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Ein Spiel, zwei Perspektiven: FC St. Pauli (H)

Conteh im Pokal gegen St. Pauli

Tja, da ist er für den 1. FC Magdeburg auch schon wieder vorbei, der DFB-Pokal-Wettbewerb 2021/2022. Und das ist ärgerlich, machte der Club doch ein hervorragendes Spiel, was sich nicht zuletzt auch in vollkommen irren Statistiken äußerte. Den entscheidenden Treffer mehr erzielten allerdings die Gäste vom Millerntor und das ist eben die eine Kategorie im Fußball, auf die es letzten Endes ankommt. Dennoch muss man beiden Mannschaften danken, und zwar für ein großartiges Spektakel, das zumindest Magdeburg-seitig richtig viel Lust macht auf die nächsten Partien und den weiteren Saisonverlauf.

Meine Erwartungen vor der Partie:

Nicole:

Ich erwartete einen Pokalfight. So gut, wie sich unsere Mannschaft bisher in der Liga präsentierte, haben wir selbst gegen einen Zweitligisten eine Chance. Dennoch waren meine Hoffnungen eher der mageren Art. Zu sehr sind mir die knappen Pokalniederlagen u.a. gegen Darmstadt im Gedächtnis. Wir sollten uns aber so teuer wie möglich verkaufen. Das war mein Wunsch. Und meine Erwartungen an mein erstes Heimspiel mit Fans im Stadion waren natürlich außerordentlich groß. Ich hoffte auf diese stimmgewaltige Wucht und dass sich dies auf den Rasen auswirkt und noch ein paar Prozentpunkte mehr herausholt.

Alex:

Nach dem Gespräch mit Yannick von MillernTon in Podcast-Folge 216 erwartete ich zwei Mannschaften, die offensiv denken und freute mich dementsprechend auf ein unterhaltsames Spiel, das im besten Fall sogar auf Augenhöhe stattfindet. Und was soll ich sagen? Ich wurde nicht enttäuscht. Mit einem Weiterkommen im Pokal rechnete ich derweil nicht wirklich, wenn ich ehrlich bin, hätte mich gegen die nächste Runde aber natürlich auch nicht gewehrt.

So habe ich das Spiel verfolgt:

Nicole:

Dieses Mal und zum ersten Mal in dieser Saison im heimischen Stadion. Oh, was freute ich mich darauf! Die Rückfahrt aus dem Dänemarkurlaub war minutiös geplant, sodass ich Stoßgebete an den Verkehrswächter sandte, dass die Straßen frei waren. Pünktlich rollten wir in Magdeburg ein, da waren die Straßen schon dicht. Schnell auf das Fahrrad umgesattelt, ging es im Eiltempo zum Stadion. Danach dann der normale Ablauf. Ticker vorbereiten und ab in den Hexenkessel.

Boah, wie habe ich das vermisst. Diese Gesänge bereits vor Anpfiff, die hin und her geschmettert wurden. Dann die Choreografie, die Anfeuerungsrufe und die grandiose Unterstützung von den Rängen. Das Spiel war zudem ein Chancenfeuerwerk par excellence. Ich kam mit unseren Chancen gar nicht hinterher und musste dennoch gleich zu Beginn einen Gegentreffer tickern. Als dann der Ausgleich durch Sirlord Conteh fiel, rastete das ganze Stadion förmlich aus. Und ich freute mich wie ein Krümelkeks mit ihm. Er wollte dieses Tor gegen seinen Ex-Verein und er machte ihn endlich rein. Was tat uns das allen gut!

Der Ausgleich und alles war wieder offen. Die Chancen wollten nicht enden. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah, denn es gab nicht eine Minute, in der ich mal durchschnaufen konnte. Meine Finger flogen über die Tastatur, es gab so unglaublich viel zu berichten.
Der nächste Rückschlag kurz vor der Halbzeit war so unverdient. Da hatten wir schon 19 zu 7 Torschüsse. Sachlich gesehen machten wir uns also das Leben selbst schwer. Kurz nach Wiederanpfiff machten wir einfach so weiter und alle Fans hatten richtig Spaß am Spiel. Das ganze Stadion kochte und Sissi machte dann ganz abgekocht das zweite Tor und brachte uns erneut zurück in die Partie. Doch der Nackenschlag durch Burgstaller kam prompt.

