1. FC Magdeburg – SC Freiburg, DFB-Pokal, 1. Runde, 0:1 n.V. (0:0, 0:1)
In dieser einen Szene war der Klassenunterschied, der in den vorherigen 92 Minuten nicht zu erkennen war, dann eben doch zu sehen. Dank einer feinen Einzelleistung von Luca Waldschmidt in der dritten Minute der Verlängerung konnte der Bundesligist aus Freiburg das Erstundenduell gegen den großen 1. FC Magdeburg mit 1:0 für sich entscheiden und somit für die Sensation sorgen, den Deutschen Demokratischen Rekordpokalsieger bereits früh aus dem DFB-Pokal zu werfen. Was, bitte, war das aber vorher für ein Fußballspiel? 14.096 Zuschauer*innen sahen im Heinz-Krügel-Stadion eine Begegnung auf Augenhöhe, in der der 1. FC Magdeburg nicht nur mehr, sondern auch die besseren Chancen hatte, die Partie bereits nach 90 Minuten zu entscheiden. Spielerisch und mannschaftlich war das mit einiger Sicherheit die bisher beste Saisonleistung, für die sich die Jungs von Cheftrainer Stefan Krämer überhaupt gar nicht verstecken müssen. Das hat richtig Spaß gemacht, zuzuschauen, und die Vorfreude auf die kommenden Aufgaben noch mal ein gutes Stück gesteigert.
Apropos Cheftrainer: Da stehst Du etwa zwei Stunden vor dem Anpfiff nichtsahnend und angeregt plaudernd am Heinz-Krügel-Denkmal vor dem Stadion, kommt doch plötzlich Stefan Krämer vom Stadiongelände zur Statue geflitzt, schüttelt Heinz Krügel die Hand und verschwindet wieder. Was für ein überragender Typ!
Die Mannschaftsaufstellung wird er in diesem Moment sicher schon im Kopf gehabt haben; auf das Feld schickte er Morten Behrens im Tor, Timo Perthel, Tobias Müller, Jürgen Gjasula und Dominik Ernst in der Viererkette sowie Thore Jacobsen und Charles Elie Laprevotte im defensiven Mittelfeld. Eine Reihe weiter vorn sollten Sören Bertram, Mario Kvesic und Manfred Osei Kwadwo für Gefahr sorgen, die Sturmspitze bildete Kapitän Christian Beck.
Engagierte Gastgeber, spielerische Lösungen
Bevor es allerdings sportlich interessant wurde, beeindruckte die Südtribüne beim Einlaufen der Mannschaften einmal mehr mit einer schicken Choreo aus weißen Kunststoffbahnen und zwei großen Spruchbändern, auf denen „Von Milan bis West Ham lernte ganz Europa unser Emblem kennen“ geschrieben stand; dazu gab es Doppelhalter mit dem Club-Emblem, untermalt wurde das Ganze mit einer guten Portion blauem Rauch. Als der sich verzogen hatte, war eine Magdeburger Mannschaft zu sehen, die sehr engagiert zu Werke ging und Freiburg mit dieser Gangart möglicherweise doch ein wenig überraschte. Forsch und mutig wurde nach vorn gespielt und bereits nach fünf Minuten musste Alexander Schwolow im Freiburger Tor das erste Mal eingreifen: Kvesic und Bertram hatten sich in den Strafraum kombiniert, Letztgenannter dann Charles Elie Laprevotte mit einem hohen Anspiel bedient. Dessen Kopfballverlängerung an den Fünfmeterraum landete schließlich in den Armen des Keepers.
Was bereits in der Anfangsphase auffiel und sich im weiteren Verlauf der Partie nicht wesentlich änderte: Gelangen am eigenen Strafraum Ballgewinne, versuchte die Mannschaft von Stefan Krämer in den allermeisten Fällen, spielerische Lösungen zu finden und den Ball nicht einfach nur blind nach vorn zu prügeln. Wir schauten uns im Block einige Male verdutzt an und fragten uns, ob das wirklich unser 1. FC Magdeburg ist, der dort unten auf dem Rasen steht. Hinterher war sich zumindest unsere Gruppe einig, dass das möglicherweise der schönste Fußball war, den wir alle in unserer bisherigen Fan-Laufbahn vom Club bewundern durften. Jetzt soll man mit solcherlei Zuschreibungen ja immer vorsichtig sein, aber auch mit einer Nacht zwischen dem Spiel und diesen Zeilen hier hat sich der Eindruck nicht verflüchtigt.
