Jetzt ist sie also wirklich vorbei, die wahrscheinlich erfolgreichste Magdeburger Fußballsaison der Nachwendezeit. Die Mannschaft weilt im Urlaub, die ersten Zugänge für die neue Punkterunde wurden inzwischen vorgestellt und mit den Ticketpreisen für die erste Zweitliga-Spielzeit der Vereinsgeschichte gibt es bereits das erste, kleinere Aufreger-Thema der Sommerpause. Hier im Blog wurden derweil die ersten Strohballen gesichtet, die über die virtuellen, leeren Flure rollten, so langsam richtet sich auch nurderfcm.de auf eine ziemlich lange, aber auch dringend benötigte Sommerpause ein. Nun kann es natürlich keinen Saisonabschluss ohne den obligatorischen Saisonabschluss-Blogpost geben, auch wenn der aus ganz unterschiedlichen Gründen ein wenig auf sich warten ließ. Da war zum einen der immer noch nur schwer zu fassende Umstand, dass wir in der neuen Saison tatsächlich im Fußball-Unterhaus an den Start gehen werden. Zum anderen stand am Wochenende nach dem letzten Spieltag ein schon länger geplanter Wochenend-Trip an. Und möglicherweise hat es auch einfach das erste richtig spielfreie Wochenende seit einer gefühlten Ewigkeit gebraucht, um zu dieser Wahnsinnssaison wenigstens ein kleines bisschen Abstand zu gewinnen. Bevor es dann also wirklich in die Sommerpause geht, folgt hier: der Kehraus zur Saison 2017/2018.
Zugegeben, so ein bisschen ist ja immer noch alles Rausch. Der feststehende Zweitliga-Aufstieg nach dem Heimspiel gegen Fortuna Köln, der Staffelsieg in Lotte bei bester Volksfest-Atmosphäre, die Feiern dazwischen und danach und das langsame Austrudeln jetzt mit Blick auf den bevorstehenden Sommer – wir sprechen hier von mehreren Wochen, die an mir irgendwie im kaum greifbaren Turbotempo vorbeigerast sind. Hin und wieder gab es das große Verlangen, einfach mal hineinzugreifen in diesen Ereignisstrom, die Zeit an- und den Moment festzuhalten, nur, um ihn dann für das nächste Highlight wieder loslassen zu müssen. Weiter, immer weiter, kaum mal Zeit zum Durchatmen, schon gar nicht zum Verweilen und plötzlich dann die Vollbremsung: Keine Spiele mehr, vorerst keine Fahrten mehr mit den Jungs, der Podcast auch in der Sommerpause, die Relegationspartien allenfalls Methadon, verbunden mit der irren Erkenntnis: Ey, wenn es hier um den Abstieg aus der 1. oder den Klassenerhalt in der 2. Liga geht, dann geht es ja auch um uns und unsere Wege in der neuen Saison. Wahnsinn. Was für Trip.
Dass wir den Endspurt der Spielzeit 2017/2018 mit zehn Siegen in Folge und zwölf ungeschlagenen Partien in Serie bestreiten würden, hätte sich am 23.07.2017 wohl kaum jemand vorzustellen gewagt. 1:4 hieß es da bei der SG Sonnenhof Großaspach, ein Sonntagsschuss-Festival war das, der nach zwei vierten Plätzen in Folge doch mit einigen Ambitionen gestartete 1. FC Magdeburg sortierte sich zunächst erst einmal am Tabellenende ein. Danach dann der Saison-Neustart, es folgten 6 Siege in Folge, unter anderem ein 2:0 gegen Hansa Rostock vor über 20.000 Menschen, bevor es dann in Zwickau trotz großartiger Kurvenshow der Größten der Welt die zweite Niederlage der Saison gab.
