1. FC Magdeburg – F.C. Hansa Rostock, 7. Spieltag, 2:0 (1:0)
…und es hört einfach nicht auf. Ziemlich souverän gewinnt der 1. FC Magdeburg auch sein Heimspiel gegen den F.C. Hansa Rostock und so langsam stellt sich die Frage, was man eigentlich noch schreiben soll über ein Team, bei dem man derzeit irgendwie nicht das Gefühl hat, dass es in nächster Zeit mal ein Fußballspiel verlieren könnte. Nicht falsch verstehen – natürlich ist es auch und besonders in der 3. Liga alles andere als selbstverständlich, mal eben eine Serie von 6 Siegen und 14:3 Toren auf den Rasen zu zaubern. Die Art und Weise aber, wie der 1. FC Magdeburg derzeit die Partien für sich entscheidet, ist schon durchaus beeindruckend.
Bereits deutlich vor Anpfiff war da außerdem wieder diese besondere Stadionatmosphäre, an der man erkennt, dass die Begegnung am siebenten Spieltag keine Partie wie jede andere war. Passenderweise genau in dem Moment, in dem die Stadionregie das wunderbare “Blue and White” von Begbie einspielte, gab es bereits das erste Einklatschen und ein kräftiges “Fußballclub Magdeburg!”, während sich die Mannschaften unten auf dem Rasen noch warm machten. Und da auch der Rostocker Anhang schon ein bisschen Bock hatte, tauschte man eben bereits 20 Minuten vor Spielbeginn die eine oder andere Nettigkeit aus. Ich mag mich täuschen, aber so etwas hat es im Heinz-Krügel-Stadion tatsächlich schon länger nicht mehr gegeben.
In sportlicher Hinsicht vertraute Jens Härtel wieder der Elf, die auch gegen den SV Werder Bremen II begonnen hatte – also quasi, wenn man die frühe verletzungsbedingte Auswechslung von Felix Schiller in jenem Spiel einfach mal rausrechnet. Vor Jan Glinker verteidigten Nico Hammann, Richard Weil und Christopher Handke in der Dreierkette, davor spielten Björn Rother und Dennis Erdmann, links begann Michel Niemeyer, rechts Nils Butzen. Das Offensivtrio bildeten Tobias Schwede, Christian Beck und Philip Türpitz.
Auf den Rängen hatte sich Block U für den Spielbeginn eine tolle Wechselchoreo einfallen lassen, die von einer kleinen Pyroshow abgerundet wurde. Sicherlich wieder ein teurer Spaß, in jedem Fall aber ein weiteres, absolutes optisches Highlight, bei dem mit einiger Sicherheit auch etliche Pyro-Gegner*innen wieder die Handys gezückt haben dürften. Den Böller hätte es allerdings nicht gebraucht.
#GIF von der heutigen #Choreografie der #Fans des @1_FCM gegen @HansaRostock. Wir kaufen ein „S“ und möchten lösen… ? #FCMHRO pic.twitter.com/x9xj8jHhkR
— OhhhWeee (@OlliWiebe) 9. September 2017
Als sich der nebelbankmäßig in der Arena hängende Rauch verzogen hatte, sah man direkt eine Magdeburger Mannschaft im Vorwärtsgang und die erste Chance von Dennis Erdmann nach 9 Minuten. Tobias Schwede hatte in die Mitte geflankt, wo der Ex-Rostocker auch an den Ball kam, ihn dann aber nicht am insgesamt starken Janis Blaswich im Tor der Gäste vorbeischieben konnte. Hansa seinerseits kam häufiger mit Pässen aus der Zentrale insbesondere auf die eigene linke Seite vor das Magdeburger Tor; so auch in Minute 12, als Mike Owusu einen guten Laufweg machte, im letzten Moment dann aber von der aufmerksamen Magdeburger Verteidigung noch am Torschuss gehindert werden konnte.
Während sich auf dem Rasen ein munterer Kick entwickelte, kamen auch die Zuschauer immer besser in die Partie. Ein Highlight sicherlich der “Fußballclub Magdeburg”-Wechselgesang über alle vier Tribünen, der diesmal auch von den Blöcken 17 und 18 erstaunlich gut mitgetragen wurde und so ein bisschen den akustischen Höhepunkt der ersten 45 Minuten darstellte. Dass das Level vom Gefühl her nicht durchgängig gehalten werden konnte, war schade, eventuell aber auch den ekligen Windverhältnissen geschuldet; jedenfalls pustete es an jenem Nachmittag doch recht ordentlich in die Nordtribüne.
