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Die verlorene Folge oder: Im Gespräch mit Nils Butzen

Nils Butzen

Teil 3/7: Das entfesselte Fußballgeschäft | Derbys | Fankultur

[TH]: Weil Du das gerade angesprochen hast: Mich würde mal interessieren, wie das nach Spielen ist. Du sagst, Ihr macht Regeneration, wie ist denn das nach Spielen? Macht man da auch ein bisschen was oder ist das nach dem Spiel „runter vom Platz, duschen, kurz das Spiel untereinander auswerten und Schluss“? Oder wie läuft das?

[AS]: Auslaufen!

[NB]: Das ist aber am nächsten Tag.

[AS]: Ach so.

[NB]: Also es kommt immer drauf an. In der englischen Woche läuft man auch mal schnell nach dem Spiel aus, um einfach am nächsten Tag was auf dem Platz machen zu können. Insgesamt ist es schon so nach den Spielen, dass man etwas isst und dann vielleicht nochmal in das Wärmebecken geht. Aber das Problem ist eben auch, dass wir hier im Stadion keinen Kraftraum haben. Der Raum, wo wir theoretisch unsere Dehnungsübungen machen könnten, der ist dann mit Presseleuten voll und da kann man sich dann nicht einfach hinlegen. Das ist nicht ganz optimal, sonst würden das wahrscheinlich auch viele Spieler machen, aber so ist man halt dann früher zu Hause. Die Familie ist ja auch oft da zu den Spielen, da beeilt man sich dann auch etwas mehr, als wenn man nichts mehr zu tun hätte nach dem Training. Aber so regenerativ macht man dann eigentlich am nächsten Tag das, was dann dazu führt, dass man sich ein bisschen mehr regeneriert als normal. Also mal in die Sauna gehen oder so.

[AS]: Was würdest Du denn jetzt so treiben, wenn Du nicht Fußballprofi geworden wärst? Wo würden wir Dich jetzt treffen?

[NB]: Vermutlich wäre ich fertig mit Studieren. Es hat sich relativ zeitig so entwickelt, dass ich die Möglichkeit bekommen habe, in der ersten Mannschaft zu spielen. Ich hab 2011 mein Abitur gemacht, dann kam dieses schon angesprochene Jahr und ich hab relativ früh einen Vertrag vorgelegt bekommen für den Trainingskader der ersten Mannschaft und habe ein FSJ gemacht und habe dann, wie gesagt, mein Geld mit Fußball verdienen können. Ansonsten wäre ich wahrscheinlich – oder definitiv – an die Uni gegangen und hätte studiert. Das war auch der Plan: Wenn es mit Fußball nichts wird, dann werde ich über die herkömmliche Schiene gehen und wie jeder normale Mensch halt auch irgendwas studieren müssen oder in die Lehre gehen, aber ich wollte halt studieren. Es hat sich aber seitdem auch nicht wieder ergeben, dass ich das mache, wobei ich jetzt eigentlich im Oktober meinen festen Termin habe und anfange, zu studieren. Das war ein Entschluss, den ich irgendwann gefasst habe, um einfach auch die Zeit zu nutzen, die ich jetzt habe und sich innerhalb der Fußballkarriere etwas aufzubauen. Damit ich, wenn ich irgendwann meine Karriere beende – sofern ich gesund bleibe, sollte das noch mindestens zehn Jahre gehen – , halt auch einen nahtlosen Übergang habe. Ich muss aber auch zugeben, so richtig Gedanken über das, was ich nach meiner Karriere mache, habe ich mich noch nicht gemacht.

[AS]: Naja, wie Du schon sagst, die geht ja hoffentlich auch noch ein bisschen. OK, wir haben hier jetzt noch ein, zwei größere Themen. Ich lese jetzt tatsächlich dieses „Football Leaks“-Buch. Und da liest man ja ganz schön viele abstruse Sachen über dieses Fußballgeschäft. Das ist ja insgesamt schon ein ziemlich krasses Business. Wenn man sich grad so Transfersummen anguckt, ich glaub, Neymar ist wohl irgendwo im Gespräch für 200 Millionen, ich kann das gar nicht so richtig begreifen. Oder auch dieses ganze Kommerzialisierungsthema und so – Wie guckt man da als jemand, der ja ein integraler Teil ist, auf dieses Geschäft? Also ist das Thema bei Euch? Wie erlebst Du das so?

