Ein Gastbeitrag von CREATEFOOTBALL
„Spieler XY ist ein klasse Fußballer! Er passt wirklich super in das Spielsystem von Trainer XY!“
Aussagen wie diese hört man als Fußballinteressierter zuhauf. Sei es von den Kollegen in der Kneipe, vom Sportjournalisten der Tageszeitung oder dem Kommentator im TV. Doch auch einige Scouts, Sportdirektoren und Trainer argumentieren mit Begrifflichkeiten wie „super Spieler“, „resoluter Abräumer“ oder „guter Dribbler“.
Was ist daran so verwerflich? Warum greifen wir ausgerechnet diese Aussagen zum Beginn unseres Artikels über Daten im Fußball auf? Nun, sie strotzen nur so vor Subjektivität, von einzelnen Eindrücken, von Meinungen, die an einen herangetragen werden. Es liegt in der Natur des Menschen, ob nun Sportdirektor oder Kneipenbesucher, dass diese kurzen und kleinen Schnipsel, die man irgendwo aufgegriffen hat, ins eigene Meinungsbild übergehen – und zwar nicht nur im Sport. Wenn man nun aber durch einen Impuls (häufig von außen) dazu angestoßen wird, einen bestimmten Sachverhalt doch mal rein objektiv und ohne die eigene Meinung zu betrachten, erkennt man oft Details und Hintergründe, die einem vorher nicht bewusst waren.
„Warum?“ als Schlüssel zur Objektivität
Doch wie geht man das nun am besten an? Wir, das sind Mats Beckmann und Quirin Sterr von CREATEFOOTBALL, haben die Frage nach dem „Warum?“ für uns entdeckt. Wir möchten mit plakativen Sätzen und subjektiven Wahrnehmungen aufräumen, stattdessen tieferliegende Gründe und Details aufdecken. Auf die Beispielaussage oben würden wir mit Fragen wie „Warum ist er ein guter Spieler?“ oder „Warum passt er gut ins System des Trainers?“ reagieren. Hier schließen sich Fragen zu den Stärken und Schwächen des Spielers oder zu seinem Spielstil und dem des Trainers sowie Teams an – welche wir dann rein objektiv und losgelöst anhand von Daten analysieren können, denn diese gewinnen im Fußball immer mehr an Bedeutung. Von Standardwerten wie Ballbesitz und Zweikampfquoten, die es sogar schon zu den größten deutschen Fußballsendern geschafft haben, über abgefangene Bälle und kreierte Torchancen, bis hin zu relativ modernen Datenpunkten wie xG (expected Goals = zu erwartende Tore) oder PPDA (passes per defensive action), heutzutage kann nahezu jeder gewünschte Wert erfasst und ausgewertet werden.
CREATEFOOTBALL hat es sich zur Aufgabe gemacht, neben einem Fokus auf den wenig betrachteten internationalen Fußball, jedem Fußballfan – ob 12 oder 80 Jahre – Daten im Fußball näher zu bringen. Auf Instagram, unserer Website, sowie im CREATEFOOTBALL Podcast analysieren wir anhand von statistischen Werten spannende Clubs wie das türkische Überraschungsteam Alanyaspor, stellen heraus, warum Pedro Neto von den Wolverhampton Wanderers das Zeug zum nächsten Superstar hat oder erklären, weshalb Joachim Löw Maxi Arnold mit zur EM hätte nehmen sollen.
“Die Zukunft im Fußball gehört denjenigen, die aus Informationen die besten Schlüsse ziehen.“
Aus unseren Social-Media-Tätigkeiten hat sich schnell der Drang nach mehr ergeben. Was macht einen erfolgreichen Club wirklich aus? Gibt es Gemeinsamkeiten, die sich bei vielen Topvereinen weltweit erkennen lassen? Warum sind so viele Vereine über Jahre in ihrer Situation gefangen und bewegen sich keinen Schritt nach vorne?
- Keine langfristige Strategie: Wir sind der Ansicht, dass im modernen Fußball zunehmend verwaltet und wenig visionär gedacht wird. Das betrifft in erster Linie die Proficlubs, zieht sich allerdings herunter bis in den untersten Amateurbereich. Die wichtigsten Ämter in den Vereinen, Positionen, auf denen strategische Entscheidungen getroffen werden sollten, werden häufig von Leuten bekleidet, die lediglich das Ziel haben, ihren eigenen Job zu sichern. Dadurch zählt nur der kurzfristige Erfolg, koste es, was es wolle.
