1. FC Magdeburg – VfR Aalen, 29. Spieltag, 6:1 (3:1)
Endlich mal (fast) jede sich bietende Torchance auch für einen Treffer genutzt. Endlich mal so richtig nachgelegt und nicht einfach nur den Vorsprung verwaltet, obwohl der Gegner insgesamt nicht sonderlich gefährlich wirkte und man sich vermutlich einfach auch ganz gut hinten hätte reinstellen können. Endlich mal wieder zuhause einen richtig zünftigen Kantersieg gelandet – wann gab es das eigentlich zuletzt? Doch, mit dem Auftritt der Größten der Welt an diesem 29. Spieltag gegen den VfR Aalen kann man, nein, muss man rundum zufrieden sein. Und ganz abgesehen vom wohltuenden Sieg für das Selbstvertrauen war dieses 6:1 mal ein richtig dickes Ausrufezeichen in Richtung der Aufstiegskampf-Konkurrenz, die ihre Spiele am Vortag allesamt gewonnen hatte. So, meine Damen und Herren, geht man mit einer ordentlichen Portion Druck um.
Während die Fanszene dieser Tage – mal wieder, muss man sagen, und das völlig zu Recht – die Frage des Stadionumbaus bewegt, war auf dem Rasen von Ablenkung, fehlendem Fokus oder übermäßigem Druck mal so überhaupt gar nichts zu spüren. In exakt der gleichen Formation wie in Paderborn unterwegs, legte Blau-Weiß los wie die Feuerwehr und kam bereits nach 4 Minuten zur viel umjubelten 1:0-Führung. Florian Pick, der zum zweiten Mal in Folge (genau wie Andre Hainault) von Beginn an ran durfte, hatte Christian Beck von der linken Seite aus mit einer überragenden Flanke bedient, die der Torjäger direkt nahm, den Ball perfekt traf und selbigen entgegen der Laufrichtung von Aalens Keeper Bernhardt links ins Tor bugsierte. Was für ein Auftakt! Noch dazu gleich der erste Schuss ein Treffer, so durfte es sehr, sehr gern weitergehen.
Und das tat es auch. Aalen kam zwar nach sieben Minuten zu einem Abschluss aus der Distanz, den Luca Schnellbacher knapp über das Tor setzte, aber nur fünf Minuten später klingelte es erneut auf der anderen Seite. Ecke von links, in der Mitte steigt Andre Hainault am höchsten, per Kopf bugsiert er das Spielgerät aus zentraler Position in die Maschen. Man mochte seinen Augen kaum trauen, aber auf der Anzeigetafel stand nach schlanken 12 Minuten tatsächlich ein 2:0. Wahnsinn! Dass ausgerechnet Hainault den Treffer erzielte, ist dabei ja eigentlich fast schon eine Geschichte für sich. Ewig verletzt, am Dienstag urplötzlich in der Startelf, Bombenspiel beim Tabellenführer und jetzt als erneuter Abwehrchef die Führung ausgebaut. Solche Geschichten… Ihr wisst schon. Naja, und weil aller guten Dinge nun mal drei sind, legte Philip Türpitz mit einem direkt verwandelten Freistoß aus vielleicht 19 Metern links zentral vor dem Tor in Spielminute 13 mal eben die nächste Bude nach. Irre.
Nach diesem unfassbaren Auftakt passierte ungefähr 10 Minuten lang erst einmal herzlich wenig. Beim Club war bis dahin quasi jeder Schuss ein Treffer, während Aalen verständlicherweise seine liebe Not hatte, sich überhaupt erst einmal wieder zu orientieren und irgendwie Sicherheit und Struktur ins eigene Spiel zu bringen. Dann aber (und eigentlich aus dem Nichts) der Anschlusstreffer durch Luca Schnellbacher. Über Aalens rechte Offensivseite wird der Ball hoch in den Magdeburger Strafraum gespielt und die Mitte geklärt. Von der Strafraumkante startet Schnellbacher und nagelt den Ball sehenswert und für Jan Glinker nicht haltbar unter die Latte.