Auf dem Rasen entwickelte sich im weiteren Verlauf ein Spiel, bei dem sich beide Mannschaften zunächst erst einmal um Struktur bemühten und auf jeweilige Defensivreihen trafen, die auf beiden Seiten hervorragend organisiert waren. Die nächste große Chance für den FCM entstand denn auch eher zufällig nach einem Freistoß von der linken Seite, den Fabian Holthaus im Rostocker Dress per Kopf beinahe ins eigene Tor verlängert hätte. Direkt im Anschluss die bis dahin größte Gelegenheit im Spiel. Es gibt einen Eckball von links, den Dennis Erdmann zentral auf Björn Rother am Fünfmeterraum weiterleitet. Rother schiebt den Ball artistisch in Richtung Tor, scheitert dann aber am glänzend reagierenden Blaswich.
Jetzt war Dampf drin im Magdeburger Spiel, der jedoch mit einem harmlosen Hammann-Freistoß halbhoch in die Mauer ungenutzt verpuffte (19.). Christian Beck war zuvor nach gutem Zuspiel von Tobias Schwede an der Strafraumkante gefoult worden. Und da die Rostocker halt auch ein bisschen kicken können, kippte das Momentum nun so langsam in Richtung der Gäste von der Ostsee. So wurde in der 20. Minute eine flache Hereingabe von Hilßner und der linken Seite mächtig gefährlich, weil sich Dennis Erdmann in der Mitte wohl darauf verließ, dass Jan Glinker den Pass kassiert. Der Keeper blieb aber auf der Linie, während Soufian Benyamina dem nicht immer sicheren Richard Weil entwischte, den Ball dann glücklicherweise aber nicht richtig trifft. Puh. Das hätte durchaus das 1:0 für die Gäste sein können.
Im weiteren Verlauf war die Partie von hoher Intensität und einigem Rostocker Ballbesitz geprägt, aus dem Hansa jedoch nicht entscheidend Kapital schlagen konnte – eine Beobachtung, die sich in der zweiten Hälfte noch einmal verfestigen sollte. Der FCM versuchte derweil, über schnelles Umschalten in Kontersituationen zu kommen. Das klappte allerdings nur mäßig gut, weil der F.C. Hansa Rostock es eben hervorragend verstand, diese Möglichkeiten gleich rigoros zu unterbinden. Spielerisch war das jetzt alles wenig glanzvoll, defensiv aber schon die höhere Drittliga-Schule. In Spielminute 39 rutschte dann doch mal einer durch: ein schöner Diagonalball auf die rechte Seite findet Nils Butzen, der in die Mitte auf Philip Türpitz flankt. Der hat zwar Probleme bei der Ballannahme, kommt dann aber trotzdem zentral vor dem Tor frei zum Abschluss – abermals ist Blaswich zur Stelle, der früh reagiert, gut mitspielt und seine Mannschaft mit einer weiteren Parade vor dem Rückstand bewahrt.
Zwei Minuten vor dem Pausentee war dann aber auch Janis Blaswich machtlos. Über Nico Hammann und Tobias Schwede kommt der Ball zu Michel Niemeyer, der ihn in vollem Tempo mitnehmen kann und gut 35 Meter vor dem Tor einen überragenden Pass auf den rechts mitgelaufenen Philip Türpitz spielt. Der wiederum war völlig frei, weil Christian Beck in der Mitte die Verteidigung beschäftigte – einer der vielen Gründe, warum unsere Nummer 11 im Magdeburger Offensivspiel nach wie vor zentral ist. Und Türpitz? Der hatte nun alle Möglichkeiten, nimmt den Ball aber mit viel Risiko Vollspann und schweißt ihn über den machtlosen Rostocker Keeper zentral mittig ins Tor. Was! Für! Eine! Granate! Solche Treffer erzielst Du eben nur, wenn Du ordentlich Selbstvertrauen hast. 1:0 nun also für die Guten und das Stadion natürlich völlig am Ausrasten.
2, 3 weitere Halbchancen später war dann Halbzeit, die Führung für Blau-Weiß in einem engen Spiel Gold wert und – nimmt man die Anzahl an Torchancen als Grundlage – sicherlich auch nicht ganz unverdient.