Ich weiß gar nicht, wie man dieses Spiel beschreiben kann. 41 Torschüsse am Ende, 20 Ecken und 62% Ballbesitz sprechen einfach für sich. Das muss ich dann einfach so stehenlassen. Wir waren einfach nicht effizient genug.

Alex:

Zu Hause vor dem Fernseher (danke noch mal, Mario!) im übelsten Entertainmentmodus, richtig klassisch mit Pizza vom Lieferdienst und einem kühlen Radler. Ich dachte mir so: „Wenn ich schon nicht im Stadion sein kann, kann ich es mir auch mal richtig dreckig geben.“

Das Spiel begann dann gleich ziemlich ernüchternd mit dem Tor von Burgstaller, das katastrophal verteidigt war. Schon faszinierend, dass es vier FCM-Akteure nicht schafften, den gegnerischen Spieler im Strafraum vom Ball zu trennen. Super ärgerlich natürlich, interessanterweise tat der Gegentreffer dem Spiel der Größten der Welt aber keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Das war insgesamt schon einfach beeindruckend, wie der 1. FC Magdeburg Fußball spielte und sich dann in Person von Sirlord Conteh  auch mit dem Ausgleich belohnte. Auf der anderen Seite: brutale Effektivität und nur neun Minuten nach dem Ausgleich direkt wieder der Rückstand, den unsere Nummer 17 aber in der 54. Minute erneut ausgleichen konnte. Ich glaube, das Spiel hatte echt das Potential für ein Tennis-Ergebnis, das war schon wirklich irgendwie wild, insbesondere, wenn man sich die von Nicole schon angesprochene Chancenflut noch mal vor Augen führt …

Weniger schön war indes irgendwann in Halbzeit 2 die (meiner Meinung nach) klare Tätlichkeit von Alexander Bittroff gegen Kyereh, für die er an sich glatt rot sehen muss. Solche Aktionen ärgern mich wirklich und da ist es mir auch egal, ob es sich beim Übeltäter um einen Spieler meiner oder der gegnerischen Mannschaft handelt. So etwas hat auf dem Fußballplatz einfach nichts verloren.

Riesenglück für uns also, dass wir die Partiel mit elf Spielern auf dem Platz beenden durften. Hinten raus wurde es dann wieder so ein klassisches Ding zum Fingernägel kauen, irgendwie beschlich mich aber so um die 70. Minute herum das Gefühl, dass wir hier heute wohl keine weiteren Treffen mehr erzielen würden. Sicherlich ist das auch eine erste Erkenntnis der noch sehr jungen Saison: Wir spielen einen tollen Ball, es fehlt aber einfach (noch) die Effektivität vor dem Tor bzw. die entsprechen Durchschlagskraft. Problematisch finde ich das noch nicht, weil ich schon glaube, dass sich das in den nächsten Spielen noch entwickeln kann. Außerdem schien das ja in der Kaderplanung auch so ein bisschen eingepreist zu sein, indem junge Akteure verpflichtet wurden, die eben in der dritten Liga ihre Qualität erst noch nachweisen müssen und bei uns den berühmten nächsten Schritt machen sollen. Oder anders: Hätte man eine komplett fertige Offensive haben wollen mit Spielern, die Dir 10-12 Tore in der Saison garantieren, hätte man die vermutlich verpflichtet. So ist das im Moment alles große Spektakel mit viel Aufwand, aber eben noch wenig Ertrag. Aber wie gesagt: Ich glaube, das wird schon noch.

