Müsste man für das Spiel gegen Freiburgs Zweitvertretung eine Überschrift finden, könnte die gut und gerne einfach nur „Die Rückkehr“ lauten, schließlich versprach das erste Heimspiel der noch jungen Saison erstmals seit Februar 2020 wieder ordentlich volle Ränge und dementsprechende Stimmung. Endlich wieder HKS, endlich wieder Nordtribüne, endlich wieder brachialer Support und eine gewisse Euphorie war ja nach dem Auftaktsieg in Mannheim auch nicht von der Hand zu weisen. Es war also alles angerichtet für einen großartigen Fußballnachmittag, den wir ein weiteres Mal aus gänzlich unterschiedlichen Perspektiven erlebt haben.
Meine Erwartungen vor der Partie:
Nicole:
Ich erhoffte mir weiterhin ein Offensivfeuerwerk unseres Angriffs. Auch, weil seit langem wieder Clubfans im Stadion waren. Doch andererseits befürchtete ich, dass die Spieler dieser Kulisse nicht gewachsen waren.
Zudem wünschte ich mir für alle Anwesenden vor Ort ein schönes Fußballfest mit allem Drum und Dran. Bratwurst, Bier, Fangesänge, hüpfen, Tore, Jubel, in den Armen liegen, feiern, Freunde treffen, brüllen, Szenenapplaus etc. pp. Das sind ganz schön viele Erwartungen, doch am Ende hatte, glaube ich, jeder etwas davon abbekommen. Nur der Jubel nach einem Tor, dieses kollektive Ausflippen, das heben wir uns wohl für die nächste Begegnung auf.
Auf das Spiel bezogen hoffte ich zudem, dass wir das Abwehrbollwerk Freiburg II knacken würden. Nach den Beobachtungen ihrer letzten Partie hatten sie schon gegen Wiesbaden Pfostenglück gehabt. Heute stand zudem ein junger Keeper im Tor und natürlich, wie sollte es anders sein, machte er ausgerechnet gegen uns, in seinem allerersten Profispiel, das Spiel seines Lebens.
Alex:
Ich war in allererster Linie aufgeregt und hibbelig ob der Rückkehr auf die Nordtribüne nach so langer Zeit. Mein letztes Heimspiel auf der Nord war tatsächlich das 1:1 gegen Chemnitz am 24. Spieltag der Saison 2019/2020 und natürlich war das alles schon wieder viel zu lange her.
In sportlicher Hinsicht ging ich felsenfest davon aus, dass wir dieses Spiel gewinnen würden. Vor der zu erwartenden Kulisse, im ersten Heimspiel der Saison und dann noch gegen einen Aufsteiger war für mich gar kein anderes Ergebnis denkbar. Aber, auch da bin ich ganz ehrlich: das Sportliche stand für mich an diesem zweiten Spieltag eindeutig nicht im Vordergrund.
So habe ich das Spiel verfolgt:
Nicole:
Im Urlaub vor dem TV und dem Liveticker in der Hand. Ich merkte, dass mir das Tippen fehlte. Meine Familie war zwischenzeitlich von meinem Mitfiebern wirklich genervt. Beim Tickern kann ich dann doch viel mehr meine Aufregung kompensieren. Ich schob unsere Spieler an, ich machte den Kopfball mit, zeigte ihnen (völlig unnötig) den Laufweg und hoffte einfach, dass dieser Ball endlich mal die Maschen des Innennetzes berührte.
Es sollte nicht sein. Der fällige Elfmeter war umjubelt, das Scheitern ließ uns kollektiv aufs Sofa zurücksinken. Ich munterte Atik aus der Ferne auf, sah, wie die Schultern hingen und dieses Hadern im Gesicht. Aber irgendwie sollte es nicht sein. Wie ich schon geschrieben hatte, machte uns der 18-jährige Niklas Sauter im Tor der Freiburger einen Strich durch die Rechnung. Wie er auch den Schuss von Andreas Müller in der zweiten Hälfte aus dem Tor kratzte. Wie ging das bitte? Als dann auch noch der sicher geglaubte Kopfball von Sissi Conteh auf der Linie geklärt wurde, war mir irgendwie klar, dass sich Freiburg zum nächsten Punkt verteidigte.
