Hallescher FC – 1. FC Magdeburg, Landespokalfinale 2016, 2:1 (1:0)
„Größe zeigen“ kann ja auch heißen, mal einen Schritt zurückzutreten und denjenigen eine Chance zum Glänzen zu geben, die sonst nicht im Rampenlicht stehen. Sollte das der Plan gewesen sein, haben die Größten der Welt ihn im FSA-Pokal-Finale 2016 recht eindrucksvoll umgesetzt und dem Halleschen FC dank einer der eher mäßigeren Saisonleistungen den insgesamt achten Landespokaltriumph beschert. Nüchterner betrachtet, hat an einem an Skurrilitäten nicht gerade armen Pokalabend die giftigere, wachere und engagiertere Mannschaft gewonnen. Das ist aus blau-weißer Sicht zwar ärgerlich, andererseits muss man die Leistung des HFC aber eben auch anerkennen. Und angesichts der Tatsache, dass man nach einer überragenden Saison ohnehin bereits für den DFB-Pokal qualifiziert war, kann man die Niederlage sicherlich auch schnell verschmerzen. Ein würdiges Finale war es ohnehin, dank allerlei Aufregern auf wie neben dem Platz und einer Schlussphase, die wider Erwarten dann doch noch einmal spannend wurde.
Spannend war allerdings zunächst erst einmal die Frage, wie man eigentlich am schnellsten vom Gästeparkplatz zum Stadion gelangen sollte. In Halle kam man offensichtlich auf die großartige Idee, exakt 2 (ZWEI!) Shuttlebusse einzusetzen, die knapp 4.000 Stadionbesucher vom Südstadtring/Böllberger Weg zum Gästebereich fahren sollten. Da hat sich wohl vorher jemand bei der MVB erkundigt, wie man Veranstaltungen mit einer gewissen Zuschauerzahl logistisch am besten bewältigt. Das Ende vom Lied war, dass sich ein großer Teil der mit dem Auto angereisten Clubfans zu Fuß auf den Weg machte – offenbar zur großen Überraschung der Einsatzkräfte, die aber angenehm entspannt reagierten und den Zug unauffällig begleiteten. Man stelle sich so eine Szenerie in, sagen wir mal, Münster vor. Bürgerkriegsähnliche Zustände wären wohl die Folge gewesen.
Im Stadion angekommen, waren nicht nur die Hintertortribüne am Läuferweg und die Stehplatzkurve nebendran, sondern auch Teile der Haupttribüne fest in blau-weißer Hand, was Block U im Laufe des Spiels für den einen oder anderen dreigeteilten Wechselgesang gut zu nutzen wusste. Überhaupt war der Support durchgehend gewohnt brachial und bekam erst mit dem vorentscheidenden 0:2 durch Toni Lindenhahn einen kleinen Dämpfer. Dafür taten dann immerhin auch die HFC-Fans ein bisschen was für die Stimmung und stellten fest, dass man sein Team ja auch mit Gesängen unterstützen kann.
Jens Härtel überraschte im letzten Pflichtspiel der Saison mit einer, gemessen am Anlass, eher unkonventionellen Aufstellung, in der mit David Kinsombi, Nico Hammann und Manuel Farrona Pulido gleich drei wichtige Stützen der letzten Wochen gar nicht erst im Kader waren und in der Andre Hainault nach etlichen Monaten Wettkampfpause sein Comeback in der Innenverteidigung gab. Dachte man vor dem Spiel noch, dass die letzte Reihe mit Hainault und Handke gegen die schnellen Hallenser Spitzen Lindenhahn und Osawe doch einigermaßen gewagt sei, musste man in der Begegnung erkennen, dass diese Defensivvariante so gar nicht funktionierte und die beiden Hallenser Angreifer eigentlich zu keiner Zeit in den Griff zu bekommen waren. Nicht ganz zufällig sorgten beide dann auch für die Tore des späteren Pokalsiegers.
Neben Hainault (zentral) und Handke (rechts) reihte sich zu Beginn noch Nils Butzen (links) in den Abwehrverbund ein; im Mittelfeld begannen Michel Niemeyer, Niklas Brandt, Marius Sowislo und Tarek Chahed, für die Offensive schickte Jens Härtel links Sebastian Ernst, im Sturmzentrum Christian Beck und rechts Ahmed Waseem Razeek aufs Feld. Durchaus eine ordentlich offensive Ausrichtung also, die sich allerdings bereits nach 6 Minuten schon wieder erledigt hatte: Derbyheld Ernst musste verletzungsbedingt ausgewechselt werden, für ihn kam Jan Löhmannsröben in die Partie. Das wirbelte die Formation gleich zu Beginn ordentlich durcheinander: Nils Butzen rückte auf die rechte Abwehrseite, Hainault nach links und Handke in die Mitte. Löhmannsröben sortierte sich neben Niklas Brandt ein, Waseem Razeek ließ sich immer wieder ins rechte Mittelfeld zurückfallen, Chahed und Sowislo agierten nun zentraler hinter Christian Beck. Erstaunlicherweise behielt der 1. FC Magdeburg trotz dieser Rochade in der Anfangsphase die Kontrolle über das Spiel und hatte die Begegnung in den ersten etwa 20 Minuten recht gut im Griff. In der 17. Minute hatte Jan Löhmannsröben auch direkt mal die Möglichkeit zur Führung, vergab aber vor der „HFC-Fankurve“ nach toller Vorarbeit von Christian Beck. Tja. Und ab da ließ man dann den HFC gewähren.
