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Der Sturm vor der Ruhe?

(und ja, der Titel ist Absicht)

Der 1. FC Magdeburg vor dem ersten Regionalligaheimspiel der Saison 2013/2014

Es ist Stimmung in der Bude beim 1. FC Magdeburg. Und zwar keine der euphorischen oder unterhaltsamen Sorte. Vielmehr hängt der Haussegen schon vor dem ersten Liga-Heimspiel am kommenden Sonntag gegen den VfB Germania Halberstadt gewaltig schief, wird gar von jetzt schon verpatztem Saisonstart gesprochen und von einigen eifrig über die vermeintlich unumgängliche Demission von Trainer Andreas Petersen diskutiert. Ja, die geneigte Leserschaft liest richtig – ebenjenem Trainer, der letzte Saison noch als Heilsbringer gefeiert wurde und die Mannschaft nach einer katastrophalen Vorsaison in der letzten Spielzeit auf einen respektablen sechsten Rang in der Abschlusstabelle geführt hat. Und ja, wir erleben all diese Diskussionen tatsächlich vor dem ersten Heimauftritt der Blau-Weißen in der Liga. Man muss ihn einfach lieben, diesen Verein, der scheinbar einfach kein ganzes Kalenderjahr ohne Polarisierungen innerhalb der Fanszene und eine gehörige Portion Drama überstehen kann. Was war also passiert?

Nun ja, Auslöser, wenngleich aber vermutlich nicht Ursache der ganzen Debatte ist wohl die Suspendierung des letztjährigen Mannschaftskapitäns Marco Kurth. Dieser hatte sich direkt nach dem DFB-Pokalspiel gegen den FC Energie Cottbus medial und öffentlichkeitswirksam über die unnötige Niederlage geärgert und bei der Gelegenheit gleich mit recht deutlichen Worten Kritik sowohl an der Spielweise der Mannschaft, als auch implizit an der generellen taktischen Ausrichtung geübt, mit der Trainer Petersen seine Elf auf den Rasen zu schicken pflegt. O-Ton: „hier ist nicht alles ‚Friede-Freude-Eierkuchen und das muss man jetzt auch mal dringend ansprechen.“ Also ‚jetzt’ im Sinne von ‚nach einer unglücklichen Niederlage gegen einen ambitionierten Zweitligisten, bei der der im Aufbau befindliche Viertligist überwiegend eigentlich ganz okay aussah’. Oder so. Ohne das jetzt im Detail noch mal alles aufdröseln zu wollen (nachzulesen ist die ganze Geschichte zum Beispiel hier oder auch hier) erfolgte kurze Zeit später die Suspendierung und die Versetzung von Marco Kurth in den Kader der 2. Mannschaft, mit der er seither auch trainiert. Um an der Stelle noch mal selbst Position zu beziehen: Ich finde diese vom Verein gezogene Konsequenz absolut richtig und nachvollziehbar, zumal Marco Kurth nicht zum erstem Mal mit derartiger Kritik in Erscheinung trat. Klar kann man, und muss man als Mannschaftskapitän sogar, Sachen ansprechen, gern auch kritisch, aber dann bitte intern und auch nur intern. Und wenn mir als Kapitän nicht gefällt, wie mit einer solchen internen Ansprache umgegangen wird, ich mich nicht gehört oder nicht verstanden fühle und möglicherweise sogar beleidigt bin, dass es nicht nach meinem Kopf geht – dann kann ich immer selbst die Konsequenz ziehen und sagen: „Ich bin raus, mit mir nicht mehr.“ Wobei, möglicherweise hat Marco Kurth genau das mit seiner Aktion ja bezwecken wollen… man weiß es nicht. Überhaupt, das hab ich auch an anderer Stelle schon mal geschrieben, machte es in der letzten Zeit vermehrt den Eindruck, als würde sich der Ex-Bundesligaspieler vor allem durch Motzereien und Kritik (an allen außer sich selbst) und weniger durch überragende Leistungen auf dem Platz hervortun, die er aber stets und ständig von sich und anderen erwartet. Das ist aber nur meine persönliche Meinung und durchaus nicht unbedingt repräsentativ. So jedenfalls geht es nicht und die sportliche Leitung ist dann aus meiner Sicht auch nur konsequent, wenn sie Kurth aus der ersten Mannschaft entfernt.