Nach dem Spiel schwang dann zwischen dem Gänsehautfeeling des Beginns und der tollen Stimmung, die durch die TV-Lautsprecher kam, doch ein wenig Enttäuschung mit. Ich konnte es nicht abstellen, obwohl wir kein Gegentor gefangen und dennoch einen Punkt mitgenommen hatten.
Alex:
Hinter einem Wellenbrecher auf der Nordtribüne, gemeinsam mit den Jungs aus dem Fanclub, zwischen all den bekannten Gesichtern, mit dicker Erpelpelle fast das komplette Spiel über und bereits nach 10 Minuten kolossal heiser. Das war schon echt wie nach Hause kommen, was für ein großartiges Gefühl! Und auch kurios, wie man sich als erwachsener Mann immer noch wahnsinnig darauf freuen kann, vom Vorsängerpodest aus angebrüllt zu werden. Irre, aber auch das hatte ich tatsächlich vermisst.
Während es auf den Rängen 90 Minuten lang ordentlich schepperte, bot der 1. FC Magdeburg unten auf dem Rasen abermals eine ziemlich dominante Vorstellung. Ärgerlich natürlich, dass Baris Atik den Elfmeter gleich in der Anfangsphase vergab und dass sich die Mannschaft für einen insgesamt starken Auftritt nicht mit einem Treffer belohnen konnte. Aber naja, es gibt manchmal so Spiele, da wirkt das Tor wie vernagelt. Dieses war so eins, vergessen darf man aber auch nicht (und da bin ich bei Nicole), dass der Freiburger Keeper einen absoluten Sahnetag erwischt hatte und die eine oder andere gute Gelegenheit stark entschärfen konnte.
Auffällig fand ich, dass Atik in der zweiten Halbzeit von der Freiburger Defensive doch ziemlich gut abgemeldet war. Wenn ich das richtig gesehen habe, hat ihn einfach jemand in Manndeckung genommen, damit seinen Bewegungsradius ordentlich eingeschränkt und ihn gut aus dem Spiel genommen. Das ist natürlich eine Sache, an der das Trainerteam im Verlauf der Saison wird arbeiten müssen: Wenn Baris Atik mal nicht so aufdrehen kann, wie wir es von ihm gewohnt sind, müsste jemand anders zumindest ansatzweise in die Spielmacher-Bresche springen oder die Mannschaft es im Kollektiv richten. Ist jetzt natürlich so ein bisschen Jammern auf hohem Niveau, klar, die spielerische Leistung war schließlich auch ohne Atik als permanentem Dreh- und Angelpunkt in der Offensive absolut okay. Trotzdem spannend, wie die Tagesform eines einzigen Akteurs auf dem Rasen so klare Auswirkungen auf die Spielanlage der gesamten Mannschaft haben kann. Hatten wir in dieser deutlichen Form in Magdeburg schon länger nicht mehr, was in gewisser Weise ja auch für die Qualität von Baris Atik spricht.
Der auffälligste Spieler:
Nicole:
War, wenn auch auf Freiburgs Seite, eindeutig Torwart Niklas Sauter. Er überstach alle anderen Akteure auf dem Platz. Wie man als 18jähriger in seinem ersten Profispiel vor solch einer Kulisse so ein Spiel abliefern kann … Chapeau. Ich glaube, er muss sich noch ein paarmal kneifen, um es zu begreifen. Oder er schaut sich einfach dieses Spiel nochmal im Re-Live an.