Aber auch hier berappelte man sich schnell wieder, ohnehin eine Qualität der Mannschaft im Aufstiegsjahr: Der SC Paderborn wurde dank eines Tores von Christian Beck unter der Woche zuhause mit 1:0 besiegt, auch in den nächsten drei Spielen blieb der Club ohne Gegentor und holte jeweils drei Punkte für die eigenen Farben. Inzwischen war man Tabellenzweiter, hatte den FC Augsburg in der ersten Runde des DFB-Pokals aus dem Wettbewerb gekegelt und mit Partien gegen die starken Aufsteiger aus Unterhaching, Champions-League-Teilnehmer Borussia Dortmund im DFB-Pokal und Zweitliga-Absteiger Karlsruher SC richtig dicke Brocken vor der Brust. Die englische Woche wurde ergebnistechnisch zum Debakel: 0:3 gegen Unterhaching, 0:5 gegen Dortmund, 0:1 im wunderschönen Wildpark gegen den KSC. Puh. Das vorläufige Ende aller Ambitionen? Mitnichten. Einem Unentschieden zuhause gegen Wehen Wiesbaden folgte abermals eine Siegesserie, mit fünf Erfolgen hintereinander und zehn (!) Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz verabschiedete sich das Team von Trainer Jens Härtel in die Winterpause.
Der Start ins Jahr 2018 verlief dann einigermaßen holprig und sofort waren sie natürlich alle wieder da, die Dämonen und Schatten der Vergangenheit. Niederlage auswärts beim damals schon arg ins Schlingern geratenen FC Rot-Weiß Erfurt, nur ein 0:0 zuhause gegen Meppen, schließlich das 0:1 in Würzburg. „Die werden doch nicht….“, „Na, das vergeigen die doch wieder!“, „Ja, ja, wie 2007!“ – Hallo, Magdeburger Pessimismus, alter Freund, da bist Du ja wieder! Und die Befürchtungen, sich vielleicht in historischer Form zum Vollhonk der ganzen Fußball-Nation zu machen, waren ja nicht ganz aus der Luft gegriffen. Wer diesen Verein kennt und insbesondere die Jahre nach der Wende verfolgt hat, der weiß, wie oft man schon so knapp vor dem großen Wurf stand und letztlich trotzdem auf der Strecke blieb…
Die Wende brachte (mal wieder, muss man ja fast sagen) die Partie gegen Preußen Münster am 24. Spieltag. Mit 3:1 gelang ein ganz wichtiger Heimsieg, 3:1 für die Größten der Welt hieß es auch eine Woche später im Bremer Weserstadion, der Vorsprung auf den 3. Platz war wieder auf beruhigende 9 Punkte angewachsen und der Traum von Liga 2 wieder so greifbar wie um die Weihnachtszeit, als man sich beim Blick auf die Tabelle ein ums andere Mal freudig erregt die Augen rieb. Im Rostock, seinerzeit durchaus noch in der Verlosung für mindestens mal Rang 3, sollte am folgenden Spieltag der nächste Big Point folgen. Was aber tatsächlich folgte, waren Bryan Henning und sein 1:0 für Hansa vor 23.000 Zuschauern im Ostseestadion. Der KSC und Wehen Wiesbaden zogen ihre Spiele ebenfalls – der eben noch komfortable Vorsprung war auf immer noch nette, aber nicht mehr ganz so komfortable 6 Punkte geschrumpft. Und betrug nach Unentschieden zuhause gegen Zwickau und auswärts in Paderborn zehn Runden vor Schluss plötzlich nur noch ganze 3 Zähler. Es durfte einfach nicht wahr sein.
Inzwischen glaube ich ja, dass das genau die Phase der Saison war bzw. einläutete, die hinten raus richtig viele Körner gekostet hat. Eigentlich ist es eigenartig: Die Niederlage in Rostock war die letzte der Spielzeit und schaut man so auf den Spielplan und die Ergebnisse, könnte man leicht denken: „Och, ja, war hintenraus ja dann doch eher ein Spaziergang im Park.“ Tatsächlich war aber das ganze Gegenteil der Fall.
