeiten bei der Ballan- und -mitnahme in der einen oder anderen Situation. Diese Probleme sind nun beileibe nicht neu, ähnliches war auch in eigentlich fast jedem vorherigen Spiel zu beobachten, in dem die Gegner früh störten. Schwierig, das nach nunmehr 11 gespielten Partien noch mit Anpassungsschwierigkeiten an die neue Liga zu begründen.
In der 34. Minute gab es dann mal so eine Szene, die im Ansatz zeigte, wie es gehen kann. Der erneut sehr spielfreudige Marius Bülter hatte sich zentral vor dem eigenen Strafraum den Ball erkämpft, konnte ein paar Meter ins Dribbling gehen und sah dann auf dem linken Flügel Philip Türpitz, der in Richtung Grundlinie gestartet war. Bülter spielt den Pass, Türpitz leitet ihn in die Mitte weiter, dort stand dann aber nur HSV-Keeper Julian Pollersbeck, der die Flanke pflückte und den Angriff damit beendete. Erwähnenswert ist diese an sich wenig spektakuläre Szene deshalb, weil es eine der wenigen war, in denen der Club aus einem Ballgewinn mal eine Offensivaktion machen konnte. Der HSV wiederum hatte dann kurz vor dem Pausenpfiff noch mal eine Gelegenheit aus der zweiten Reihe, die aber deutlich über den Kasten ging. Kurz darauf schickte Schiedsrichter Gerach beide Teams in die Kabine und wurde der Kampf der Blau-Weißen trotz drückender Hamburger Feldüberlegenheit mit Applaus bedacht. Richtig so.
Kurze Hoffnung, eiskalte Gäste
Durchgang 2 begann dann erst einmal mit einer ordentlichen Pyroshow im Gästeblock, die zumindest von der Nordtribüne durchaus wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde. Da eigentlich die gesamte Halbzeitpause über eine Fahne der Cast Aways im Gästeblock hochgezogen blieb, kam die kleine Einlage jetzt auch nicht wahnsinnig überraschend. Grüße an Bernd Hoffmann hatte die Hamburger Fanszene in Form eines Spruchbandes bzw. einer Zaunfahne auch dabei. Allerdings ist das ja nun ein Hamburger Thema, das sicher auch von dem einen oder anderen Blog aus der Hansestadt noch mal aufgegriffen werden wird (hier z.B.).
Sportlich ging es zunächst genau so weiter, wie Halbzeit 1 geendet hatte. Der HSV suchte sofort den Weg nach vorn und kam in Person von Lasogga zu einem Abschluss (46.), der aber deutlich rechts am Tor vorbeiging. Die vielleicht beste Magdeburger Torgelegenheit hatte in der 49. Minute Christian Beck, und zwar fast aus dem Mittelkreis (!). Er konnte sich dort den Ball erkämpfen und hatte gesehen, dass Pollersbeck reichlich weit vor seinem Kasten stand. Der Schuss landete auf dem Tornetz; der Umstand, dass das fast schon die gefährlichste Abschlussaktion war, sagt einiges über das Magdeburger Offensivspiel an diesem Abend.
Interessant wurde es dann nach 53 Minuten. David Bates hatte Marius Bülter auf der linken Außenbahn gefoult und sah dafür die gelbe Karte. Da es seine zweite Verwarnung war, durfte er vorzeitig duschen gehen. Fast 40 Minuten Überzahl nun also für die Größten der Welt und damit vielleicht der entscheidende Vorteil, der, obwohl es lange überhaupt nicht so ausgesehen hatte, den FCM in die Nähe eines möglichen Punktgewinns brachte. In der Tat kam die Mannschaft nun auch vermehrt zu Angriffen, wenngleich man auch sagen muss, dass das kontinuierliche, frühe Stören der Hamburger auch in Unterzahl schon irgendwie beeindruckend war. Trotzdem gelang es dem Club nun, ein bisschen Momentum aufzubauen, was sich auch sofort auf die Ränge übertrug. Jetzt rollten die Gesänge noch kerniger durchs Heinz-Krügel-Stadion und wurde die Mannschaft ordentlich nach vorne gepeitscht. „Hier geht jetzt was!“ war zumindest auf der Nordtribüne das deutliche Gefühl.
Das Problem war nur: trotz ganz guter Ansätze (Beck und Costly im Zusammenspiel, 58.; Beck, 64.) gab es weiterhin keinen Torabschluss, der Julian Pollersbeck jetzt zu wirklich spektakulären Paraden gezwungen hätte. Entweder war der letzte Pass zu ungenau oder störte doch noch ein Hamburger Spieler oder verpasste irgendwer um eine Fuß- oder Haarspitze. Tja, und wenn die Bälle nicht aufs Tor kommen, können sie logischerweise auch nicht reingehen. Hinzu kam, dass der HSV natürlich auch offensiv weiter mitspielte und man nie so richtig das Gefühl hatte, der 1. FC Magdeburg würde tatsächlich mit einem Mann mehr agieren. So hatte der starke Alexander Brunst auch in der zweiten Hälfte diverse Gelegenheiten, sich auszuzeichnen und nahm diese glücklicherweise auch wahr.
