Permalink

6

„In Europa kennt Euch keine Sau!“

Zwickau

1. FC Magdeburg – FSV Zwickau, 21. Spieltag, 1:1 (1:1)

Was tat das gut, endlich im eigenen Wohnzimmer, im Heinz-Krügel-Stadion, wieder Fußball schauen zu können! Knappe 8 Wochen waren nach der letzten Heimpartie vergangen und trotz der dürftigen Vorstellung in Köln zum Rückrundenauftakt war die Vorfreude auf die Begegnung gegen den FSV Zwickau riesig, auch wenn die Vorzeichen (Stichworte: Blocksperre und Supportverzicht) natürlich deutlich bessere hätten sein können. Dass die Stimmung am Ende des Tages nach dem 1:1 gegen den Tabellenvorletzten eher getrübt als ausgelassen war, lag neben einer ganzen Reihe guter, aber eben nicht genutzter Chancen an einer in mehrerer Hinsicht schlimmen ersten Halbzeit und einem überragenden Johannes Brinkies im Zwickauer Tor, der an jenem Tag eben auch die Bälle halten konnte, die sonst eigentlich nicht zu halten sind. Immerhin: zumindest die Sache mit dem Supportverzicht löste sich mit Beginn der zweiten Hälfte (vorübergehend?) in Wohlgefallen auf und es bleibt zu hoffen, dass wir in den zweiten 45 Minuten nicht nur sportlich, sondern auch atmosphärisch wieder einen Schritt zurück zu alter Form gemacht haben. 

In Spiel 1 nach der kleinen Kader-Rochade mit den Abgängen von Sebastian Ernst und Maurice Exslager setzte Trainer Jens Härtel, wie vom Kollegen Thomas in Podcast-Episode 26 völlig richtig vorausgesagt, auf ein 3-4-3, bei dem Neuzugang Richard Weil auch gleich sein Debüt als zentraler Mann in der Dreier-Abwehrkette feiern durfte. Neben ihm spielten Christopher Handke rechts und Nico Hammann links; hier wird es mit Blick auf die nächste Begegnung in Paderborn sicher spannend, inwiefern sich dieser Abwehrverbund mit der abgesessenen Gelbsperre von Felix Schiller noch einmal verändern wird. Vor der Dreierkette sicherte Jan Löhmannsröben im defensiven Mittelfeld, rechts spielte Nils Butzen, links, wie gewohnt, Tobias Schwede, Kapitän Sowislo dribbelte in diesem Vierer-Reigen als offensivere Kraft im zentralen Mittelfeld auf. Im Sturm sollten links Florian Kath und rechts Startelf-Rückkehrer Manuel Farrona Pulido für Alarm sorgen; dem Deutsch-Spanier gelang das, ganz im Gegensatz zum erneut starken Kath, eher mäßig. Ganz vorn agierte der Mann, den man beim FCM dort auch erwarten würde, Christian Beck nämlich.

Die Partie begann dann auch gleich mit einigen Achtungszeichen von Blau-Weiß und bereits nach fünf Minuten hätte es im Kasten von Brinkies eigentlich das erste Mal klingeln müssen. Stellte ein Abschluss von Jan Löhmannsröben (3. Minute) noch kein Problem dar, wurde es nur zwei Minuten später gleich deutlich spannender. Der aufmerksame Beck auf der rechten Seite sieht, dass Brinkies ein gutes Stück zu weit vor seinem Tor steht und versucht es einfach mal mit einem langen Schlenzer ins linke Eck. Der Ball klatscht an die Latte und von dort aus auf den Kopf von Florian Kath, der das ganze Tor vor sich hat und nur noch überlegt dorthin einnicken muss, wo Brinkies nicht zu finden ist. Stattdessen köpft er den Torwart aber ziemlich genau an – schade, so ein Ding muss man einfach abgezockter mitnehmen. Aber sei es drum: Der FCM war wach, präsent, kam zu Abschlüssen und präsentierte sich – zunächst – gegenüber dem Auftritt bei Fortuna Köln recht deutlich formverbessert. Von Zwickau hingegen kam offensiv gar nichts, was sich im Verlauf des gesamten Spiels auch nicht wesentlich änderte. Darüber, dass man es trotzdem schaffte, beim 1. FC Magdeburg ein Tor zu erzielen, wird sich die Mannschaft vermutlich jetzt noch wundern.