Spätestens nach dem 28. Spieltag war nämlich klar: Weitere Punktverluste konnte man sich eigentlich nicht mehr leisten, Wiesbaden und der KSC saßen im Nacken und lauerten nur auf eine Gelegenheit, auf der Innen- oder der Außenbahn vorbeizuziehen. Die Tage vor den Partien im HKS gegen Karlsruhe und nur eine knappe Woche später in der Brita-Arena zu Wiesbaden gehörten rückblickend, neben den Relegationsspielen gegen Offenbach, zu den vielleicht anstrengendsten meiner bisherigen Fan-Karriere. Da war schon eine gewisse Angst. Ich schlief schlecht. Und konnte nur darauf hoffen, dass es der Mannschaft besser gehen würde. Naja, und jetzt kann man es ja sagen: Wie der Club mit dieser Situation umging, wie Jens Härtel es schaffte, das Team immer wieder perfekt einzustellen, wie man die Partien mit mannschaftlicher Geschlossenheit und einer guten Portion individueller Klasse über die Bühne brachte und letztlich siegreich gestalten konnte – das war eine Monster-Leistung, das war historisch, das war der 1. FC Magdeburg, wie man ihn sich großartiger nicht mehr hätte vorstellen können.
Das Bemerkenswerteste für mich ist irgendwie immer noch, wie völlig leer und platt ich in dem Moment war, in dem ein paar Tausend Leute den Rasen in Magdeburg stürmten und den rechnerisch nicht mehr zu verhindernden Aufstieg in die 2. Fußball-Bundesliga feierten. So viele Jahre hatte ich mir immer mal wieder ausgemalt, wie sich das wohl anfühlen würde, diesen Moment zu erleben. Was ich wohl tun, wie es mir dann gehen würde. Vor meinem inneren Auge waren das immer nur irgendwelche Eskalationsfantasien. Viele Tränen auch. Unsagbare Euphorie. Dann kam der Moment tatsächlich und ich saß einfach nur da. Begriffsstutzig regelrecht. So, als würde man schon irgendwo verstehen, dass man gerade etwas Unglaubliches erlebt, es aber einfach nicht begreifen können. Selbstschutz-Filmmodus. Und vielleicht war das ganz gut so, um nicht völlig die Fassung zu verlieren und vorerst noch einigermaßen klarzukommen.
Drei Partien blieben dann noch – zum Runterkommen einerseits, andererseits aber auch, um neben dem sicheren Aufstieg noch den Staffelsieg klarzumachen. Was natürlich gelang. „Natürlich“ deshalb, weil es in der Rückschau eigentlich nur logisch erscheint, dass sich diese Mannschaft trotz eines veritablen Feier-Marathons nicht hat hängen lassen. Dass man die Qualität, die Klasse und den Anspruch hatte, die Saison seriös zu Ende zu bringen. Und zwar nicht nur, aber auch, weil wahrscheinlich alle wussten, dass man einen solchen Lauf so schnell möglicherweise nicht wieder erleben wird.
Am Ende des Tages, am Ende dieses Textes und so kurz vor der Sommerpause, in die sich dann auch der Blog gleich verabschieden wird, ist es vor allem ein Gefühl, das bleibt: riesige Dankbarkeit. Es ist schon ein relativ krasser Wahnsinn, was wir in dieser Spielzeit alles erleben durften. Was für Momente wir als Clubfans mit unserer Mannschaft und unseren Leuten teilen konnten. Und auch wenn auf den großen Rausch vielleicht irgendwann einmal ein kleiner Kater folgt, sind es genau diese Momente, die wir in Ehren halten sollten und die uns noch sehr lange werden tragen können.
In diesem Sinne: Habt eine schöne Sommerpause, erholt Euch gut, tankt Kraft und genießt die Zeit! Und in der kommenden Saison? Da rocken wir dann alle zusammen die verdammte 2. Bundesliga.
DER FCM IST WIEDER DA!
Beitragsbild: „Kronkorken“ (geändert) von Philip „Galli“ Rentschler via Flickr | Lizenz: CC BY-SA 2.0
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