Holstein Kiel – 1. FC Magdeburg, 12. Spieltag, 0-0 (0-0)
Wäre Klaus nicht gewesen, hätte ich es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht rechtzeitig zu unserem Auswärtsauftritt im Holstein-Stadion zu Kiel geschafft. Nachdem mein Zug um 18 Uhr außerplanmäßig und bereits mit viel zu viel Verspätung in Neumünster (35 km vor dem Ziel) endete, war er es nämlich, der mich mit seinem Taxi in rekordverdächtigen 12 Minuten nach Kiel brachte. Und zwar zu einem Fähranleger, um genau zu sein, weil ich mir das Taxi mit einem recht verzweifelten Pärchen teilte, das zu einer Kreuzfahrt unterwegs war und spätestens um 18.15 Uhr auf ihrem Schiff eingecheckt haben musste. Für mich ging es dann noch ein Stückchen weiter Richtung Holstein-Stadion, wo ich dann dank kühnster norddeutscher Fahrkünste tatsächlich noch rechtzeitig vor Anpfiff aufschlug. In guten 40 Minuten vom Bahnhof Neumünster zum Fußball? Das taugt sicher auch für irgendeinen Rekord.
Klaus (einem echten Nordlicht mit zwar wenig Leidenschaft für, dafür aber einer Meinung zu Holstein Kiel) war es also zu verdanken, dass ich das erste torlose Unentschieden (und erst das zweite Spiel ohne eigenen Treffer) unserer Profifußballgeschichte in voller Länge live sehen konnte. Und zu sehen gab es, auch wenn das Endergebnis vielleicht etwas anderes vermuten lässt, tatsächlich einiges. Jens Härtel musste wieder ein wenig basteln und brachte diesmal Kevin Kruschke von Beginn an, dazu, wie schon vermutet, Niklas Brandt. Michel Niemeyer begann das Spiel auf der linken Seite, Burak Altiparmak rückte auf rechts. Ansonsten liefen mit Steffen Puttkammer, André Hainault und Silvio Bankert in der Innenverteidigung sowie Marius Sowislo, Manuel Farrona Pulido und Christian Beck die üblichen Verdächtigen auf. Im Tor, wie gewohnt, Jan Glinker, der gegen Holstein Kiel einen absoluten Sahnetag erwischte.
Die erste Gelegenheit der Begegnung hatten bereits in der 1. Minute die Gastgeber, in Spielminute 13 schossen die Größten der Welt erstmals gefährlich aufs Tor. Ganz generell war es aber ein Spiel, in dem im Wesentlichen (und eigentlich wenig überraschend) die Hausherren den Ton angaben, indem sie sehr früh und sehr aggressiv störten und einen ordentlichen Spielaufbau unsererseits gut zu verhindern wussten. Wenn mal etwas ging, dann über den quirligen Manuel Farrona Pulido, der mir zunehmend besser gefällt. Beeindruckend, wie er mit seinen Dribblings Räume schafft und Gegenspieler bindet – jetzt muss nur noch öfter etwas Zählbares dabei herumkommen, dann haben wir da auf unserer linken Offensivseite eine Option, um die uns so ziemlich jeder ambitionierte Drittligist beneiden dürfte.
Kiel spielte also einen druckvollen Ball, Blau-Weiß hielt defensiv ordentlich und tapfer dagegen – und musste in der 26. Minute den nächsten Rückschlag hinnehmen: Michel Niemeyer kommt nach einem Zweikampf im eigenen Strafraum nicht wieder auf die Beine und muss, gestützt von der medizinischen Abteilung und André Hainault, vom Platz. Jens Härtel wird später in der Pressekonferenz sagen, dass es gar nicht gut aussieht, wohl eine Innenbandverletzung vorliegt und für Niemeyer erneut eine längere Pause droht. Gute Besserung an dieser Stelle, Michel!
