1. FC Magdeburg – AC Mailand, 08.05.1974, 2:0
Auf den Tag genau 40 Jahre ist es nun her, dass der 1. FC Magdeburg als einzige DDR-Mannschaft überhaupt einen internationalen Titel errang. Im Finale des Europapokals der Pokalsieger konnte der große Favorit und Titelverteidiger AC Mailand durch Tore von Enrico Lanzi (Eigentor) und Paule Seguin mit 2 zu 0 besiegt werden – ein Triumph, der bis zum heutigen Tag das Selbstverständnis ganzer Magdeburger Fangenerationen (zumindest mit-) prägt. In den 40 Jahren, die diesem Triumph folgten, ist eine Menge passiert. Der einstmalige Europapokalsieger und mehrfache DDR-Meister kickt mittlerweile in der 4. Liga und den Saisonhöhepunkt der Spielzeit 2013/2014 bildet kein Europapokalendspiel, sondern das Finale im Landespokal der Rentnerclique FSA des Fußballverbandes Sachsen-Anhalt. Anders ausgedrückt: das größte Spiel der Saison ist für den 1. FC Magdeburg mittlerweile eine Auswärtspartie beim Hässlichen FC im Knallgas-oder-wie-auch-immer-aber-eigentlich-scheissegal-Park, der Endspielgegner inzwischen zu allem Übel sogar noch Favorit – und zwar allein aufgrund seines Status’ als Dritt(!)ligist. Das kann man erst mal wirken lassen.
„…und wir träumen stets von Deiner besten Zeit!…“
Aber: das ist okay. Ich bin in der Generation Amateurfußball sozialisiert worden, habe meinen Verein nie höher als dritte Liga spielen sehen, habe trotzdem Aufstiege, Abstiege, Insolvenzen, Pokalsensationen und einen Fast-Durchmarsch in den Profifußball miterlebt und ja, klar, natürlich sind Vorbereitungsspiele gegen Borussia Dortmund und Schalke 04, Vorsaisonturniere mit dem VfL Wolfsburg oder eben Landespokalfinals gegen Drittligisten die Highlights im Hier und Jetzt. Und selbstverständlich ist das Duell gegen den ewigen Rivalen aus dem Süden Sachsen-Anhalts immer noch eine absolute Prestige-Partie, die man nur gewinnen kann – oder das Spiel hat in der kollektiven Erinnerung der Blau-Weißen eben einfach nie stattgefunden. Trotzdem führt einem so ein Endspiel – insbesondere noch vor dem Hintergrund des eingangs erwähnten Jubiläums – irgendwie doch mal wieder schmerzlich vor Augen, wo man eigentlich wirklich steht und dass die Vergangenheit zwar toll und golden ist, man sich davon im Jahr 2014 aber nur noch sehr, sehr wenig kaufen kann.
„…und wenn Du nach uns rufst, stehen wir bereit…“
Was natürlich nicht ganz richtig ist, weil der Verein ohne die Erfolge der Vergangenheit und die so genannte Tradition mit Sicherheit heute nicht durchschnittlich 5.000 Zuschauer zu einem Regionalligaspiel gegen solche Hausnummern wie, sagen wir mal, den ZFC Meuselwitz ins Stadion locken würde. Oder weil der eine oder andere Sponsor eben nicht zuletzt auch „aufgrund des großen Namens“ unterschreibt. Oder Spieler X den Wechsel zu den Größten der Welt auch damit begründet, schon immer mal bei einem „Traditionsverein“ mit „so einer großen Anhängerschaft“ gespielt haben zu wollen.
„..und dann gehen wir in eine bessere Zeit!“
In der letzten Ausgabe des Fußballmagazins ‚OstDerby’ stellte ich mir die Frage, ob diese ‚Tradition’, von der wir alle immer sprechen, uns nun eigentlich wirklich etwas nützt oder vielleicht doch eher wie so eine Bleiweste über den imaginären Schultern des Vereins hängt und jeden Schritt in Richtung Profifußball zu einem unheimlich schweren werden lässt. Stichworte hier: Erwartungshaltung im Umfeld, (Un-)Geduld beim Aufbau einer Aufstiegsmannschaft und so weiter. Damals wie heute komme ich zu keinem wirklich eindeutigen Schluss, vermutlich auch, weil es im Moment, perspektivisch betrachtet, so gut aussieht wie lange nicht und man hoffen darf, dass die nächste Saison, auch gespeist durch einen grandiosen Landespokalsieg in Merseburg-Nord am 14.05. und dem damit verbundenen Fabel-Lauf durch den DFB-Pokal der Saison 2014/2015 mit dem souveränen Aufstieg in die dritte deutsche Liga endet.
„Der FCM olé, olé, olé, olé, der FCM olé, olé, olé, olé…“
Diese Hoffnung speist sich eben auch, und wird sich immer speisen, aus der uns FCM-Fans durchaus eigenen Haltung, im Prinzip ja nur vorübergehend in der vierten Liga geparkt und eben die Größten der Welt zu sein und eigentlich schon allein aufgrund der Vereinshistorie einen dauerhaften Platz im bezahlten Fußball quasi auf Lebenszeit verliehen bekommen zu müssen. Sie speist sich auch daraus, dass der (abermals) neue Trainer in der neuen Spielzeit bestimmt endlich den langersehnten Offensivfußball zelebrieren lässt und natürlich auch die dafür notwendigen überragenden Spieler quasi zum Nulltarif gleich mitbringt. Und den Hässlichen FC, na den schießen wir sowieso und im Vorbeigehen im eigenen Stadion aus allen Titelträumen, bevor der Knallgaspark dann im Jubeltaumel noch entsprechend und standesgemäß umdekoriert wird.
Tja. Und dann verliert man halt in der Regionalliga Nordost am 27. Spieltag vor 798 Zuschauern sang- und klanglos mit 1-2 gegen die U23 von Hertha BSC Berlin.
Aber hey: das kann doch einen Clubfan nicht erschüttern. Wir haben schließlich am 8. Mai 1974 mal einen Europapokal gewonnen…