Holstein Kiel – 1. FC Magdeburg, 4. Spieltag, 2:1 (0:0)
Es war eine eher kurze, dafür aber reichlich unruhige Nacht nach dem 1:2 am Montagabend bei Holstein Kiel. Der Frust und die Enttäuschung über die Niederlage saßen und sitzen erneut tief, ließen die Gedanken kreisen und einen erholsamen Nachtschlaf kaum zu. Warum kann die Mannschaft keine Führung über die Zeit bringen? Warum verteidigt sie insbesondere das zweite Gegentor gar nicht so naiv? Warum hört man nach dem 1:0 auf, mutig Fußball zu spielen? Wann wechselt Jens Härtel den Torhüter? Wie viel Lehrgeld müssen wir eigentlich noch zahlen, bis wir sagen können, dass wir wirklich in dieser Liga angekommen sind? Und ist es tatsächlich nur fehlende Erfahrung oder in der einen oder anderen Szene (zum Beispiel beim 1:1) vielleicht doch auch eine Frage der individuellen Qualität? Nun lassen sich auf derlei Fragen mitten in der Nacht in einem Kieler Hotelzimmer freilich keine befriedigenden Antworten finden. Dass sie sich überhaupt stellen, ist trotzdem unschön, bei einer Ausbeute von zwei Punkten und drei Toren nach vier Spielen aber auch nicht weiter verwunderlich. Dabei war ja beileibe nicht alles schlecht – was das doofe Gefühl unter dem Strich aber vielleicht sogar noch ein bisschen doofer macht.
Jens Härtel nahm gegenüber der letzten Partie gegen den FC Ingolstadt zwei Veränderungen in der Anfangsformation vor, gab aber einem Spieler noch einmal eine Bewährungschance: Jasmin Fejzic stand erneut im Tor, strahlte allerdings abermals alles andere als Sicherheit und Souveränität aus und dürfte nach der Länderspielpause wohl erst einmal auf der Bank Platz nehmen. Etwas anderes wäre jedenfalls kaum darstellbar, nachdem der Keeper zwar bei beiden Gegentoren machtlos war, zwischendurch aber wieder etliche Wackler hatte. Und die lassen sich eben auch durch reichlich Zweitliga-Erfahrung (was ja eins der Argumente für die Entscheidung pro Fejzic war) irgendwann nicht mehr aufwiegen. Vor ihm in der Dreierkette agierten links Steffen Schäfer, in der Mitte Dennis Erdmann und rechts Neuzugang und Ingolstadt-Leihgabe Romain Brégerie, der bis zu seiner Auswechslung ein starkes Debüt gab. Davor liefen in Mittelfeld und Angriff die üblichen Verdächtigen auf: Ignjovski, Rother, Preißinger und Butzen hießen die Mittelfeldakteure, Marcel Costly, Christian Beck und Philip Türpitz die ausgewiesenen Offensivkräfte.
Von vergebenen Möglichkeiten…
Die erste Gelegenheit des Spiels hatte allerdings Innenverteidiger Dennis Erdmann, der nach einem Freistoß in der 3. Minute frei zum Kopfball kam, aber nicht genügend Druck hinter den Ball brachte, um Kenneth Kronholm im Kieler Tor gefährlich zu werden. Gelegenheit Nummer 2 hatte in der 12. Minute Marcel Costly, der nach einem Butzen-Einwurf und einem Kieler Abwehrfehler gedankenschnell von Christian Beck bedient wird, den Ball dann aus spitzem Winkel von der rechten Seite aber links am Tor vorbei legt. Kriegt er die Kugel da noch in die Mitte zum völlig freien Philip Türpitz gespitzelt, ist das ein sicheres Tor.
Während der FCM in der Anfangsphase die besseren Chancen verbuchen konnte, lagen die Spielanteile insgesamt doch deutlich bei den Kieler Gastgebern. Was ja auch okay ist, solange sich daraus keine klaren Torchancen ergeben. whoscored.com wies am Ende 64% Ballbesitz für Kiel aus, genauso wie eine Pass-Erfolgsquote von 77%, während der Club auf eher unterirdische 60% kam. Tja, und das erzählt die Geschichte dieses Spiels insgesamt doch recht gut: Der FCM verteidigte das in den ersten 70 Minuten ziemlich clever und ließ kaum etwas zu, musste sich aber in der Offensive weitgehend auf Kieler Abwehrfehler oder das Glück verlassen, dass der letzte Pass zufällig vielleicht doch mal den eigenen Mann findet, was halt nicht so häufig der Fall war. Dennoch gab es in Durchgang 1 weitere gute Ansätze, so zum Beispiel in der 43. Minute, als Brégerie einen überragenden Pass aus der Zentrale auf Costly spielte. Der macht zwei Schritte raus auf den Flügel und versucht von dort, Christian Beck mit einem scharfen Pass in die Zentrale zu bedienen. Die Kieler Innenverteidigung war aber aufmerksam und konnte im letzten Moment klären. Fast mit dem Halbzeitpfiff ist es Aleksandar Ignjovski, der am Kieler Strafraum ganz stark einen freien Ball erläuft und zu Rico Preißinger bringen kann, der den Pass dann allerdings nicht kontrolliert bekommt und dementsprechend nicht mehr abschließen kann.