Der auffälligste Spieler:

Nicole:

Dieses Mal komme ich an Baris Atik nicht vorbei. Auch Sissi Conteh ist da auf einer Stufe, aber was Atik gegen St. Pauli abgeliefert hat, obwohl ich ihn schon fast mit gelb-rot vom Platz hab fliegen sehen, das war sagenhaft. Er hatte Torchancen, er legte für andere auf, er schoss die Ecken, machte die Freistöße, hatte die meisten Ballkontakte. Er war einfach überall und setzte dennoch seine Mitspieler einfach gut in Szene. Von daher liegt er einen My vor Sissi Conteh.

Alex:

Für mich kann das in diesem Spiel eigentlich nur Sirlord Conteh sein, wenngleich mir Leon Bell Bell auf seiner linken Seite auch hervorragend gefallen hat. Und Atik, eh klar, den Nicole völlig zu Recht bereits als den für sie auffälligsten Akteur auserkoren hat. Conteh pendelte natürlich zwischen Genie und Wahnsinn, das Ding, das er in der ersten Halbzeit in Mario-Gomez-Gedächtnismanier vergab, war schon übel. Dafür waren die beiden Tore, die er gemacht hat, schick und haben dem Burschen merklich Selbstvertrauen gegeben. Sehr gewünscht hätte ich ihm, dass der eine Abschluss in Halbzeit 2, den St. Paulis Keeper Smarsch sehenswert um den Pfosten wickelte, auch noch gesessen hätte. Aber auch so: Klasse Leistung vom mitunter hart gescholtenen Conteh und es wäre doch schön, wenn wir so etwas auch in den Punktspielen öfter von ihm sehen würden. Gefreut haben mich die Tore für ihn allemal.

Die Partie in maximal fünf Worten:

Nicole:

Burgstaller und die zerplatzten Pokalträume.

Alex:

Großes Spektakel, zu wenig Ertrag.

Das bleibt in Erinnerung:

Nicole:

Laut. Lauter. HKS. Brachiale Unterstützung von den Rängen. Eine tolle Choreografie. Endlich sein eigenes Wort nicht mehr verstehen. Heiser zu sein, obwohl man nicht in Block U stand. Ein unglaublich ansehnliches Pokalspiel, was am Ende den falschen Sieger hatte. Spielfreude. Eine Mannschaft. Ein Team. Ein geschlossenes Wollen.
Mir bleibt der erhoffte Pokalfight in Erinnerung mit der Hoffnung, noch weitere so schöne Spiele zu sehen. Und zu guter Letzt sind es die zwei Tore von Sissi, mit denen er es heute Abend vielen gezeigt hat.

Alex:

In Erinnerung bleibt mir einfach ein, sorry, geiler Pokalfight, der bis auf das Endergebnis alles hatte, was das Fußballherz begehrt. Schöne Tore, eine ordentliche Dramatik, Kampf, Leidenschaft, kernige Zweikämpfe, ekstatischer Support von den Rängen … ich bin ehrlich: Im Stadion wäre ich zwar vermutlich gestorben, aber von meinem Stand- bzw. Sitzort auf der heimischen Couch aus hätte ich mir das sehr gern noch 30 Minuten länger angeschaut.

Sei es drum, der 1. FC Magdeburg hat sich so teuer verkauft, wie es ging, und der geneigten Anhänger*innenschaft richtig Lust auf noch viel, viel mehr gemacht. Und wer weiß, vielleicht ist es ja auch gar nicht so schlecht, sich jetzt voll auf die Liga konzentrieren zu können. Dort geht es nun gegen Havelse weiter – größer könnte der Kontrast zum DFB-Pokal kaum sein. Hoffen wir, dass das Trainerteam ein paar interessante Erkenntnisse aus dem Auftritt gegen St. Pauli mitnehmen konnte und dass die Mannschaft den Schwung aus den letzten Spielen einfach beibehält. Und wenn sie dann in Sachen „Effizienz“ noch besser wird, hollawetter, dann könnte das wirklich noch eine sehr, sehr unterhaltsame Saison werden.

Das Foto des Spieltags:

Conteh im Pokal gegen St. Pauli

(c) Norman Scholz

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