„I want one moment in time / when I’m more than I thought I could be / when all of my dreams are a heartbeat away / and the answers are all up to me“ – Block U
Stellt Euch vor, Ihr trefft eine gute Fee in einer schwarzen Northface-Jacke, die Euch eine Zeitreise ermöglicht. Ihr habt die Gelegenheit, an einen Punkt in der Vergangenheit zurückzukehren und ein einziges Ereignis aus der glorreichen Geschichte unseres großen 1. FC Magdeburg noch einmal (oder überhaupt) zu erleben. Welches Ereignis würdet Ihr wohl wählen?
Ob Ihr es glaubt oder nicht, diese Frage (allerdings ohne Fee) ging mir in den vergangenen Jahren einige Male durch den Kopf, und zwar meist dann, wenn ich mich etwas intensiver mit unserer Vereinsgeschichte beschäftigte. Es gab ja so einige Sachen, die ich verpasst habe: Maradona in Magdeburg. Preußen Berlin zuhause vor einer Handvoll Zuschauer. Das erste Pflichtspiel nach der Insolvenz, damals in Sondershausen. Die Flutlichtpremiere im Ernst-Grube-Stadion. Der Wiederaufstieg mit Heinz Krügel. Die Meisterschaften. Die FDGB-Pokalsiege. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Wenn ich aber wirklich nur ein einziges Ereignis auswählen könnte, dann wäre das ohne Frage das Finale im Europapokal der Pokalsieger 1974 gegen den AC Mailand in Rotterdam.
Es gibt wohl nur wenige weitere Meilensteine guter und schlechter Art in unserer Geschichte, die das Bewusstsein von uns Clubfans so sehr prägen wie dieses Spiel. Die Rollen waren damals klar verteilt: Hier die Startruppe aus Italien, dort die vermeintlichen Amateurkicker aus dem sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat. FCM? Nie gehört. Das wird ein Spaziergang für Mailand. Braucht man sich nicht anzugucken. Kantersieg incoming.
Und dann? Eigentor Lanzi, 40. Minute. Seguin aus spitzem Winkel, 16 Minuten vor Schluss. Die Sensation. Der Pokal. Weiße Bademäntel. Männer, die zu Legenden wurden. Und ein Erfolg, den keine DDR-Oberliga-Mannschaft je wiederholen konnte. Ist aber auch klar, es kann halt auch nicht jede Mannschaft Europas beste sein. Dafür muss sie schon das blau-weiße Emblem auf der Brust tragen.
Allein der Gedanke daran, diesem Spiel als Zeitreisender beiwohnen zu können, verursacht mir Gänsehaut. Wenn ich mir dann noch vorstelle, dass nicht nur ich da stehe, sondern sich mehrere tausend Clubfans das Gleiche gewünscht haben, die Hütte plötzlich voll ist, meine Leute neben mir, die Vorsänger unten auf dem Zaun, ein ganzes Stadion in Blau-Weiß, Choreo, Pyro, absoluter Abriß, der ganz normale Wahnsinn, Tunnelblick, völlig im Moment … puh. Dafür wäre ich einiges zu geben bereit.
…
Nun gibt es vermutlich keine Feen in schwarzen Northface-Jacken, zumindest habe ich bisher noch keine getroffen. Das macht aber nichts, denn zum Glück gibt es ja Block U und den FanRat. Und es gibt den 8. Mai 2020, an dem wir uns alle dank des großartigen Engagements der Jungs und Mädels noch einmal auf den Weg nach Rotterdam machen können. Und sind wir doch mal ehrlich: Es würde uns doch allen ganz gut tun, mal rauszukommen, oder?
Deshalb, Leute: Stürmt den Vorverkauf (Gerüchten zufolge verhindern die Sicherheitskräfte mal wieder eine Tageskasse), sichert Euch Eure Eintrittskarte, bucht einen Sitzplatz im Sonderzug, nehmt den Flieger oder reserviert meinetwegen den Mietwagenanbietern Eures Vertrauens die Neuner weg. Egal wie: Alle nach Rotterdam!
Und wenn Ihr dann die Bestellung aufgegeben habt (was noch bis 3. Mai möglich ist) und die Augen schließt, seht Ihr die ganze Szenerie bestimmt auch ganz genau vor Euch:
„Arme hoch, einklatschen!“, schallt es vom Zaun. Trommelrhythmus. Anspannung. Und ein utopisches lautes „FUSSBALLCLUB MAGDEBURG! FUSSBALLCLUB MAGDEBURG!“ nebst einer Mailänder Kurve, die vor lauter Schreck gleich mal lieber alle ihre Fahnen wieder einpackt.
Der Rest versinkt im Adrenalinrausch. Das Spiel beginnt. Es fallen Tore, wir liegen uns in den Armen und können es nicht fassen. Die Größten der Welt. Das hier ist unser Moment. „One Moment in Time“.
Und dann? Dann pfeift Arie van Gemert die Partie ab, die Tore gehen auf und mehrere tausend Clubfans stürmen siegestrunken den Platz.
Europapokalsieger 1. FC Magdeburg. Zum zweiten Mal!