Jedenfalls ging es für Blau-Weiß offensiv weiter und konnte man sich ein ums andere Mal in ganz gute Situationen bringen. In der achten Minute zog Sören Bertram einen Freistoß von rechts scharf vor das Tor, wo Jürgen Gjasula (der in der Innenverteidigung einmal mehr überzeugte) an den Ball kam, beim Abschluss aber zweimal geblockt wurde. Eine Minute später wurde Bertram auf der rechten Bahn geschickt und spielte flach in den Strafraum, wo der Pass zunächst geklärt wurde und ein Magdeburger Abschluss aus der zweiten Reihe letztlich über das Tor ging.
Von Freiburg war erstaunlich wenig zu sehen. Erst nach einer guten Viertelstunde gab es eine Torgelegenheiit für den Bundesligisten; den strammen Schuss von Roland Sallai von der linken Seite hatte Morten Behrens aber im Nachfassen. Es begann die stärkste Phase der Gäste, die etwa bis zur 35. Minute anhalten sollte und eine richtig dicke Chance der Breisgauer bereithielt – im Übrigen die erste von nur zwei wirklich hochprozentigen Gelegenheiten bis zum Siegtreffer durch Luca Waldschmidt. Erneut war es Sallai, der in der 26. Minute am Ende einer ansehnlichen Freiburger Kombination stand, bei der es für die blau-weiße Defensive viel zu schnell ging. Sein Abschluss segelte dann aber glücklicherweise über das Tor.
Nur eine Minute später wieder die Hausherren, die sich inzwischen gegen sehr hoch verteidigende Freiburger recht schwer taten, wieder Zugriff zu bekommen und das eigene Spiel aufzuziehen. Immerhin gab es jetzt aber einen Freistoß, den Mario Kvesic von rechts auf den langen Pfosten ziehen konnte. Dort stand Tobias Müller zum Kopfball bereit, den er allerdings aus spitzem Winkel und in Bedrängnis nicht mehr entscheidend auf das Tor bringen konnte.
Naja, und nach 38 Minuten hatten diejenigen, die den Größten der Welt die Daumen drücken, den Torschrei schon auf den Lippen; lediglich der linken Pfosten verhinderte den Führungstreffer: Jürgen Gjasula hatte Dominik „Duracell“ Ernst auf einen seiner zahlreichen Läufe in Richtung Grundlinie geschickt; dessen Hereingabe wird zunächst zur Ecke geklärt. Bertram bringt den Ball von rechts, findet am langen Pfosten den Kopf seines Kapitäns und Christian Beck setzt den Abschluss dann eben ans Gebälk. Die Führung wäre, nachdem man die gute Freiburger Phase schadlos überstanden hatte, durchaus verdient gewesen.
Eine Minute später gab es die Kombination Gjasula – Ernst – Beck erneut, allerdings bekam der Mittelstürmer nach der scharfen Flanke des Rechtsverteidigers die Fußspitze nicht mehr an den Ball. Kurz vor der Halbzeit dann noch mal eine Szene, die sich so oder so ähnlich einige Mal abspielte und sowohl Spielidee als auch Herangehensweise des Clubs recht gut beschreibt: Mario Kvesic konnte am Freiburger Strafraum ganz stark den Ball „erpressen“ und eine Ecke herausholen. Die brachte zwar nichts ein, dafür blieb der Club aber direkt drauf. Waldschmidt wollte die Kugel dann gegen Ernst verteidigen bzw. so abschirmen, dass sie ins Toraus geht, allerdings hatte hier der Außenverteidiger das bessere Ende für sich, weil er einfach gut nachsetzte und plötzlich im Strafraum jede Menge Wiese vor sich hatte. Vielleicht wäre ein eigener Abschluss die bessere Idee gewesen, stattdessen kommt der Pass ins Zentrum, wo Freiburg schließlich klären kann. Sehr schade, da war sicher mehr drin, allerdings war es wirklich beeindruckend, wie der Club in dieser Szene (und nicht nur da) zu potentiellen Abschlussgelegenheiten kam. Kurz darauf war Pause und der Eindruck im Block war durchaus: „Hier geht heute was!“
Mit ordentlich lauten Gesängen wurde die Mannschaft dementsprechend auch in die Kabine geschickt.