Tja, und zwischendrin spielte halt Kiel, von ein paar harmlosen blau-weißen Standards (Preißinger, 39., Türpitz, 41.) mal abgesehen. Viel Glück hatten die Größten der Welt zum Beispiel in der 29. Minute: Nach einer ansprechenden Kieler Kombination auf der rechten Seite gelangte der Ball zentral im Strafraum zu Alexander Mühling, der, völlig freistehend, den Ball nicht richtig traf und ihn somit zu einer dankbaren Beute für Fejzic machte. Wie modernes Torwartspiel geht, bewies Kenneth Kronholm nach 34 Minuten, als er in bester Quarterback-Manier bis fast an die Mittellinie dribbelte und dann einen einfachen, hohen Pass hinter die Magdeburger Kette spielte, wo der Ball dann in höchster Not geklärt werden konnte.
Mit einem 0:0 ging es schließlich in die Pause und obwohl Holstein Kiel deutlich mehr von der Partie hatte, konnte der FCM kurioserweise die klareren Chancen verbuchen. Nur muss man davon dann halt auch mal eine machen bzw. einen der vielversprechenden Angriffe mal sauber zu Ende spielen… Trotzdem: Das Gefühl im provisorischen Stahlrohr-Gästeblock auf der Gegengerade war durchaus, dass man hier heute etwas mitnehmen könnte.
…und geschenkten Gegentoren
Durchgang 2 startete zunächst mit einem Kieler Abschluss, den Fejzic halten konnte (49.), bevor es nach 56 Minuten zum ersten richtigen Aufreger der Begegnung kam. Aus der Abwehr gibt es einen langen Ball auf den startenden Marcel Costly, der von Jonas Meffert als vermeintlich letztem Mann kurz hinter der Mittellinie in vollem Lauf nur mit einem Foul gestoppt werden konnte. Foult Meffert da nicht, ist Costly (so jedenfalls die Stadionperspektive) frei durch und kommt zu einer klaren Torchance. Schiedsrichter Robert Kampka entschied sich jedenfalls für gelb statt rot, was die Gästeblock-Gemüter doch ein wenig stärker erhitzte. Möge sich über die Szene jeder selbst eine Meinung bilden, ich für meinen Teil hätte es durchaus vertretbar gefunden, wenn Kiel danach nur noch mit 10 Mann hätte weiterspielen dürfen.
Nun blieb es aber beim 11 gegen 11 und je länger die zweite Hälfte dauerte, desto besser wurden die Gastgeber – bis es in der 65. Minute plötzlich 1:0 für die Guten stand: Nach einer Balleroberung schaltete sich Steffen Schäfer ins Offensivspiel ein und passte rechts auf Marcel Costly, der eine weite Flanke auf den langen Pfosten schlagen konnte. Der Ball wurde lang und länger und erreichte schließlich Christian Beck am langen Pfosten, der in die Mitte legte. Dort stand Philip Türpitz, hielt den Fuß hin und brachte die gut gefüllte Gästekurve kollektiv zum Ausrasten: 1:0-Führung in Kiel, vorher alles recht ordentlich wegverteidigt – das sollte sich doch auch für einen Aufsteiger eigentlich machen lassen. Eigentlich.
Wer das Spiel neutral betrachtet hat, den dürfte die Kieler Reaktion durchaus beeindruckt haben. Statt geknickt zu sein, wurde nun der Druck erhöht, spielte man seinen Stiefel einfach ganz in Ruhe weiter und kam ein ums andere Mal gefährlich vor das Tor von Jasmin Fejzic. Trotzdem war es letzten Endes – erneut – eine Standardsituation, die den Hausherren den zu diesem Zeitpunkt völlig verdienten Ausgleich bescherte. Einen (auch hier: aus Stadionperspektive) fragwürdigen Freistoß auf der linken Seite tritt Alexander Mühling in der 75. Minute wenig druckvoll in Richtung Tor. Der Ball hoppelt auf Nils Butzen zu, der ihn eigentlich nur mit Schmackes auf die Tribüne donnern muss, sich aber völlig verschätzt und über die Kugel tritt. Einen weiteren Hopser später ist der Ball dann im Tor – vollkommen dummer Treffer, 1:1, alles auf Anfang. Es war zum Mäuse melken.