Nach 15 Minuten hatte sich die Partie dann erst einmal beruhigt; der Anfangsschwung war weg und beide Teams versuchten nun, Struktur ins eigene Spiel zu bringen. Zeit also, seine Aufmerksamkeit zunächst auf das Geschehen auf den Rängen zu richten. Und hier gab, das muss man leider so deutlich sagen, dank der eingangs erwähnten Blocksperre und des Verzichts auf koordinierten Support durch Block U der Gast aus Zwickau den Ton an. Dabei war es ganz merkwürdig: es müssen wohl doch ein paar Westsachsen mitgefahren sein; dadurch, dass sie aber quasi nebenan standen, waren sie zumindest von der Südtribüne aus nur schlecht zu sehen, dafür aber umso deutlicher zu hören. Irgendwann, es muss so um die 20. Minute gewesen sein, begann man trotzdem damit, über gesperrte Blöcke, Zäune und Fangnetze hinweg in Austausch zu treten. Einem ordentlich laut skandierten „Absteiger, Absteiger!“ von der Südtribüne folgte eine Ansage per Zwickauer Megaphon, dass man ja immerhin schon mal in der 2. Liga war, während es der FCM gerade mal in die 3. geschafft hätte (oder so ähnlich). Was folgte, ist einer der vielen Gründe, warum live eben wirklich nur im Stadion ist. Dem spontan angestimmten „Vierte Liga, Zwickau ist dabei!“ von Magdeburger Seite folgte ein „Zweite Liga haben wir schon gesehen!“ aus dem Gästeblock, was dann wiederum von einem „In Europa kennt Euch keine Sau!“ gekontert wurde. Großartig. Zwickau fiel dann leider bis auf „Dyyyynamo Dresden!“ nichts weiter ein. Aber hey: Der Europapokal ist halt auch ein Totschlagargument.

Unten auf dem Rasen wurde die Gangart indessen zwei, drei Stufen intensiver. Erst wird Christian Beck unsanft von den Beinen geholt (und behandelt), dann weiß sich die Zwickauer Außenverteidigung gegen den trickreichen Florian Kath nur mit einer Wrestling-Einlage zu helfen. In Spielminute 26 schließlich erneut Alarm im Zwickauer Strafraum: Kath und Schwede bringen den Ball im Zusammenspiel zentral vors Tor, wo sie Marius Sowislo finden, der das Zuspiel aber nicht kontrollieren kann, sich erst mal (ungeahndet) an die Hand schießt und den zugegebenermaßen schwierigen Abschluss letztlich nicht gefährlich genug aufs Tor bringen kann. Die Szene der ersten Halbzeit ereignet sich schließlich nur fünf Minuten später, allerdings leider auf der anderen Seite: Der Ball kommt hoch in Richtung Strafraum, vor Keeper Zingerle liefern sich Richard Weil und Mike Könnecke ein Laufduell. Zingerle entscheidet sich als mitspielender Torwart dazu, nicht zu warten, ob sein Verteidiger die Situation klären kann, sondern spielt den Ball Manuel-Neuer-Style knapp an der Strafraumgrenze mit dem Kopf. Kann man natürlich machen, wenn man die Kugel dann auch sicher zu einem Mitspieler oder zumindest aus der Gefahrenzone befördert bekommt. Alternativ hätte man den Ball natürlich auch ganz old school fangen können. Zingerle aber köpft Marcel Bär an, der sich im Prinzip gar nicht anders zu helfen weiß, als das Ding im Bogenlampenformat mit dem Kopf direkt in Richtung Tor zurückzubefördern – und den jetzt natürlich viel zu weit draußen stehenden Zingerle zu überlupfen. 1:0 für Zwickau, die gar nicht wissen, warum eigentlich, natürlich ein Riesenbock von unserer neuen Nummer 1 und vielleicht in der Szene auch ein Abstimmungsproblem mit Abwehrchef-Debütant Weil, getreu dem Motto: „Nimm Du ihn nicht, ich hab‘ ihn sicher“. Klassiker.