Durchgang 2 begann dann – zumindest für mich – mit einem deutlichen Perspektivenwechsel, und zwar gleich in mehrfacher Hinsicht. Statt auf der Nordtribüne fand ich mich plötzlich im Block 20 wieder und kam zu einem wirklich spontanen Spontaneinsatz als Blindenreporter. Spannende und sehr aufregende, zumal gänzlich neue Erfahrung; es ist ja überhaupt wirklich großartig, dass sehbehinderte und blinde Menschen in Magdeburg (und nicht nur dort) die Möglichkeit haben, die Spiele via Blindenreportage im Stadion zu verfolgen. Ich hoffe, meine Ausführungen zum Spiel haben für diejenigen, die zugehört haben, einigermaßen Sinn ergeben; mich jedenfalls beschäftigt die Frage, wie sich das Stadionerlebnis darstellen muss, wenn man das Geschehen nur hören, nicht aber sehen kann, tatsächlich immer noch…
Was das Sportliche betrifft, ist die Geschichte der zweiten Hälfte eigentlich recht schnell erzählt (zugegebenermaßen aber auch, weil mein Standortwechsel und das Kommentieren die eigene Aufmerksamkeit noch mal ganz anders forderten als sonst): Während der 1. FC Magdeburg in der 68. Minute eiskalt zur 2:0-Vorentscheidung traf, mühte sich der F.C. Hansa Rostock zwar redlich und ließ den Ball gut laufen, kam aber eigentlich nur noch anderthalb mal wirklich gefährlich vor das Tor – was unter dem Strich nicht reichte, um dem 1. FC Magdeburg noch einmal entscheidend gefährlich zu werden.
Die Vorentscheidung in ebenjener 68. Minute besorgte der erst kurz vorher für Tobias Schwede eingewechselte Felix Lohkemper. Michel Niemeyer war auf der linken Seite nahe der Grundlinie gefoult worden, den fälligen Freistoß trat er dann gleich selbst. Blaswich faustet den Ball aus der unmittelbaren Gefahrenzone, aber eben auch direkt vor die Füße von Lohkemper. Der zieht aus vollem Lauf ab und trifft direkt zum 2:0, wenngleich der Rostocker Schlussmann auch an diesem Ball tatsächlich noch dran war, ihn aber nur noch ins eigene Tor lenken kann. Mit noch 22 Minuten auf der Uhr und einer kompakten, aufmerksamen Magdeburger Defensive, die bis dahin in Halbzeit 2 nichts zugelassen hatte, war der Käse an diesem Nachmittag gegessen.
Trotzdem versuchte der F.C. Hansa weiter, zum Anschlusstreffer zu kommen und hatte insbesondere mit Beteiligung des eingewechselten Willi Evseev noch die eine oder andere ganz gute Szene. Die vielleicht beste vergab der einstige „Beste Spieler“ beim Pape-Cup (2007) zwei Minuten vor Schluss höchst selbst, als sein Lupfer aus gut 10 Metern nur auf dem Tornetz landete. Und weil auch Marius Sowislo nach toller Vorarbeit des für Türpitz eingewechselten Florian Pick wenige Augenblicke später den Ball aus aussichtsreicher Position nicht an Janis Blaswich vorbeibrachte, blieb es am Ende beim auch in der Höhe verdienten 2:0-Erfolg der Größten der Welt.
Ein Wort vielleicht noch zum Rostocker Anhang. 2.000 haben die Reise nach Magdeburg angetreten und hatten – wie eigentlich auch nicht anders zu erwarten war – einen ordentlichen Anteil an einem stimmungsvollen Duell. Bei aller Rivalität: solche Auftritte eines Gästemobs wünscht man sich im Heinz-Krügel-Stadion viel häufiger. Besser, da lehnt man sich sicherlich nicht zu weit aus dem Fenster, wird es in den restlichen Drittliga-Spielen aus den Blöcken 13 und 14 jedenfalls wohl nicht mehr.
Wie gut der Magdeburger Auswärtsblock ist, wird er gleich im nächsten Spiel beim FSV Zwickau wieder unter Beweis stellen können. Freitagabend, Flutlicht und eine Paarung, die es in sich hat – Fußballherz, was willst Du eigentlich mehr? Der Mannschaft möchte man zurufen: „Macht’s noch mal, Jungs!“ – auf dass wir unser nächstes Spiel wettbewerbsübergreifend erst in der 2. Liga wieder verlieren. Magdeburger Größenwahn!
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