Die Verletzung führte nun zu einer neuerlichen Umstellung: Tarek Chahed, eigentlich ja eher im offensiven Mittelfeld zuhause, kam in die Partie und übernahm die Position von Burak Altiparmak, der wiederum auf die Niemeyer-Position rückte. Und von dort aus in der 28. Minute Zeuge der vielleicht größten blau-weißen Möglichkeit des Spiels wurde. Erst ist es Manuel Farrona Pulido, der Holstein-Keeper Robin Zentner mit einem ordentlichen Schuß prüft. Dessen starke Abwehr landet bei Christian Beck, der vor dem Kasten abzieht und den Gästeblock schon zum Jubel ansetzen lässt – wäre da nicht Dominik Schmidt auf Kieler Seite, der den Ball für seinen geschlagenen Torhüter irgendwie noch vor der Linie rettet.
Auch wenn die Größten der Welt zum Ende der ersten Halbzeit dann noch einmal stärker wurden, änderte sich in den verbleibenden Minuten bis zum Pausenpfiff (bis auf eine weitere, richtig gute Kieler Chance in der 35. Minute) wenig am Spielverlauf und ging es also mit einem 0-0 in die Kabine. In Abschnitt 2 sahen die 6.515 Zuschauer (davon wieder ein ordentlicher blau-weißer Mob) dann zunächst einen etwas aktiveren FCM, dem die richtig klaren Aktionen an diesem Abend aber schlichtweg nicht gelingen wollten. Besser machten es da schon die Hausherren, die insbesondere in den letzten 20 Minuten der Begegnung noch einmal aufdrehten. Mittlerweile war relativ klar, dass diese Begegnung so eine typische “Wer das erste Tor schießt, gewinnt”-Partie sein würde: Beide Mannschaften mit viel Willen (Kiel offensiv, der Club defensiv), für den ein Gegentreffer wohl jeweils eine fatale Wirkung gehabt haben dürfte.
Dass sich dieses Problem aus unserer Sicht nicht stellte, hatten wir zu einem sehr, sehr großen Teil einem wirklich überragenden Jan Glinker zu verdanken, der in der Schlussphase mit zwei Wahnsinnstaten den Punkt festhielt (bzw. die Niederlage wegfaustete). So bleibt es am Ende bei einem weiteren Zähler gegen den Abstieg, den uns, auch wenn er nicht unbedingt schön war, niemand wieder wegnehmen kann. Der Kieler Twitter-Kanal fasst die letzten Minuten und die Reaktionen nach dem Abpfiff denn auch recht gut zusammen:
Die KSV kommt an FCM-Goalie Glinker nicht vorbei. #KSVFCM 0:0. Der @1_FCM feiert den Punkt wie einen Sieg. #3liga pic.twitter.com/KjNz3DIX2Y
— Holstein Kiel (@Holstein_Kiel) 2. Oktober 2015
Und warum sollten wir diesen Punkt auch nicht feiern? Wir haben bei einer sehr guten Mannschaft, die letzte Saison noch knapp am Zweitliga-Aufstieg scheiterte, einen Punkt geholt. Und das trotz einiger Umstellungen (Fuchs nicht dabei, Löhmannsröben nicht dabei, Butzen nicht dabei) und der ‘Umstellung der Umstellung’ in Folge der Verletzung von Michel Niemeyer. Außerdem kann ich mich an kein Spiel der jüngeren Vergangenheit erinnern, in dem wir so viele gelbe Karten kassierten (5, um genau zu sein) wie jetzt gegen Kiel. Dennoch blieb die Defensive stabil, ließ keinen Gegentreffer zu und beendeten wir die Begegnung mit 11 Mann – das muss man als Mannschaft so erst einmal hinbiegen. Dass Jens Härtel trotzdem nicht nur dicksten Beton anrühren ließ, sondern durchaus sogar auf mehr als einen Zähler schielte, zeigen die beiden weiteren, offensiven Wechsel mit Waseem Razeek für Kruschke und Nicolas Hebisch für Farrona Pulido, was gleichzeitig unsere Spielphilosophie auch noch einmal recht gut unterstreicht.
Natürlich soll das nicht darüber hinwegtäuschen, dass uns gegen Holstein Kiel viel zu häufig der letzte Pass nicht gelang und dass gerade in den letzten 20 Minuten der erste Ball aus der Abwehr eigentlich immer beim Gegner landete. Trotzdem: ein derart erkämpftes Ergebnis in Kiel ist hinten raus womöglich gar noch mehr wert als ‘nur’ den einen Zähler für das Punktekonto.
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