Was allerdings der ganzen Angelegenheit jetzt eine gewisse Würze verleiht (und da kommen wir einer möglichen Ursache der jetzigen Situation schon ein wenig näher), ist die Begründung, die der 1. FC Magdeburg via Mitteilung auf der Vereinshomepage zur Suspendierung gab: Ausschlaggebend wären demnach rein sportliche Gründe gewesen; irgendwo in der Tagespresse war dann noch zu lesen, Marco Kurth hätte ohnehin (sportlich) gegen Cottbus bereits ‚auf Bewährung’ gespielt. Mit Verlaub, Herzensverein, aber das ist natürlich ein Witz! Meiner bescheidenen Meinung nach dürfte es wohl eher selten vorkommen, dass ein Spieler, der quasi saisonübergreifend auf einen Stammplatz abonniert ist, bei durchwachsenen bis eher schlechten sportlichen Leistungen (die definitiv, ebenfalls saisonübergreifend, vorlagen) direkt mal die Stationen ‚Bank’ und ‚Tribüne’ überspringt und unmittelbar in die 2. Mannschaft, mithin also die Verbandsligareserve, durchgereicht wird. Hätte man verlauten lassen: „Nach den aktuellen Äußerungen des (ehemaligen) Mannschaftskapitäns ist die Vertrauensgrundlage zwischen sportlicher Leitung und Spieler leider unwiederbringlich zerstört. Aus diesem Grund haben wir uns dazu entschieden…“, hätte vermutlich niemand groß etwas gesagt. Die Fangemeinde hätte sich wahrscheinlich kurz erregt („Pro Marco Kurth!“ – „Marco Kurth raus!“), wäre aber tendenziell eher noch froh gewesen darüber, dass man im Verein endlich mal wieder klare Ansagen macht usw.. Hat man nun aber nicht, was konkret dazu führt, dass Andreas Petersen (und ein bisschen auch Mario Kallnik) ein kleines Öffentlichkeitsarbeits- und in gewisser Weise auch ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen und sich relativ stark angreifbar gemacht hat. Es gibt nicht wenige, die Petersen außerdem mangelnde Führungskompetenz und ein Autoritätsproblem unterstellen… Gut nachzulesen zum Beispiel in den mittlerweile 21 (!!!) Seiten des entsprechenden Threads im Fanforum zu Kurths Suspendierung. Interessanterweise begründet Petersen in der heutigen Tagespresse die Suspendierung (angesprochen auf eine mögliche Aufhebung selbiger) sinngemäß mit der Aussage, dass vorher wohl schon Dinge vorgefallen wären und das Tischtuch endgültig zerschnitten ist. Warum eigentlich nicht gleich so? fragt sich da der geneigte Anhänger. Eine konsistente und konsequente Haltung nach außen sieht jedenfalls irgendwie anders aus.