„Nur“ 3:1 jetzt also noch. Wer nun allerdings glaubte, dass Aalen noch mal Morgenluft schnuppern durfte, wurde von einem insgesamt einfach unheimlich souveränen 1. FC Magdeburg eines Besseren belehrt. Klar, die Gäste hatten jetzt phasenweise mehr Ballbesitz, wussten damit aber erstens wenig anzufangen und liefen zweitens immer wieder in gute Konter der Hausherren. Besonders auffällig diesmal: Die linke Seite mit einem Tobias Schwede, der seit Wochen in bestechender Form ist und einem Florian Pick, der schon mit seinem zweiten Spiel über 90 Minuten dafür sorgte, dass Michel Niemeyer wohl weniger schmerzlich vermisst wird, als man denken könnte. Exemplarisch vielleicht eine Szene aus der 30. Minute. Schwede behauptet auf der linken Seite in Höhe der Mittellinie trickreich den Ball, marschiert noch ein, zwei Schritte und bedient dann den sehr beweglichen Pick, der bis zur Grundlinie durchlaufen und flach in die Mitte spielen kann. Dort verpassen zwar gleich 3 Spieler die Möglichkeit, auf 4:1 zu stellen, trotzdem steht der Spielzug stellvertretend für einige gute Situationen, die sich die Größten der Welt im Verlauf der ersten Halbzeit erarbeiten konnten.
Von Aalen war offensiv gar nichts zu sehen; wenn es mal gefährlich wurde, dann höchstens durch Fernschüsse (z.B. 33., leichte Beute für Glinker) oder Standardsituationen, die in einer solchen Begegnung nun mal vorkommen können. So wurde in Spielminute 40 ein Freistoß nach Foul an Preißinger ins Toraus geköpft und produzierte Christopher Handke (kam bereits in der 11. Minute für Felix Schiller) nach 44 Minuten eher ohne Not eine Ecke, indem er einen langen Freistoß sicherheitshalber selbst ins Aus köpfte, statt den Ball einfach so neben dem Tor über die Linie gehen zu lassen. Sowohl dieser ruhende Ball als auch ein weiterer Freistoß kurz vor dem Pausentee und zentral vor dem Tor blieben aus Aalener Sicht aber ohne Ertrag. Beim Club hatte man derweil einen Gang zurückgeschaltet und kam zwar noch einige Male in Tornähe, konnte den eigenen Vorsprung aber nicht weiter ausbauen. Die vielleicht beste Möglichkeit hatte Nils Butzen nach 43 Minuten, als er von Florian Pick nach schönem Dribbling auf der rechten Seite stark eingesetzt wird, den Ball mit seiner Direktabnahme aber mit Schmackes fast aufs Stadiondach befördert. Sei es drum – der pünktliche Pausenpfiff von Schiedsrichter Christof Wünsch beendete eine insgesamt bockstarke erste Hälfte, in der man eigentlich nie das Gefühl hatte, der FCM würde sich diesen Vorsprung noch aus der Hand nehmen lassen.
Bevor es dann im zweiten Durchgang mit phasenweisem Zauberfußball á la FCM weiterging, blickte das Publikum während der Pause erst einmal in die hässliche Fratze des so genannten Fußballgeschäfts – und damit sind explizit nicht die Gesichter derjenigen Clubfans gemeint, deren Geburtstagsgrüße an Christian Beck über die Stadionleinwand flimmerten. Gemeint ist vielmehr das Arrangement an sich – eine Wand im Stadionumlauf, vor der eine Kamera steht, vor die wiederum sich die geneigte Stadiongängerin oder der geneigte Stadiongänger stellen kann, um irgendwelche Grüße ins weite Rund zu schicken. So zu sehen auch in Who-Cares-Arena XY an Bundesliga-Standort Z und nach meinem Dafürhalten ungefähr das letzte, was wir in Magdeburg noch gebraucht haben, um das Stadionerlebnis rund zu machen. Aber hey, Hauptsache Entertainment. Und da das Ding offenbar auch ganz gut angenommen wurde, wird sich sicherlich niemand wundern, wenn demnächst mal irgendein schlauer Mensch mit einem richtig knorken Maskottchen-Entwurf um die Ecke kommt. Wo kämen wir denn schließlich hin, wenn der Besuch eines Clubspiels in Zeiten der alternativlosen Gewinnoptimierung noch ein einzigartiges, nicht austauschbares, authentisches Erlebnis wäre? Vielleicht sind das aber auch alles nur DFB-Auflagen, wer weiß das in Zeiten wie diesen schon so genau…
Zurück zum Sportlichen, und da ist die Geschichte der zweiten 45 Minuten eigentlich recht schnell erzählt, wenngleich das Geschehen insbesondere in der Schlussphase noch mit so einigen großartigen Augenblicken aufwartete. Zunächst verpasste Christian Beck in der 47. Minute das 4:1, danach passierte bis zur 60. Minute erst einmal herzlich wenig. Aalen hatte zwar jetzt so ein bisschen die eigene linke Seite für sich entdeckt und versuchte es nun häufiger über Matthias Morys, allerdings hatte der mit Nils Butzen einen hervorragenden Bewacher, der ihn überwiegend an der sehr kurzen Leine hielt. Immerhin reichte es bei Morys für eine gelbe Karte wegen entnervten Meckerns (53.), was für den Verteidiger vermutlich dem Bienchen im Hausaufgabenheft verdächtig nahe kommt.