- Keine einheitliche Vereinsphilosophie: Wir sind der Meinung, dass eine einheitliche Vereinsphilosophie, die im Kern unveränderbar ist und bleibt, der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg ist. Objektive Kriterien sollten massiv an Bedeutung gewinnen. Bereits jetzt sind zahlreiche Traditionsvereine vom Aussterben bedroht. Nicht, weil die Konkurrenz finanzkräftiger ist, sondern weil die Prozesse innerhalb der Vereine äußerst ineffizient sind.
Denn egal, ob Bundesliga- oder Kreisligatrainer (bzw. -verantwortlicher), die beiden oben beschriebenen Punkte ziehen sich vom Profi- bis weit in den Amateurbereich durch. Nach wenigen Partien werden Trainer entlassen, Talente nach zwei schlechten Spielen aussortiert, Fehlplanungen werden nicht kritisch hinterfragt, Vetternwirtschaft richtet Vereine zugrunde und vieles mehr.
Aus diesem Hintergrund möchten wir die Botschaft verbreiten, dass Fußball kreiert werden sollte. Denn nur wer innovativ denkt und handelt, wird eine erfolgreiche Zukunft im Fußball haben – eine Vereinsphilosophie und Strategie lässt sich nicht in wenigen Monaten entwickeln, hier muss man den richtigen Personen Zeit zur Entfaltung geben und sie bestmöglich (auch durch äußere Einflüsse) unterstützen. Im Amateurbereich kann schon ein externer Fitnesscoach für die Vorbereitung oder eine Investition in ein portables Kamerasystem zur Spielanalyse ausreichen, um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein.
„Warum Datenscouting? Die guten Spieler erkennt man nur, wenn man live im Stadion ist!“
Kommen wir zurück zum Profifußball und CREATEFOOTBALL Solutions. Durch unsere Leitbilder (langfristige Strategien und einheitliche Vereinsphilosophie) und unseren Datenansatz haben wir im September 2020 unser Consulting-Startup CREATEFOOTBALL Solutions gegründet, mit dem wir Vereine unterstützen und beraten, wenn es um Themen wie Kaderplanung, Scouting oder Trainersuche geht. Zudem kooperieren wir mit diversen Medienanstalten wie Sportdigital Fußball oder Kickbase sowie einigen Berateragenturen.
Mittlerweile sind Videotelefonie, Sprachsteuerung der eigenen Elektrogeräte oder Onlinedating aus dem Leben vieler Menschen kaum noch wegzudenken, die Technik hat den Menschen komplett unter Kontrolle – auch den Fußball? Auf den ersten Blick erscheinen die allermeisten Profifußballvereine als hochmodern, doch gerade im Inneren der Clubs herrscht häufig eine große Skepsis gegenüber Technik und Daten. Gerade Scouts und Sportdirektoren, die schon lange in der Branche zugange sind, rühmen sich allzu oft mit ihrer Erfahrung und ihrem „besonderen Auge“ für die richtigen Spieler. Scouts tingeln von Stadion zu Stadion, schauen Videosequenz um Videosequenz, um sich eine subjektive Meinung zum Skillset eines Spielers zu holen. Nach 5 Kopfballduellen wird ein kurzes „guter Kopfballspieler“ auf den Notizblock gekritzelt, bevor man sich den nächsten Spieler der Mannschaft vornimmt – der Spielbesuch muss sich schließlich lohnen. Zurück auf dem Vereinsgelände schlägt man den kopfballstarken Spieler dem Vorstand vor, nur um Wochen nach der Verpflichtung zu realisieren, dass der Spieler beim Scouting wohl einen Ausrutscher nach oben hatte. Ein Jahr später verkauft man den Akteur mit Transferverlust.
Das klingt nach einem Märchen? Leider ist es keines. Tatsächlich spielen sich Aktionen wie diese tagtäglich vielmals in professionellen Fußballvereinen ab und spiegeln das „besondere Auge“ nicht wirklich wider. Was also tun?
Kameras bieten jedem Fußballclub die Möglichkeit, die eigenen Spiele aufzuzeichnen und im Anschluss zu taggen (=auszuwerten) – auch für Amateurvereine gibt es hier viele Optionen. Unsere Datenpartner Wyscout und InStat liefern uns sämtliche ausgewertete Daten für nahezu alle Profispiele weltweit, sogar die 3. schwedische Liga ist abgedeckt!
Ergänzung und Hilfsmittel für Scouts, keine Gefährdung der Arbeitsstellen
Diese Daten nutzen wir beispielsweise für Kaderanalysen, die wir regelmäßig bei den Profiteams unserer internationalen Klienten durchführen. Anhand der Daten (häufig auch im Ligavergleich) lassen sich detailliert die positiven und negativen Datensätze, sprich Stärken und Schwächen des Teams, herausfinden – und das ohne vorher auch nur ein Spiel des Teams gesehen zu haben! Nun kann man im Training und auf dem Transfermarkt gezielt an den Schwachstellen arbeiten.