Klassenunterschied? Fehlanzeige
Laut wurde das Team zu Beginn der zweiten Halbzeit auch wieder empfangen; mitten rein in ein knackiges „Vorwärts, Magdeburger Jungs!“ kombinierte sich Kwadwo im Zusammenspiel mit Mario Kvesic an der Grundlinie in den Freiburger Strafraum, wo ihm der Ball dann allerdings im letzten Moment unglücklich verspringt.
Eigentlich wäre ja damit zu rechnen gewesen, dass Freiburg hier nun mal so langsam die Favoritenrolle annimmt und aufs Tempo drückt, stattdessen spielten auch im zweiten Durchgang überwiegend die Größten der Welt (also in dem Sinne, dass man mit dem Bundesligisten nicht nur recht problemlos mithielt, sondern phasenweise tatsächlich die bessere Mannschaft war). In Spielminute 57 dann mal Freiburg mit einer munteren Kombination durchs Mittelfeld und dem Abschluss ans Aussennetz, weil da niemand ernsthaft störte. Puh. Das war dann doch deutlich zu einfach.
Eine Stunde war gespielt, als Kvesic den Ball im Mittelfeld gewinnen, gut behaupten und in Richtung Strafraum marschieren konnte. Da Freiburg es vorzog, den Spielmacher gewähren zu lassen, gönnte der sich einfach mal einen strammen Schuss, den Schwolow nur nach vorn prallen lassen konnte. Was für eine Granate unserer Nummer 16! Aus einem inkonsequenten Klärungsversuch der Freiburger ergab sich noch einmal eine Nachschusschance durch Timo Perthel; den Schuss setzte der Außenverteidiger allerdings ein gutes Stück zu hoch an.
Die mit einigem Abstand beste Torchance der Gäste im zweiten Durchgang ergab sich nach 70 Minuten und gehörte Lucas Höler und Nils Petersen: Ersterer bekam den Ball auf der linken Seite durchgesteckt und legte in den Fünfmeterraum, wohin in der Zwischenzeit Petersen gestartet war. Behrens war beim Abspiel wohl noch dran, allerdings tänzelte der Ball frei vor der Linie, wo er dann von Timo Perthel und Thore Jacobsen gemeinschaftlich geklärt werden konnte.
Inzwischen war es Zeit für die ersten Wechsel: Björn Rother ersetzte Charles Elie Laprevotte, Tarek Chahed kam für Manfred Osei Kwadwo. In der 74. Minute dann erneut der Club: Aus halbrechter Position zieht Dominik Ernst ab (ich werde ja nicht müde, das zu betonen: Endlich haben wir Spieler, die sich das auch mal trauen!) und lässt Alexander Schwolow im Freiburger Tor fliegen. Die anschließende Ecke kommt von rechts; in der Mitte ist Tobias Müller völlig frei, köpft aber genau auf den Keeper der Gäste, der abermals stark parierte. Es durfte einfach nicht wahr sein, viel bessere Gelegenheiten würden die Größten der Welt in dieser Partie wohl kaum bekommen. Aber weiter ging’s, der FCM hatte noch zwei Pfeile im Köcher, die beide nur äußerst knapp ihr Ziel verfehlten und jeweils von Mario Kvesic abgefeuert wurden:
Elf Minuten vor dem Ende entschied der insgesamt schwache Schiedsrichter Harm Osmers auf Freistoß für die Guten, vielleicht 18, 19 Meter zentral vor dem Tor legten sich die Magdeburger Kunstschützen den Ball zurecht. Kvesic ist es schließlich, der die Kugel knapp über die rechte Ecke schlenzt, Schwolow hätte diesen Schuss, wäre er aufs Tor gekommen, wohl nur noch aus dem Netz fischen können. In einer richtig spannenden Schlussphase dann noch mal Kvesic, der kurz vor dem Abpfiff von Christian Beck bedient wurde, sich am Strafraum etwas Platz verschafft und den Ball dann mit einem Flachschuss knapp rechts am Tor vorbei setzt. Wenn er da den Kopf oben behält und den freien Timo Perthel auf der linken Seite mitnimmt, ergibt sich vielleicht sogar noch eine bessere Gelegenheit. Sei es drum. Im Heinz-Krügel-Stadion war erstmal Schluss, das Spiel ging in die Verlängerung.