Eine Stunde war gespielt, als sich beim Club so langsam ein paar Unachtsamkeiten einschlichen. Erst rutschte Jan Glinker ein Freistoß völlig ab, dann verlängerte Christopher Handke selbigen auch noch direkt in die Füße des Gegners, was allerdings folgenlos blieb. Selbiger Handke stand nur zwei Szenen später bei einem Einwurf im Magdeburger Angriffsdrittel im Feld – der Ball ging an Aalen, beim Basketball würde man von einem reichlich unnötigen Turnover sprechen. Auch insgesamt stand der FCM nun sehr tief und ließ Aalen erst einmal spielen; Entlastung in Richtung Offensive gab es nur gelegentlich. Wie schon erwähnt, wusste der VfR Aalen den Raum zwar im Prinzip gar nicht zu nutzen – auf ein 2:3 anlegen musste man es aber eigentlich auch nicht unbedingt…
Nach 69 Minuten war der Arbeitstag für Philip Türpitz beendet, für ihn kam Marcel Costly in die Partie. Ob es ausgerechnet an diesem Wechsel lag, dass der 1. FC Magdeburg nun noch einmal ordentlich am Rad zu drehen begann, ist schwer zu sagen. Fakt ist, dass die letzten 20 Minuten der Begegnung die vielleicht besten waren, die wir in dieser Spielzeit von unserer Mannschaft zu sehen bekamen.
Los ging die Party in Spielminute 73. Richard Weil mit dem doppelten Doppelpass, zunächst mit Christopher Handke, dann mit Christian Beck (ganz stark mit dem Kopf) und dem schnörkellosen Schuss in den linken Winkel. 4:1, das Ding war durch. Was für ein unglaublich geiles Tor von Weil, der sich damit für seine bisher sehr ordentlichen Leistungen im Jahr 2018 nach dem Treffer in Paderborn ein zweites Mal belohnen konnte und was für ein grandioser Spielzug ingesamt! Drei Minuten später machte sich an der Seitenlinie Julius Düker zur Einwechslung bereit, Christian Beck verließ für ihn den Platz. Auch das durchaus ein Fingerzeig von Jens Härtel, der mit Marius Sowislo vielleicht auch defensiver hätte wechseln und einfach das Ergebnis sichern können. Stattdessen gab es frisches Blut für die Offensive – und zwei weitere Tore für die Größten der Welt.
In der 82. Minute ist erneut Richard Weil, der einen Magdeburger Angriff einleiten kann – ihm zuzuschauen, macht derzeit schon sehr, sehr viel Spaß. Auf der linken Seite nimmt er Tobias Schwede mit, der flach in die Mitte spielen kann und dort in Björn Rother einen dankbaren Abnehmer findet. Technisch anspruchsvoll nimmt er den Ball direkt und kann zum 5:1 einnetzen. Den Schlusspunkt setzte schließlich Marcel Costly: Ein langer Schwede-Freistoß wird von Julius Düker im Strafraum auf Andre Hainault verlängert, der für den Winterneuzugang aus Mainz auflegt. Costly fackelt nicht lange und haut den Ball an einem Tag, an dem einfach alles ging, mit ordentlichen Dampf links ins Tor.
Tja, und wenn Daniel Bernhardt im Aalener Kasten den allerletzten Abschluss des Spiels von Julius Düker, der von Daniel Stanese noch gefährlich abgefälscht wurde, nicht so überragend gehalten hätte, hätte der Sieg sogar noch ein Tor höher ausfallen können. So aber blieb es beim 6:1 für die Größten der Welt und damit dem höchsten Sieg der bisherigen Saison. Und klar, wenn man das Spiel jetzt noch einmal unter das Mikroskop legen würde, fände man sicher die eine oder andere Situation, die man cleverer hätte lösen und den einen oder anderen Pass, den man besser hätte spielen können. Aber ganz ehrlich? Die Mannschaft hat in einem wichtigen Spiel mit gehörig Druck mal richtig einen rausgehauen, es haben sich sechs verschiedene Spieler in die Torschützenliste eingetragen und der weit überwiegende Teil der 17.136 Stadionbesucher*innen ist mit einem dicken Grinsen im Gesicht wieder nach Hause gefahren. An Nachmittagen wie diesen darf es dann auch einfach mal gar nichts zu meckern geben. Und am Samstag in Jena? Da geht es dann beim Stand von 0:0 wieder ganz von vorne los.
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