Kurz vor dem Freistoß musste Romain Brégerie übrigens angeschlagen raus, für ihn kam Christopher Handke in die Partie. Vorher war bereits Marius Bülter für Philip Türpitz gekommen (66.). In dieser Besetzung musste man nun hoffen, wenigstens den einen Punkt noch zu sichern, allerdings gelang es der Mannschaft viel zu selten, sich mal vom Kieler Druck zu befreien und irgendwie planvoll, geschweige denn gefährlich, vor dem Tor der Gastgeber aufzutauchen. In solchen Situationen können ja durchaus Standards ein probates Mittel sein, nur schafften es weder Rico Preißinger (77.) noch Marius Bülter (81., nach schönem Lauf von Butzen), den Ball wenigstens mal aufs Tor zu bringen. Stattdessen segelte das Spielgerät weit in die hinter Kenneth Kronholm befindliche Baustelle, die früher mal ein Gästeblock war. Tja, und dann wird es eben richtig schwierig, ein Tor zu erzielen.
Besser machte es da – leider – Kiel. In der 81. und der 83. Minute dürfte der überwiegende Teil der 9314 Zuschauer*innen den Torschrei bereits auf den Lippen gehabt haben, warten musste der Jubel allerdings bis zur 87. Minute: Zwei schnelle Pässe reichen, um die linke Magdeburger Defensivseite auszuhebeln, ein hoher Ball von Schindler findet den Kopf des mutterseelenallein hochsteigenden Aaron Seidel. Naja, und der hat dann mit seinen gefühlten 7,50 m Körpergröße keinerlei Probleme mehr, das Ding ganz entspannt ins Tor zu nicken. Das ging für die blau-weiße Defensive alles viel zu schnell, eine Zuordnung war gar nicht mehr vorhanden und tja, dann schlägt es eben ein. 1:2 nun und wenn man ehrlich ist, war die Sache damit durch. Zwar gab es in der Nachspielzeit noch mal einen FCM-Freistoß mit Potenzial, allerdings war auch hier die Kieler Defensive vor dem einschussbereiten Bülter am Ball und sicherte so die drei Punkte, die zumindest für 10 Minuten beim FCM auf der Habenseite gestanden hatten.
Fazit:
Man muss es leider so klar sagen: Auch in dieser Partie hat der FCM wieder reichlich Lehrgeld bezahlt und im nunmehr vierten Punktspiel erneut offenbart, woran es hapert, um auch in Liga 2 Fußballspiele zu gewinnen. Da ist zum einen das Passspiel, das in den bisherigen Begegnungen nicht über eine Erfolgsquote von 70 Prozent hinauskam. Und das war gegen Aue, also in einem Spiel, in dem der Club keinen einzigen Torschuss abgab. Da ist zum anderen die fehlende Durchschlagskraft in der Offensive, was sicher mit den Ungenauigkeiten im Passspiel zusammenhängt, sich dadurch allein aber nicht erklären lässt. Und da ist, und jetzt werde ich auch in dieser Hinsicht mal deutlich, der Unsicherheitsfaktor Jasmin Fejzic im Tor, der eben genau keine Ruhe und Sicherheit ausstrahlt und eher wie ein großer Teddybär wirkt, der bunte Bälle fangen soll. So richtig erschließt sich das nicht, aus Fan-Perspektive mit viel Meinung, aber wenig Torwart-Fachkenntnis sowieso nicht. Es ist aber schon sehr verwunderlich, warum Fejzic nicht das abrufen kann, was er in der 2. Liga ja durchaus schon gezeigt hat und was sich die Verantwortlichen von seiner Verpflichtung versprochen haben. Gegen Bielefeld jedenfalls sollte Alexander Brunst dann doch mal die Chance bekommen, zu zeigen, dass er es besser kann.
Mit einem nicht so tollen Gefühl geht es nun also in die Länderspielpause und wenn eine Sache trotzdem positiv stimmt, dann die, dass zumindest die Defensivleistung bisher einigermaßen passt. An den anderen Dingen, auch dabei bleibe ich, kann man arbeiten und wird das mit einiger Sicherheit in den kommenden zwei Wochen auch intensiv tun. Die nun folgenden Spiele (gegen Bielefeld, in Paderborn, gegen Duisburg und in Sandhausen) könnten mit Blick auf den Saisonverlauf bereits richtungsweisend werden. Schauen wir also mal, wo die Reise noch hingeht. Ihr lest es auf jeden Fall hier im Blog. Und in der Zwischenzeit gilt: Keep calm and trust Härtel. Wir sind alle zusammen so weit gekommen und es wäre doch wohl gelacht, wenn wir nicht auch alle zusammen wieder zurück in die Erfolgsspur finden. In diesem Sinne:
„Alles nur für Dich, mein FCM!“
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