Ob es nun daran lag, dass der Gegner eben diese 20 Minuten brauchte, um sich auf das Spiel der Blau-Weißen einzustellen oder ob die Hausherren schlichtweg stärker wurden, lässt sich im Nachhinein kaum sagen. Fakt war aber, dass die Größten der Welt den Bällen nun zunehmend hinterherliefen, die Offensivaktionen viel zu ungenau wurden und man den Gegner mit schnellen Ballverlusten immer wieder gut ins Spiel brachte. Das 0:1 durch Osayamen Osawe dann im Prinzip auch mit Ansage. Über unsere linke Abwehrseite kombiniert sich der HFC weitgehend ungestört bis in den Strafraum, wo der Ball schließlich beim Engländer landet, der die Magdeburger Defensive austanzt und zur Führung für seine Farben netzt. Ärgerlich.
Was man Blau-Weiß definitiv zugute halten muss, ist, dass die Mannschaft sich trotz des Rückstandes (und später auch trotz des 0:2) weiterhin bemühte und engagiert zu Werke ging, auch wenn vieles eben Stückwerk blieb und man sich aus dem Spiel heraus kaum einmal entscheidend in Szene setzen konnte. Stattdessen waren es viel mehr Standards, die vor dem gegnerischen Kasten für Gefahr sorgten, aber eben nichts Zählbares einbrachten.
Die zweite Hälfte begann für die Größten der Welt mit einer weiteren Änderung in der Grundordnung: Jan Löhmannsröben rückte für Andre Hainault in die Innenverteidigung, der Kanadier wurde durch Nicolas Hebisch ersetzt. Der wiederum hatte direkt nach Wiederanpfiff seine erste – und einzige – Szene, in der er im Strafraum vor HFC-Keeper Bredlow für einige Verwirrung sorgt, seine Mannschaftskollegen den Ball aber nicht im Tor unterbringen können. Ansonsten war von Nicolas Hebisch im weiteren Verlauf der zweiten Hälfte nichts zu sehen und sorgte der für die letzten 15 Minuten für den fleißigen Waseem Razeek eingewechselte Ryan Malone in seinen paar Spielminuten vorn im Sturm für deutlich mehr Alarm – und den 2:1-Anschlusstreffer (zwischenzeitlich hatte noch ein unglücklich abgefälschter Lindenhahn-Schuss den Weg ins Tor gefunden) zwei Minuten vor Abpfiff, der letztendlich aber zu spät kam. Dass es trotz guter Chancen für den Club (u.a. Razeek in der 60., Brandt in der 75. und 87., Sowislo in der 76. Minute) in der Schlussphase überhaupt noch einmal so spannend wurde, hatte der 1. FC Magdeburg neben Malones Treffer Osayamen Osawe zu verdanken: in der 53. Minute kann er, nachdem er sich zum x. Mal im Laufduell durchsetzen konnte, eigentlich früh alles klar machen, zielt aber völlig frei vor Jan Glinker zu ungenau und schießt rechts am Tor vorbei.
Müsste man die spielerische Leistung der Magdeburger Mannschaft in ein Worturteil gießen, käme unter dem Strich wohl so etwas heraus wie „sie waren stets bemüht“ – gegen gallige Hallenser, die zur Rettung ihrer weitestgehend verkorksten Saison das Finale im Prinzip gewinnen mussten, hat das an diesem Abend eben einfach nicht gereicht. Verständlich dementsprechend auch der Jubel auf der Gegenseite, nachdem Schiedsrichter Schipke das Spiel überpünktlich abpfiff. Weniger verständlich war hingegen, was sich diejenigen Kollegen aus der „HFC-Fankurve“ wohl gedacht haben müssen, die sich nach Spielende erst einmal provozierenderweis‘ hinter der eilig aufgezogenen Polizeikette im Mittelkreis aufbauten, statt mit ihrer Mannschaft den Pokalsieg zu feiern. Und die sich zügig wieder in ihren Block zurückzogen, als es auf der Haupttribüne zu einiger Bewegung kam und sich einige Blau-Weiße ganz offensichtlich in ihre Richtung auf den Weg machten. Braucht kein Mensch, sowas, aber offenbar kommen Begegnungen zwischen dem HFC und dem 1. FC Magdeburg ohne derlei Nebengeräusche einfach nicht aus.
Nachdem der anstrengende Stadionsprecher nach Spielende irgendwann endlich verstummt war und die Mannschaft sich ihre Medaillen abgeholt hatte, wurde sie vor der Kurve selbstredend noch einmal ordentlich gefeiert für eine Saison, die sich wohl niemand vor dem ersten Spieltag so hätte erträumen können. Und die Finalniederlage gegen Sachsen-Anhalts Nummer Zwei? Ist allenfalls ein Kollateralschaden. Oder um es in den Worten eines Facebook-Nutzers zu sagen:
„Ist halt Pokal. Da gewinnen eben auch mal die kleinen Vereine.“
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