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Helden

1. FC Magdeburg – Hallescher FC, 3. Spieltag, 2-1 (1-1)

Was hat diese Mannschaft für ein Herz! Rückstand im Derby vor 20.912 Zuschauern nach 26 Sekunden, Platzverweis für Ahmed Waseem Razeek nach 17 Minuten und am Ende steht in einem völlig durchdrehenden Heinz-Krügel-Stadion tatsächlich ein 2-1 für die Größten der Welt auf der Anzeigetafel! Verdient oder nicht – vollkommen egal. Der 1. FC Magdeburg feiert den zweiten Heimsieg in Folge und bleibt als Aufsteiger in der 3. Liga auch nach der dritten Partie ungeschlagen. Natürlich ist das nur eine schöne Momentaufnahme und selbstverständlich wird man wohl irgendwann auch mal ein Spiel verlieren. Für den Augenblick aber und angesichts der Tatsache, dass sich diese irre Partie ausgerechnet als Landesderby ereignete, schmeckt dieser Sieg natürlich ganz besonders süß. Und der Hallesche FC? Ziert mit null Punkten aus drei Spielen erst einmal das Tabellenende. Manchmal muss man auch einfach gönnen können.

Der Spieltag begann diesmal ungewöhnlich zeitig: Um 5 Uhr klingelte der Wecker, schließlich sollte die Anreise zum Heinz-Krügel-Stadion an diesem Sonntag etwas mehr als fünf Zugstunden in Anspruch nehmen. Und was soll man sagen? Rückblickend hat sich jede einzelne Minute Fahrzeit sowas von gelohnt.

Bei den Größten der Welt gab es zwei Premieren in der Startelf: Tarek Chahed durfte von Beginn an ran und für den verletzten Michel Niemeyer rutschte Neuzugang André Hainault in die Derby-Startformation. Viel kälter konnte das Wasser ja eigentlich nicht sein, in das er da geworfen wurde. Und ebenjener Hainault stand dann auch gleich mal unmittelbar im Fokus: Mit seiner allerersten Ballaktion verliert er das Spielgerät, der Hallesche FC schafft schnell Überzahl, der 1. FC Magdeburg ist noch vollkommen ungeordnet und zack! steht es nach 26 (!) Sekunden (!!) 0-1. So hatten sich das der Kanadier und der überwiegende Teil der Stadionbesucher mit ziemlicher Sicherheit nicht vorgestellt. Und es wurde ja auch nicht besser:

Nach einer kleinen Rudelbildung auf unserer rechten Angriffsseite sehen sowohl Pfeffer als auch Ahmed Waseem Razeek gelb. 120 Sekunden später holt Razeek den schnellen und stets gefährlichen Osawe in Strafraumnähe von den Beinen und sich selbst für diese Aktion die zweite gelbe Karte ab. Gelb/Rot folglich und die Größten der Welt nun knapp 70 Minuten in Unterzahl. Wenn man an der Entstehung dieser Situation etwas Positives finden möchte, dann vermutlich, dass unser junger Flügelflitzer die zweite gelbe Karte überhaupt nur kassieren kann, weil er (ordentlich) mit nach hinten gearbeitet hat. Und dass man gegen Osawe mal nur hinterher läuft und die Grätsche auspacken muss, werden noch ganz andere Spieler erfahren. Schlichtweg unnötig hingegen war die erste Verwarnung, in der sich der 20jährige vielleicht ein wenig zu sehr von der Atmosphäre anstecken ließ. Verbuchen wir es als Erfahrungspunkt, über den Razeek ja nun erst einmal knapp anderthalb Wochen nachdenken kann.