Nach 66 Minuten machte Richard Weil für Aleksandar Ignovski Platz, in der 73. Spielminute kam Lohkemper für Costly in die Partie. Auch Manfred Osei Kwadwo kam zu seinem Punktspieldebüt für die Größten der Welt, als er in der 81. Minute für Björn Rother eingewechselt wurde. Da stand es allerdings schon 1:0 für die Gäste und hatte Jens Härtel quasi gar keine andere Wahl, als komplett auf die (insgesamt zu harmlose) Offensive zu setzen. Die 75. Minute war gerade angebrochen, als Marius Bülter für seine Farben nach einem tollen Laufweg einen Freistoß in vielversprechender Position herausgeholt hatte. Der wurde zwar abgewehrt, trotzdem kam Philip Türpitz noch zu einem Nachschuss aus der zweiten Reihe. Quasi im Gegenzug bekommt Pierre-Michel Lasogga zwischen Mittelkreis und Strafraum den Ball. Vor ihm: zweieinhalb seiner Mitspieler und sieben Blau-Weiße. Ein perfekter Chip hinter die Abwehr auf Khaled Narey, der mit dem direkten Abschluss durch die Hosenträger von Alexander Brunst und zack! liegst Du eben in Rückstand. So einfach wie bitter ist das: Mitten in so etwas wie einer Magdeburger Drangphase reichen ein starker Pass und ein ebenso starker Abschluss, um für reichlich Ernüchterung zu sorgen.
Der Rest des Spiels ist nun schnell erzählt: Der Club bemühte sich weiterhin redlich, Bälle aufs Tor blieben aber Mangelware. Der HSV verteidigte clever, brachte den Vorsprung über die Zeit und gewann die Partie dann unter dem Strich auch völlig verdient mit eben jenem 1:0.
Fazit:
Tja. (Irgendwie wird das hier im Blog in dieser Saison zum Standard-Wort.) Im ersten Durchgang war der 1. FC Magdeburg im wortwörtlichen Sinne chancenlos, in der zweiten Hälfte keimte durch den Platzverweis gegen den HSV kurz Hoffnung auf, die dann aber durch eine einzige starke Aktion zunichte gemacht wurde. So schnell und simpel geht das eben gegen uns in dieser Spielzeit. Die Probleme in unserem (Offensiv-)Spiel bleiben weiterhin offensichtlich und sind, so ehrlich muss man nach 11 Spieltagen, wie gesagt, sein, womöglich nicht mehr nur der mangelnden Zweitliga-Erfahrung geschuldet. Und wenn man nach 11×90 Minuten nur 9 Punkte auf der Habenseite hat, ist das nicht mehr nur mit Pech, ungünstigen Schiedsrichterentscheidungen oder mangelndem Spielglück zu erklären. Vergessen sollte man aber auch nicht, dass der Gegner an diesem 11. Spieltag eben „Hamburger Sportverein“ hieß und der Kader objektiv der stärkste gewesen sein dürfte, gegen den wir in dieser Saison bisher angetreten sind. Die traurige Erkenntnis am Ende des Tages lautet dann vielleicht, dass solche Mannschaften an guten Tagen und mit etwas Glück sicher schlagbar, aber eben nicht unsere Kragenweite sind. Ein Pokalpunktspielszenario eben. Und klar will das keiner hören, aber nach dem am Freitag Gesehenen liegt zumindest für mich diese Schlussfolgerung einigermaßen nahe.
Klar ist auch, dass nun natürlich wieder all diejenigen um die Ecke kommen, die es immer schon gewusst haben, es eh immer besser wissen, es sicher auch viel, viel besser könnten und mit grusliger Leidenschaft alles, alle und jeden in Frage stellen werden. Und natürlich hat man da bei 9 Punkten aus 11 Spielen wenig Argumente entgegenzusetzen. Aber, und ich kann hier nur für mich sprechen: Bei allen Problemen, die man (sachlich!) ansprechen kann und bei dem einen oder anderen Kritikpunkt auch in diesem Text stehe ich weiterhin zu 100% hinter diesem Kader und diesem Trainerteam. Vielleicht ist es so, dass die Mannschaft derzeit das spielt, was sie kann, und es eben zur mehr als diesen 9 Punkten nicht reicht. Vielleicht platzt auch irgendwann ein Knoten, wir starten mal eine Serie und holen Punkte in Spielen, in denen keiner groß damit rechnet. Vielleicht verlieren wir auch alles bis zur Winterpause. Alles möglich. Abgerechnet wird aber zum Schluss und wenn eine Sache mit Sicherheit nicht hilft, dann ist es die, jetzt hier schon alles abzuschreiben. Ich habe es schon öfter gesagt, aber es bleibt ja wahr: Wir gewinnen zusammen und wir verlieren eben auch zusammen. Wer das nicht kapiert, der kann von mir aus gern in Zukunft anderswo hin zum Fußball fahren. Gibt ja genügend Erfolgsfan-Alternativen, auch in der weiteren Umgebung, wo man sogar für Europapokalspiele locker noch Tickets an der Tageskasse bekommt.
Weiter geht’s am kommenden Samstag in Darmstadt und auch da (und gerade jetzt) hat das Team wieder die volle Unterstützung verdient. In diesem Sinne:
Pro Mannschaft, pro Härtel! Und selbstverständlich: Nur der FC Magdeburg!
Pingback: Ein Zweitligajahr - nurderfcm.de