Auf unserer Seite möchte ich mich bei dem heutigen Spiel auf Raphael Obermair festlegen. Neben Amara Condé war er heute derjenige, der unglaubliche Bälle heruntergeholt (eher aus der Luft gepflückt) und weitergeleitet hat. Er hat sich zu einem Stammspieler etabliert, der nicht mehr wegzudenken ist. Bitte packt mir den Raphael schön in Watte. Aber kurz dahinter kommt schon Amara Condé, der auch in diesem Spiel wieder gezeigt hat, dass er richtig Bock auf diese Liga hat. Allein die Szene, in der er gleich vier Gegenspieler regelrecht „vernascht“ hat. Das haben wir mit einem extra Applaus bedacht.
Alex:
Für mich in diesem Spiel Andreas Müller. Ich glaube, es gab nicht einen Angriff aus einem geordneten Spielaufbau heraus, der nicht bei Müller seinen Ausgangspunkt nahm. Ganz, ganz stark, was der Junge in dem Alter schon spielt, wie souverän er aus der Abwehr heraus dirigiert, was für ein Auge er immer wieder beweist und wie er einfach ein sehr, sehr verlässlicher Anker in der Defensive bzw. dem defensiven Mittelfeld ist. Beeindruckend!
Die Partie in maximal fünf Worten:
Nicole:
Hammer Gänsehautfeeling im Wohnzimmer HKS.
Alex:
„Schieß‘ ein Tor, Club!“
Das bleibt in Erinnerung:
Nicole:
Das erste Heimspiel vor knapp 14.000 Zuschauern im heimischen HKS. Ich vor dem Fernseher mit Gänsehaut und Tränen in den Augen, als die Schalparade kam und dann das lautstarke „Fussballclub Magdeburg“ eingeklatscht wurde. Und plötzlich war nach 20 Minuten alles wieder „normal“. Die Gesänge waren da, als ob sie niemals fortgewesen waren. Man setzte dort an, wo man vor so langer Zeit aufgehört hatte. Es war, als ob man seinen besten Freund nach Jahren wiedersieht und es hat sich nichts verändert. Das Gefühl ist wieder entbrannt.
Dennoch glaube ich, dass die Spieler von dieser Stimmung ganz schön geflasht waren. Der Ruf eilte uns voraus, sie hörten es wieder und wieder und dann standen sie da auf dem Platz und wurden von einer Welle mitgesogen. Sie wollten es schön machen, die Stimmung vergolden und machten dadurch minimale Fehler. Hey – es sei ihnen verziehen. Beim nächsten Spiel schwimmen sie bestimmt auf dieser Welle mit. So hoffen wir alle.
Alex:
Ich habe echt vergessen, wie anstrengend so eine Tour ist. War das früher auch schon so und egal, werde ich schlichtweg alt oder habe ich diese Dinge einfach nur verdrängt? Ich bin jedenfalls nach insgesamt knapp 800 km Autobahn, unzähligen Eindrücken vor Ort, freudigen Wiedersehen, erstmaligen Treffen, einem sehr unterhaltsamen Fußballspiel und einer gut aufgelegten Nordtribüne abends komplett fertig, dafür aber glücklich und völlig zufrieden ins Bett und einen komatösen Schlaf gefallen. Auch das ist ja irgendwie Fußball, und am besten ist er immer dann, wenn er wirklich körperlich erfahrbar wird. Schön, dass das an diesem zweiten Spieltag alles so möglich war und hoffen wir, dass wir diese Gelegenheiten noch sehr, sehr oft bekommen werden.
Weiter geht’s nun im DFB-Pokal gegen den FC St. Pauli und wir dürfen nach den ersten Eindrücken der noch jungen Saison wohl alle gespannt sein auf diese Partie, in der ich den 1. FC Magdeburg alles andere als chancenlos sehe. Fühlt sich gut an, diese Abwesenheit von Hoffnungslosigkeit, diese Vorfreude auf das nächste Spiel (auch wenn ich es wohl maximal am Fernseher werde verfolgen können) und diese Lust daran, dem 1. FC Magdeburg beim Fußballspielen zuzuschauen. Doch, das darf gern, sehr gern so weitergehen.
Das Foto des Spieltags: