Vier Partien, ein Punkt, ein Tor, Tabellenplatz 20 – so die nüchterne Bilanz des 1. FC Magdeburg in der bisherigen Spielzeit. Nicht nur die Zahlen, auch die am TV-Bildschirm und im Stadion gewonnenen Eindrücke belegen, dass der FCM spielerisch deutlich auf der Stelle tritt. Ein klarer Plan, wie die Mannschaft kollektiv und aktiv zu Toren kommen möchte, war auch beim Auftritt in Dresden nicht zu erkennen – trotz anders lautender Aussagen des Sportlichen Leiters und Managers in Personalunion vor der Partie. Was genau läuft aber eigentlich schief beim FCM? Und: Welche Lösungen stünden dem Trainer hypothetisch eigentlich zur Verfügung? @virtualfootball hat sich das Ganze am Beispiel des Dynamo-Spiels mal etwas genauer angeschaut. Eine Taktikanalyse.
Systembedingte Probleme
Das Problem beim Aufbauspiel des FCM ist systembedingt. Der Club tritt meist im flachen 4-4-2 mit zwei zentralen Mittelfeldspielern (Gjasula, Jacobsen) auf. Schaut man jedoch auf die Heatmaps, dann sieht man, dass Gjasula im Offensivspiel meist Libero-artig agiert, indem er sich hinter die Verteidigungskette fallen lässt.
Im zentralen Mittelfeld tritt dann bei jedem Angriff eine „1 gegen 3“-Situation ein: Jacobsen steht frei und wird von gegnerischen Mittelfeld (im Falle von Dresden von Stark, Weihrauch, Will) als Anspielstation ungedeckt gelassen. Im ersten Schritt erfolgt bei uns stets der Pass von Koglin, Müller oder Gjasula auf Jacobsen, da unsere Außenverteidiger ebenfalls zugestellt sind.
Sobald der Ball Jacobsen erreicht, setzt das Pressing von Dynamo ein. Jacobsens offensive Passwege sind dicht; er hat nun zwei Möglichkeiten:
- Dribbling gegen zwei Dynamo-Spieler mit großem Ballverlustrisiko
- Rückpass zu den Innenverteidigern.
Beim FCM wird in 90% der Situationen die zweite Variante gewählt.
Da Dynamo nun im Pressing nachsetzt, sind sowohl die Außenverteidiger, Flügelspieler als auch Jacobsen gedeckt. Dem Club bleibt nur der lange Ball auf die Sturmspitzen, welche in Manndeckung stehen. Ergebnis: Der Ball geht meistens verloren.
Mögliche Reaktion im Spiel
Statt Beck durch Brünker zu ersetzen und das Spielsystem beizubehalten, hätte man das zentrale Mittelfeld stärken sollen. Dafür wäre es eine Möglichkeit gewesen, Bertram ins offensive Mittelfeld zurückzuziehen oder ihn als ‚falsche 9‘ aufzubieten. Andererseits hätte man ihn auch frühzeitig durch Jakubiak ersetzen können, damit dieser als zentraler offensiver Mittelfeldspieler auftritt.
Weiterhin hätte man entweder Koglin oder Gjasula auswechseln müssen, um dann mit beispielsweise Andreas Müller eine weitere Option im Zentrum anzubieten. Systematisch wäre dann mit der Kombination Bertram/Jakubiak ein 4-4-1-1 und mit Jakubiak/Müller ein 4-3-3 bzw. 4-2-3-1 möglich gewesen, um dem Pressing von Dynamo entgegenzuwirken.
Mögliche Lösung für das Magdeburger Aufbauspiel
Eine mögliche Lösung für zukünftige Partien wäre, grundlegend auf eines der drei folgenden Systeme umzustellen, um im Zentrum eine „3 gegen 3“-Situation zu kreieren:
- 4-3-3
- 4-2-3-1
- 3-5-2
Wir nehmen der Einfachheit halber mal das letzte Spiel als Beispiel und Grundlage, gehen aber davon aus, dass Adrian Malachowski anstelle von Andreas Müller und Luka Sliskovic für Sebastian Jakubiak auf dem Platz steht.
Spielt man, wie im folgenden Schema dargestellt, nun den Ball zu Malachowski, so bieten sich im zentralen Mittelfeld zwei weitere Passoptionen; bei einem Dribbling seinerseits geht er ins Eins gegen Eins.
Dynamo hätte wieder zwei Optionen:
- Sie ziehen einen der Außenverteidiger zur Mitte hin, wodurch sich Räume für die schnellen Flügelstürmer bieten.
- Sie lassen es im Zentrum darauf ankommen, dann entscheidet die individuelle Klasse. Im dargestellten System lassen sich jedoch sehr gut offensive Passdreiecke bilden, wodurch Lücken gerissen werden. Bei einer Passstaffette Malachowski – Jacobsen – Sliskovic ist die Chance relativ hoch, dass man letzteren mit Tempo auf die Verteidigung dribbeln lassen kann.
Trotzdem man nun einen Stürmer weniger auf dem Feld hat, kann Dynamo keinen Verteidiger nach vorne ziehen, da sie somit eine Lücke in die Viererkette reißen würden. Beck bindet also alleine Mai/Ehlers.
Fazit
Die gute Nachricht ist: es gäbe durchaus Möglichkeiten, mit diesem Kader und trotz der zwischenzeitlich doch eher angespannten personellen Lage zumindest zu versuchen, spielerisch Akzente zu setzen. Die schlechte Nachricht ist: Es passiert einfach nicht, aus welchen Gründen auch immer. Und während es zwar eine mannschaftsinterne Aussprache gab, scheinen sich zwischen der Spielidee des Trainers und den Vorstellungen des einen oder anderen Spielers doch einige Unterschiede aufzutun. So lässt sich Sören Bertram in einem Sportbuzzer-Artikel im Nachgang der Dresden-Partie folgendermaßen zitieren:
„Wir müssen wieder aktiv Fußball spielen, mehr auf Ballbesitz setzen“, forderte der 29-Jährige. „Wenn wir uns nur hinten einbunkern und immer nur versuchen, die Null zu halten, wird es irgendwann schwer. Defensiv gut zu stehen ist die Basis in der 3. Liga. Wenn man die Bälle aber nach gefühlten zwei Sekunden wieder verliert und immer nur hinterherläuft, dann ist es vom Kopf auch irgendwann schwer.“ (Sören Bertram im „Sportbuzzer“)
Es bleibt also weiterhin spannend beim 1. FC Magdeburg …
Beitragsbild: „Zeichnung verdeutlicht Fußball-Taktik“ von Marco Verch via Flickr | Lizenz: CC BY 2.0
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