Was dann im Anschluss an den Platzverweis im Heinz-Krügel-Stadion passierte, erlebt man in seinem Fußballfan-Leben vermutlich nicht allzu häufig. Während der HFC offenbar nicht zwingend daran interessiert war, die Führung gegen die dezimierten Gastgeber mit aller Macht auszubauen, kämpfte sich Blau-Weiß mit einer frenetischen Kurve vor Augen zurück in die Begegnung. Symptomatisch eine Szene in der 29. Minute, in der Tarek Chahed sich auf links in den Strafraum tankt und zu Fall kommt, der Elfmeterpfiff aber (wohl berechtigt) ausbleibt. Symptomatisch ist die Szene nicht wegen des nicht gegebenen Strafstoßes, sondern weil der Club sich trotz der Unterzahl vor das Tor der Gäste arbeitete und bei weitem nicht nur auf die Verteidigung verstieg. Was ja dann in der 34. Minute auch belohnt wurde: Nach einer Standardsituation ist es Christian Beck, der die Kugel aus fünf Metern ins Hallenser Tor wuchtet. Man kann wohl davon ausgehen, dass die Hallenser Innenverteidiger diese Szene im Laufe der Woche noch einige Male vorgeführt bekommen… Natürlich war der Ausgleich in dieser Phase des Spiels vielleicht ein wenig glücklich, aber eben auch nicht vollkommen unverdient.

In der zweiten Halbzeit entwickelte sich dann ein Spiel, bei dem nicht wirklich auffiel, dass der 1. FC Magdeburg in Unterzahl agierte. Fuchs, Chahed und Beck spulten vorn ein enormes Laufpensum ab und hinten in der Abwehr hielten Schiller, Handke, der bärenstarke Nils Butzen, der immer sicherer und souveräner werdende Hainault, Jan Glinker im Tor und ja, auch das nötige Quäntchen Glück den Laden zusammen. Von den davor agierenden Marius Sowislo und Jan Löhmannsröben zeichnete sich vor allem letzterer einmal mehr dadurch aus, dass er sich in jeden Ball warf, unheimlich präsent war, fast immer richtig zum Gegenspieler stand und dann auch noch die Ruhe und Übersicht behielt, nach einem gewonnenen Ball einen klugen ersten Pass zu spielen. Es ist zwar noch sehr früh in der Saison, aber man lehnt sich wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man bereits jetzt in Löhmannsröben eine enorme Verstärkung für unser Spiel erkennt.

Gänsehaut dann, bei mir jedenfalls, in der 74. Minute: Der insgesamt auffällige Chahed geht, Niklas Brandt betritt das Spielfeld und bekommt seine ersten Drittliga-Minuten in dieser Saison. Fast hätte er seinen ersten Einsatz ausgerechnet gegen sein altes Team kurz nach seiner Einwechslung noch mit einem Kopfballtreffer gekrönt, aber auch so hatte er ganz entscheidenden Anteil am Ausgang des Spiels. Nach einem Ballgewinn am eigenen Sechzehner schlägt er einen sensationellen weiten Ball auf Christian Beck, dieser lässt Marco Engelhardt stehen, guckt Fabian Bredlow im Hallenser Tor aus und lässt das Stadion mit seinem Treffer zum 2-1 in der 78. Minute förmlich explodieren.

Um das noch mal deutlich zu machen: Nach 26 Sekunden liegen wir mit 0-1 hinten. Nach 17 Minuten haben wir einen Spieler weniger. Und jetzt führen wir hier mit 2-1. Unsere Nordtribüne und, soweit ich das einschätzen kann, das ganze Stadion drehten nun vollkommen am Rad.

Der Rest des Spiels? Tja, schwer zu sagen. Ich schaute in der Schlussphase gefühlte vier Mal pro Sekunde auf die Anzeigetafel, nur um festzustellen zu müssen, dass für den HFC immer noch genügend Zeit war, irgendwie ein Tor zu erzielen. Etliche Einwürfe, lange Bälle, Zweikämpfe und herausgeschlagene Bälle unsererseits später war es dann soweit: Jan Glinker noch mal mit einem Abschlag und endlich der erlösende Abpfiff.

Solche Derbysiege sind der Stoff, aus dem Helden gemacht werden. Möglich wurde er nur, weil alle bis zum Schluss daran geglaubt haben. Ein Sieg des Kampfes, des Einsatzes, des Willens und der Moral, auch wenn das pathetisch klingen mag. Aber auch das gehört zu einem Derby, genau wie die Erkenntnis, auch in Liga 3 die Nummer Eins im Land zu sein. Als wenn es daran jemals irgendeinen Zweifel gegeben hätte.

Und das mit dem ausgelassenen Jubel nach Spielschluss, Herr Hainault, das kriegen wir auch noch hin.

Nächster Halt: Bremen!

werder

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