[NB]: Klar, man redet darüber. Man redet viel über Fußball, auch in der Kabine. Und da kommt natürlich auch zur Sprache, wenn es da heißt „Neymar für 222 Millionen nach Paris“, das muss man sich mal überlegen. Es ist ja nicht nur, dass ein Verein da 220 Millionen überweist, sondern da gibt’s ja auch noch mehr Leute, die daran verdienen. Berater – oft machen das ja die Familien der Spieler – bekommen da nochmal 10%, das sind über 20 Millionen. Das ist eigentlich unglaublich, man macht da mit einem Transfer eigentlich die ganze Familie reich. Insgesamt stört mich das jetzt nicht. Es ist nun einmal so und ich glaube, wenn ein Verein da nicht mitgeht, dann fällt er hinten runter. Ich denke auch, dass Bayern momentan einfach Probleme hat, Spieler auf dem Markt zu kriegen, weil da Summen aufgerufen werden, die einfach utopisch sind und viele sagen: „OK, hier ist eine Grenze erreicht.“ Es gibt aber so viele Investoren und Leute, die meinen, sie müssten durch ihr Geld einen Verein kaufen und damit ein bisschen Spaß haben. Und es gibt ja auch Negativbeispiele – siehe 1860 München. Klar, man kann mit viel Geld viel machen, aber ich bin der Meinung, dass 222 Millionen für einen Spieler … es ist doch nicht möglich, dass ein Spieler eine Mannschaft dazu führt, irgendeinen Titel zu gewinnen. Ob das jetzt angebracht ist oder nicht, kann ich nicht entscheiden. Ich finde, es ist zu viel, aber es ist halt so und es wird erstmal auch nicht wieder nach unten gehen. Ich glaube auch, dass durch diese Transfersummen die Relation verloren geht. Ich glaube, Toni Kroos ist für rund 20 Millionen zu Real Madrid gewechselt und der ist für mich der beste Sechser auf der Welt. Ich glaube, so ein Spieler würde zum jetzigen Zeitpunkt nicht unter 100 Millionen wechseln. Das muss man sich mal vorstellen. Der ist für 20 Millionen gewechselt und das ist – so dumm wie das klingt – eigentlich keine Summe mehr. Das zahlen in der Premier League irgendwelche Vereine, die auf dem Niveau von Augsburg in der Bundesliga sind – die zahlen jetzt einfach mal 40, 50 Millionen für irgendwelche Spieler. Ich find, das ist schon sehr übertrieben, aber das ist momentan wohl einfach das Geschäft und wer da nicht mitgeht, der kriegt Probleme.

[TH]: Die Kohle ist halt auch da.

[NB]: Ja, das ist es ja. Und das weiß jeder Verein. Und es ist ja auch so: Sagen wir, ein Premier-League-Club will jetzt einen Spieler von uns und es ist kein Geheimnis, dass jeder Premier-League-Club hunderte von Millionen aus dem Fernsehtopf bekommt, dann sagt doch der FCM nicht: „Ihr kriegt den für 50.000“, sondern: „Gebt uns mal ’ne Million.“ So läuft das halt in dem Geschäft. Oder wenn ein Verein wie Barcelona einen Spieler für 200 Millionen verkauft und die wollen einen Spieler von Bayern München, der normalerweise 20, 30 Millionen wert ist, dann wissen die Bayern aber: „Ihr habt gerade 200 Millionen durch den Neymar-Transfer eingenommen, da könnt Ihr uns auch 60 geben.“ Das schaukelt sich dann halt nach oben und das ist krass. Ich glaube, man muss nicht einmal 10 Jahre zurückdenken. Da hätte sich niemand vorstellen können, dass einmal solche Summen aufgerufen werden.

[TH]: Es gab einen Riesen-Aufschrei als Maradona ’89 zu Neapel gewechselt ist für zehn Millionen – Mark!

[AS]: Ich hab jetzt auch irgendwo gelesen, dass ein Didi Hamann heute wohl für 50 Millionen wechseln würde. Jetzt nichts gegen Didi Hamann, aber da Du vorhin von Relationen sprachst – das ist schon alles relativ abgefahren. Und Du hast es ja auch in der dritten und zweiten Liga: Jetzt spielen irgendwelche Spieler von Dresden, die vorletztes Jahr noch dritte Liga gespielt haben, erste Liga in England. Tja. Aber es ist ja bei uns wahrscheinlich auch so. Wenn jetzt irgendwie unsere Chefs kommen würden und sagen würden: „Willste nicht 20.000 haben?“, weiß ich nicht, ob wir da sagen würden: „Ach nee, lass gut sein“. Es ist eben so, wie Du schon sagst: So ist eben das Geschäft.