Das überraschende Gegentor zeigte sofort Wirkung. Der Club nun völlig von der Rolle, ohne Ideen in der Vorwärtsbewegung und mit einigen Wacklern nach hinten. Köln reloaded quasi, nur noch ein Stück schlimmer, weil nun so wirklich gar nichts mehr zusammengehen wollte und man es nicht einmal mehr durch Standards schaffte, vor dem Zwickauer Tor für Gefahr zu sorgen. Positiv immerhin: Neuzugang Richard Weil versuchte, die Abwehrzentrale mit einer Selbstverständlichkeit zu dirigieren, als würde er da schon fünf Jahre spielen. Auch wenn das nicht immer hundertprozentig funktionierte (siehe oben), reichte es doch, um Zwickau nicht zu allem Überfluss auch noch zu hochkarätigen Chancen kommen zu lassen.

Akustisch hatte Zwickau nun fast ein Heimspiel und während man so dastand und einem schon Böses schwante, nahm das Spiel die nächste unerwartete Wendung – und zwar in Form eines Pfiffs des Unparteiischen. Erst kam in der 44. Minute Beck unsanft im Strafraum zu Fall, Sekunden später im Zuge der gleichen Aktion dann auch noch Florian Kath. So richtig klar war die Szene von der Südtribüne aus nicht zu erkennen, Pfiff und Gestik des Schiedsrichters nach einigem Zögern waren dafür umso deutlicher: Elfmeter. Die Ersten drehten sich weg, schließlich hatten wir uns bis dato in vergleichbaren Situationen in dieser Saison nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert und ja auch beim Hinspiel in Zwickau vom Punkt aus nicht verwandeln können. Nicht so diesmal. Nico Hammann schnappt sich den Ball, läuft an und hämmert ihn humorlos und für Brinkies unhaltbar in die rechte Ecke. Ausgleich, Halbzeitpfiff und Riesenerleichterung, das wider Erwarten doch noch ein Tor gelang. Was für eine merkwürdige erste Halbzeit.

Mit Wiederanpfiff dann der nächste Twist im Plot: Der organisierte Support war zurück! Offenbar hatte Block U vom Zwickauer Singsang nebenan, der kaum vorhandenen akustischen Unterstützung unsererseits und dem Spielgeschehen insgesamt ordentlich die Nase voll; mit koordiniertem Einklatschen, dem obligatorischen „FUSSBALLCLUB MAGDEBURG!“ und dem einen oder anderen bekannten Gassenhauer ging es in die zweiten 45 Minuten. Krass, wie das sofort wieder funktionierte und noch viel krasser, wie groß der Unterschied ist, den ein Vorsänger für die Kurve dann eben doch machen kann. Auch Haupt- und Gegentribüne waren direkt wieder dabei und so war es fast wie früher, wenngleich natürlich Schwenkfahnen, Trommeln und Megaphon/Mikro immer noch fehlten und man eben improvisieren musste.

Analog zur Stimmung auf den Rängen steigerte sich nun auch die Mannschaft unten auf dem Rasen und ließ Zwickau bis ungefähr 10 Minuten vor Schluss gar nicht mehr zur Entfaltung kommen. Ein Kopfball aus Abseitsposition und ein verdeckter Schuss von Nietfeld in der 68. Minute waren nach dem 1:0 tatsächlich alles, was von den Westsachsen noch in Richtung Leopold Zingerle kam. Ganz anders der FCM: Nach 57 Minuten setzt Jan Löhmannsröben nach einer Ecke einen starken Kopfball, der irgendwie noch von der Linie gewischt wird, in Spielminute 64 ist es Christian Beck, der per Kopf zum Abschluss kommt, Torhüter Brinkies aber direkt erwischt und eher unfreiwillig zu einer weiteren starken Parade zwingt. Zwei Minuten später kombinieren sich Schwede und Kath auf der linken Seite per Doppelpass in Richtung Strafraum, diesmal kommt auch die Flanke und wieder hat der Club Pech im Abschluss und bleibt irgendwo in der Zwickauer Abwehr hängen. Es war zum Haare raufen.