Fakt ist, dass die ganze Geschichte schon wieder FCM-esk unglücklich gelaufen ist (Öffentlichkeitsarbeit ist ja wirklich nicht so unser Ding) und Petersen seither unter ganz besonderer Beobachtung steht. Wirft man in den Topf jetzt noch die immer mal wieder aufkeimende Kritik an seiner Strategie, in Vorbereitungsspielen weniger auf eine sich einspielende Stammformation, als auf möglichst viel Spielzeit für alle Spieler gleichermaßen zu setzen und nimmt man dann noch seine mitunter, ähm, markigen Ansagen dazu, kann man sich ungefähr vorstellen, welche Druckkulisse sich bereits vor dem ersten Punktspiel auswärts in Berlin aufgebaut hatte. Die Situation war eigentlich vollkommen klar: ein souveräner Sieg beim Berliner AK mit neuem Kapitän (Marius Sowislo) und neuem defensiven Mittelfeldspieler (Steffen Puttkammer) sowie einer befreit und erfrischend auftretenden und aufspielenden Magdeburger Mannschaft lässt die Kritiker verstummen, gibt Petersen Recht und alles wäre schön und schick. Alles andere als ein solcher Sieg würde die Suppe erst so richtig zum Brodeln bringen. Tja, und was soll man sagen? Der FCM verliert sang- und klanglos 1-3 im Jahnsportpark und muss wohl, den Augenzeugenberichten zufolge, bis auf wenige Szenen eine ziemlich armselige Vorstellung abgeliefert haben. Interessanterweise unterscheiden sich hier Spielberichte der Lokalzeitungen und –medien zum Teil massiv von Erzählungen an sich verlässlicher, vertrauenswürdiger und sachkundiger Auswärtsfahrer und da ich das Spiel selbst nicht live gesehen habe, verbietet sich da eine Einschätzung meinerseits. Klar ist auf jeden Fall, dass die Mannschaft die notwendige Antwort auf die ganzen Querelen vorher auf dem Platz mit Sicherheit nicht gegeben hat und dass nun natürlich all diejenigen Kritiker wieder aus ihren Löchern gekrochen kommen Wasser auf die Mühlen bekommen haben, die Petersen ja schon von jeher und überhaupt und generell als völlige Fehlbesetzung auf dem Trainerstuhl der Größten der Welt gesehen haben. Aus Prinzip, wie man manchmal glauben könnte.

Genau genommen spaltet sich die Anhängerschaft, soweit ich das einschätzen kann, inzwischen in zwei große Teile: auf der einen Seite besagte Kritiker, die jetzt, nach 2 verlorenen Pflichtspielen zu Saisonbeginn, schon wieder das Ende des Abendlandes vorhersehen, ausnahmslos alles in Frage stellen und für die klar ist, dass dieser Verein mit diesem Trainer in dieser Liga noch sehr, sehr lange sein Dasein fristen wird und dass ohnehin alles kacke ist. Außer Mutti. Die ‚Ich-habs-Euch-ja-schon-immer-gesagt‘-Fraktion quasi. Auf der anderen Seite stehen die bedingungslosen Berufsoptimisten (zumindest, was den Club angeht), zu denen ich mich jetzt tendenziell auch mal zählen würde. Meinung hier: wir brauchen Zeit und vor allem Geduld, lasst Petersen mal mit der Mannschaft in Ruhe arbeiten, Rückschläge gehören dazu, das wird schon noch. Eben die ‚Gut-Ding-will-Weile-haben‘-Fraktion.

Und dann gibt es interessanterweise noch so Zwischentöne, also Leute, die die jetzige Situation zum Anlass für eine durchaus kritische, aber nüchterne Analyse nehmen und vor dem Hintergrund der von Marco Kurth geäußerten Kritik vor allem die taktische Arbeit Petersens und die Entwicklung der Mannschaft genauer unter die Lupe nehmen. Sozusagen in dem ganzen Kuddelmuddel die wohltuende Fraktion. Exemplarisch sei an dieser Stelle auf einen klug geschriebenen und sehr lesenswerten Blogbeitrag vom @madcynic verwiesen. Dessen Quintessenz, nämlich die geforderte Demission Petersens, teile ich zwar nicht; dennoch hat mich dieser Beitrag zugegebenermaßen noch mal ziemlich ins Grübeln gebracht. Den Aspekt, dass Petersen ja bisher tatsächlich nur unterklassige Mannschaften trainierte oder solche, die sich vor allem durch ein gewisses Underdog-Image auszeichneten, habe ich so in der Tat und in Hinblick auf das Unternehmen ‚3. Liga’ noch nicht wirklich bedacht – musste ich ja auch nicht, weil das letzte Saison ja eigentlich auch super funktioniert und gepasst hat. Da kommt ein Trainer, der Germania Halberstadt in der Liga etabliert hat und für grundsolide Arbeit mit wenig Mitteln steht. Nach der katastrophalen Spielzeit 11/12 hat niemand groß etwas erwartet, (fast) alle konnten mit dem Ziel ‚Klassenerhalt’ leben und dass dann so eine Saison rauskommt, zu deren Beginn ja sogar der Trainer selbst sagte, dass einige Ergebnisse eher glücklich zustande kamen, konnte nicht wirklich jemand ahnen. Diese Saison aber wurde die Mannschaft qualitativ durchaus gut verstärkt (Puttkammer, Fuchs, Handke, Hammann fallen mir spontan ein) und es geht darum, jetzt ein Team aufzubauen, was die guten Leistungen bestätigt und sich in den Top 5 oder so der Tabelle festsetzt. Das bedingt natürlich auch eine entsprechend offensive Spielweise und ein passendes Auftreten der Mannschaft auf dem Feld. Man ist nun eben nicht mehr der Underdog, sondern wieder der (ehemals) große 1. FC Magdeburg.