[NB]: Es ist ja auch eine Entscheidung fürs Leben. Klar, das Herz spielt irgendwo immer eine Rolle. Aber wenn man dann… Der Hefele ist ja ein gutes Beispiel, der hat gesagt, das sei die schwerste Entscheidung seines Lebens. Wenn ich bedenke, dass die finanziellen Möglichkeiten in England einfach gerade gegeben sind, dass die ihn einfach auch dazu gebracht haben, das zu machen, um vielleicht auch eine Grundlage für danach zu legen – Ich glaube, dass das einfach so viel Geld war, dass er dort kriegt, dass er nicht sagen konnte: „Ne, ich verzichte darauf.“ Auch, wenn er vielleicht den Verein geliebt hat, war er sicher auch sehr darauf bedacht, eine Grundlage für sein Leben danach zu legen.

[AS]: Vielleicht bekommt man so ein Angebot auch nur einmal, das weiß man ja nicht. Lehnst es ab, gehst zum ersten Training der neuen Saison, wirst umgetackelt und dann kommt die Chance nicht nochmal. Ja, das ist schon alles ein bisschen zweischneidig, klar. Ich würde sagen, wir machen den ersten Teil gleich mal zu, es gibt noch zwei Sachen, die vielleicht interessant wären. Sache 1 betrifft so ein bisschen das ganze Thema Fankultur, das ist halt was, wo wir als Fans viel draufgucken. Und da wäre halt die Frage: Inwiefern sind solche Sachen eigentlich innerhalb der Mannschaft ein Thema? Stichwort „Derbys“, da redet man ja relativ häufig drüber, da ist immer so’n bisschen die Diskussion, ob das für Spieler überhaupt etwas Besonderes ist oder einfach nur ein weiteres Spiel? Oder diese Hüpfverbot-Geschichte aus der letzten Saison, oder wenn es mit dem DFB so Sachen gibt… Kommt das bei Euch irgendwie an, beschäftigt Ihr Euch damit oder ist das eine Sache, die man eher ausblendet und die nicht so Tagesdiskussion ist?

[NB]: Also Derbys… Bei mir persönlich kribbelt’s schon immer mehr. Aber wenn ich von Derbys spreche, meine ich halt ein Spiel gegen Halle, nicht gegen Erfurt oder so, wo ja auch immer von „Ostderby“ geredet wird. Aber ich finde halt, die Brisanz ist einfach eine andere. Ich denke, dass es gegen Halle immer um mehr geht als drei Punkte. Vielleicht liegt‘s bei mir auch daran, dass ich schon so lange hier bin und das auch von Anfang an miterlebt habe, worum es da geht. Und was so Strafen angeht… So lange das im Rahmen bleibt, ist das so eine Sache. Klar, jeder Cent, der für Strafen draufgeht, ist ein Cent zu viel. Aber ich denke auch, dass von Seiten des DFB immer wieder Strafen verhängt werden, die ich nicht nachvollziehen kann…

[TH]: Willkommen im Club.

[AS]: Das geht uns wohl allen so.

[NB]: … wo wir uns auch innerhalb der Mannschaft schon drüber unterhalten haben. Also: Woran wird das jetzt festgemacht? Warum werden Tickets nur an Mitglieder verkauft? Da haben wir erst beim letzten Spiel in Großaspach drüber gesprochen, als wir uns den Platz angeguckt haben: Es gibt Leute, die wohnen da unten, für die lohnt es sich nicht, Mitglied beim FCM zu sein, die sich auf das Spiel freuen und vielleicht sagen: „Hey, wir stellen uns heute mal in den Block.“ Die können sich kein Ticket für den Auswärtsblock kaufen und müssen sich auf die Haupttribüne setzen, weil der DFB möchte, dass man Mitglied ist oder die Tickets nur an Mitglieder verkauft werden. Inwiefern das was bringt, keine Ahnung. Das als aktuelles Beispiel, dass wir uns in der Mannschaft darüber unterhalten und sowas ist auch immer Thema. Und jeder, der hierher wechselt, wird, wenn er sich für Fankultur interessiert, auch Videos ansehen, da gibt’s ja bei Youtube einiges. Und es ist ja auch kein Geheimnis mehr, dass hier eine extrem geile Stimmung ist. Und ich glaube auch, jeder Spieler, der hierher kommt, weiß das.

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