Inzwischen war auch Tarek Chahed für Manuel Farrona Pulido im Spiel, dessen Arbeitstag nach mäßiger Leistung und 64 Minuten vorzeitig beendet war. Taktisch änderte sich dadurch nichts; Chahed spielte nun auf rechts und war 13 Minuten vor Schluss an der nächsten Strafraumszene beteiligt: Christian Beck will den Ball eigentlich vom rechten Flügel in Richtung Tor flanken, bleibt aber hängen, sodass der Pass abgefälscht wird und schließlich bei eben jenem Tarek Chahed landet. Der spielt in die Mitte, findet dort auch einen Abnehmer, aber erneut will der Ball partout nicht gefährlich aufs Zwickauer Tor kommen. Besser macht es Nico Hammann in der 84. Minute. Quasi vom Gästeparkplatz aus hämmert er eine Fackel per Flatterball in Richtung Brinkies, der den Schuss nur zur Ecke wegfausten kann. Ein halber Meter weiter rechts und Nico Hammann hätte vermutlich mit weitem Abstand das Tor des Monats erzielt. Zwei Minuten später ist es erneut Brinkies, der die inzwischen mehr als verdiente blau-weiße Führung vereitelt. Aus dem Gewühl heraus kommt Kath nach schöner Bewegung zum Schuss, der Ball segelt verdeckt von links in die rechte Torecke, Brinkies taucht ab und fischt ihn irgendwie noch mit der Außennaht der Torwarthandschuhe unten aus dem Eck. Bei allem, was an Zwickau nervt: für diese Leistung muss man vor Johannes Brinkies schlicht und ergreifend den Hut ziehen.

Drei Minuten vor dem Ende durften auch Moritz Sprenger und vor allem Michel Niemeyer ihr Pflichtspiel-Comeback geben, sie wurden für Florian Kath bzw. Christopher Handke eingewechselt. Viel passierte dann nicht mehr, wenn man von einer Einlage von Leopold Zingerle, auf die Tim Wiese stolz gewesen wäre, einmal absieht. Im Stile eines Spitzen-Wrestlers kommt Zingerle in Minute 88 aus dem Kasten, segelt am Ball völlig vorbei und erwischt dafür aber in einer Mischung aus Big Splash und Body Slam seinen Zwickauer Gegenspieler. Im Ring als Finishing Move vermutlich ganz passabel, hätte sich die Aktion normalerweise mindestens mal für einen Elfmeterpfiff gelohnt. Weil der aber ausblieb (Riesenglück an dieser Stelle für den Club) und der FCM in der einen (!) Minute Nachspielzeit nach etlichen Unterbrechungen in der zweiten 45 Minuten nicht mehr entscheidend vor das Zwickauer Tor kam, blieb es letzten Endes beim 1:1. Für Zwickau ein dankbarer Punkt auf dem Weg zum Klassenerhalt, für den 1. FC Magdeburg zwei verlorene Zähler mit Blick auf die immer noch ja mögliche Aufstiegs-Option.

Unter dem Strich bleiben zwei grundverschiedene Halbzeiten, bei denen man in der ersten froh sein kann, dass Zwickau nicht in der Lage war, die große blau-weiße Verunsicherung nach dem Gegentor zu nutzen und sich in der zweiten ärgern muss, dass der Ball bei besten Chancen partout nicht ins Tor wollte, obwohl man die bessere Mannschaft war. Aber: legt man die Hinrunde zugrunde, müsste jetzt auswärts in Paderborn eigentlich ein überzeugender Sieg folgen. Und vielleicht, nur vielleicht waren die letzten 45 Minuten gegen Zwickau dafür ja schon eine gute Grundlage. Oder um es mit den Worten unseres Trainers auf der Pressekonferenz nach dem Spiel zu sagen:

„Die zweite Halbzeit war […] insgesamt ein erster Schritt in die richtige Richtung. Und das sollten wir aus dem Spiel mitnehmen und einfach nach vorne schauen.“

Die Pressekonferenz zum Spiel (via YouTube)
Der Sportschau-Bericht zum Spiel

6 Kommentare

  1. Pingback: Erfolgserlebnis gesucht - Nur der FCM!

  2. Pingback: “In Europa kennt Euch keine Sau!” | re: Fußball

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.


*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.