Was aber, wenn Andreas Petersen das gar nicht spielen lassen kann? Was aber, wenn Andreas Petersen nur dann ein hervorragender Trainer ist, wenn es darum geht, aus wenig etwas akzeptables zu machen und junge Spieler zu formen, die dann für etwas Geld zu größeren Vereinen gehen? Was aber, wenn er kein Trainer ist, der offensiven, dominierenden, selbstbewussten Angriffsfußball spielen lässt und/oder Teams formen kann, die den Gegner größtenteils dominieren? Was aber, wenn er einfach ein Konsolidierungs-, aber kein Aufstiegstrainer mit höherklassigen Ambitionen und Qualitäten ist? Was dann?

Dann würde ich an der Stelle vermutlich den Phrasenschwein-Spruch bringen, dass ja noch kein Meister vom Himmel gefallen ist und dass uns Trainer mit nachgewiesener Zweitligaqualität (Paul Linz) in der jüngeren Vergangenheit ja nun auch einfach mal nicht zu höheren Weihen geführt haben. Um mich wieder auf meine Optimistenposition zurückzuziehen: Natürlich ist Andreas Petersen jetzt, berufsbiographisch, wenn man so will, in einer Situation, in der auch er dazulernen muss. Richtig ist, dass er noch keine Mannschaft vom Amateur- in den Profifußball geführt hat. Weil das auch bisher noch nicht sein Auftrag war. Ich denke schon, dass Petersen sich auch genau wegen dieser Herausforderung seinerzeit für das Abenteuer „1. FC Magdeburg“ entschieden hat und genau diese Herausforderung jetzt auch annehmen muss. Das bedeutet, auch als Trainer menschlich bzw. menschenführungsbezogen und vor allem spieltaktisch den nächsten Schritt zu machen, also genau das zu vollziehen und vorzuleben, was er auch von seinen Spielern fordert. Genau das ist es, was ich jetzt eigentlich von Andreas Petersen erwarte und ich denke, man sollte vielleicht dann doch mal noch 2, 3, vielleicht 4 Spieltage abwarten, bevor man den Stab über Mannschaft und Trainer bricht.

Fest steht auf jeden Fall, dass die Wohlfühlatmosphäre der letzten Saison jetzt schon mal dahin ist und – die nächsten 5 Euro ins Phrasenschwein – nur der Erfolg dem Trainer Recht geben kann. Vor dem Hintergrund bin ich sehr gespannt, mit welcher taktischen Grundausrichtung und welchem Personal Petersen seine Mannschaft in das Landesderby gegen Germania Halberstadt am Sonntag schickt. Werden wir Telmo Teixeira und Lars Fuchs gemeinsam oder überhaupt in der Startelf sehen? Wird zu erkennen sein, dass die Mannschaft unbedingt gewinnen will und auch daran glaubt, das schaffen zu können? Wird Steffen Puttkammer beweisen können, dass Marco Kurths Abwesenheit sportlich kein Verlust ist? Wird Andreas Petersen rumbocken und alles beim Alten lassen, weil er ja keine Marionette ist und nicht nach den Wünschen der Fans, sondern nach Leistung aufstellt?

Man weiß es nicht, wird es aber sehen. Ich freue mich auf Sonntag.

3 Kommentare

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