Eine weitere zentrale Frage ist, ob die Spieler zum Spielsystem des Trainers und zur Vereinsphilosophie passen? Möchte ich in einem 4-2-3-1-System zwei Flügelspieler, die mit dem starken Fuß zur Mitte ziehen, sogenannte Inside Forwards? Diese Unterkategorie eines Flügelspielers (neben z.B. Wide Playmaker und Classic Winger) charakterisiert sich besonders durch ein starkes Dribbling, einen guten Abschluss sowie eine hohe Kreativität. All diese Punkte kann man mithilfe von Daten exakt überprüfen und dementsprechend handeln.
Wir unterstützen die von uns betreuten Vereine neben der Analyse des eigenen Teams auch bei potenziellen Neuzugängen. Hat man Schwachstellen im Kader gefunden, sollte man sie dementsprechend mit passenden Spielerprofilen neu besetzen, wie im folgenden Beispiel dargestellt.
Der VfL Wolfsburg hat in der offensiven Dreierreihe einige Spieler, die im Kreieren (kein offensiver Mittelfelspieler kreiert mehr als 0.7 Torchancen pro Spiel) und Verwerten von Torchancen durchaus Luft nach oben haben. Wout Weghorst ist mit 17 Treffern der bei weitem beste Torschütze im Club, dahinter folgen Renato Steffen und Ridlu Baku mit 5 Toren, zudem liegt man nur im Mittelfeld der Liga, was erfolgreiche Dribblings angeht. Es fehlt dementsprechend vor allem an der Offensivkreativität im Team – Brests Romain Faivre wäre hier ein potenzieller Neuzugang, der die Wölfe in der Qualitätsspitze verstärken könnte.
Der 22-jährige wurde im vergangenen Sommer für gerade einmal 400.000 Euro aus der zweiten Mannschaft der AS Monaco (4. Liga) verpflichtet und hat sich seitdem zum offensiven Leistungsträger der Bretonen entwickelt. Früh in der abgelaufenen Spielzeit stand er bei 5 Toren und 4 Assists, seine expected Assists Statistik (xA = zu erwartende Vorlagen) lag jedoch bei grandiosen 11.39 xA (drittbester Wert der Liga) – dies zeigt, dass allein die schwache Chancenverwertung der Kollegen mehr Vorlagen verhinderten. Zudem lieferte er pro 90 Minuten 1.74 Torschussvorlagen, schloss 3.2 Dribblings erfolgreich ab und gewann über 10 Zweikämpfe mit einer Quote von guten 49%!
Analysen wie diese erstellen wir passgenau für sämtliche Spieler bzw. die dazugehörigen Vereine weltweit, während viele Scouts nach wie vor auf Live- und Videoscouting bauen oder alternativ direkt in Kontakt mit Beratern treten, um nach wechselwilligen Spielern zu suchen. Doch genau hier ist es wichtig, eine Vorauswahl durch Daten zu treffen, um im Nachgang die fußballerisch passenden Akteure mit Stadionbesuchen oder Videos weiter scouten zu können – denn weiche Faktoren wie Führungsstärke oder Professionalität auf dem Platz sind durch Daten (bislang) nicht bewertbar. Wir bieten also eine Ergänzung durch Daten, die Hauptarbeit der Scouts wird somit nicht ersetzt (dies ist häufig die Angst der Spielbeobachter), sondern nur die Effizienz und der Erfolg gesteigert.
Wo ist nun aber der Haken? Ganz einfach, es gibt keinen. Immer wieder werden Fehler in Daten oder der nicht hundertprozentige Erfolg durch Datenscouting kritisiert – doch auch der menschliche Scout macht Fehler, statistisch bewiesen sogar deutlich mehr, da er deutlich weniger Spiele verfolgen kann, als die Technik auswertet. Hinzu kommt erneut der Faktor Subjektivität.
Den kompletten Erfolg kann mit Sicherheit kein Datenanbieter oder Consulting-Dienstleister wie CREATEFOOTBALL Solutions gewährleisten, doch auch das herkömmliche Scouting kann dies nicht, im Gegenteil. Die Daten sollen schlussendlich unterstützen den Erfolg auf dem Feld und Transfermarkt maximal zu steigern.
Daten werden in den nächsten Jahren zunehmend an Relevanz gewinnen, andere Sportarten haben dies bereits eindrucksvoll bewiesen. Dies ist kein Angriff auf Arbeitsstellen und traditionelle Vereinsstrukturen, sondern eine Weiterentwicklung im Zuge der menschlichen Evolution.
Beitragsbild: „data driven“ von John Spencer via Flickr | Lizenz: CC BY 2.0