Ta, und die war eben noch keine drei Minuten alt, da klingelte es auch schon auf der falschen Seite. Waldschmidt wird zwischen Mittelkreis und Strafraum angespielt und nicht angegriffen, was der Mittelstürmer nur als Einladung verstehen konnte. Sein trockener Schuss in die rechte Ecke konnte Morten Behrens nicht mehr erreichen.
Im weiteren Verlauf der ersten Verlängerungshälfte stand dann – leider – vor allem der Schiedsrichter im Mittelpunkt des Geschehens, was ja immer ein schlechtes Zeichen für die Leistung des Unparteiischen ist. Es gab zahlreiche, nun ja, merkwürdige Entscheidungen von Harm Osmers, die insbesondere Kapitän Beck auf die Palme brachten und die auch mit dafür sorgten, dass die Größten der Welt sich nicht mehr so recht durch die Freiburger Reihen spielen konnten. Vielleicht war das am Ende auch eine Kraftfrage, immerhin hatte die Truppe vorher alles reingehauen, was sie hatte, und musste nun zu allem Überfluss noch einem Rückstand hinterher laufen.
Dementsprechend geht die Geschichte der Verlängerung dann auch so: Der Club spielte das trotz der fortgeschrittenen Spielzeit leidenschaftlich, ließ aber leider den letzten Punch vermissen, während Freiburg ebenso leidenschaftlich verteidigte und an die Führung kaum mehr Luft ließ. Zwar ging noch mal einiges über Dominik Ernst und seine rechte Seite, allerdings waren dessen Hereingaben dann einfach zu unpräzise (in der 108. Minute zum Beispiel, oder in der 110.). Noch einmal gab es einen Eckball, für den auch Morten Behrens mit nach vorn kam, aber kurz darauf war Schluss und durfte sich Freiburg über den knappen und glanzlosen Einzug in die zweite Pokalrunde freuen.
Fazit:
Vieles, sehr vieles war richtig gut in diesem Spiel; so langsam ist zu erkennen, was Stefan Krämer von seiner Mannschaft möchte und – vielleicht noch wichtiger – dass die Spieler das inzwischen auch recht gut umgesetzt bekommen. Gegen eine Bundesliga-Mannschaft so mithalten und sie an den Rand einer Niederlage bringen zu können, war großartig anzuschauen und dürfte nun reichlich Selbstvertrauen für das nächste Pflichtspiel in Chemnitz geben. Der Auftritt in Sachsen wird freilich ein ganz anderer als dieser Pokalfight, weil zum Beispiel davon auszugehen ist, dass der CFC wohl kaum wirklich hoch verteidigen oder risikoreich in die Offensive gehen wird. Trotzdem bleibe ich dabei: Auch wenn es nicht für die zweite Pokalrunde gereicht hat, war das jetzt gegen Freiburg eine ganz wichtige Partie und eine saubere Leistung, auf die die Truppe stolz sein und auf die sie aufbauen kann und sollte. Wer so spielt, muss sich auch in der Liga vor niemandem verstecken. Ich bin sehr gespannt auf die nächsten Auftritte. In diesem Sinne: Alle nach Chemnitz!
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