1. FC Magdeburg – FC Erzgebirge Aue, 19. Spieltag, 1:0 (1:0)
Zugegeben, das ganz große Spektakel war es nicht, was der 1. FC Magdeburg und der FC Erzgebirge Aue den 18.757 Zuschauern an diesem 19. Spieltag auf dem brandneuen Geläuf des Heinz-Krügel-Stadions boten. Vielmehr ließe sich der erste Pflichtspielauftritt beider Teams nach der Winterpause eher in die Kategorie „Kampfspiel mit vielen fußballerischen Elementen“ einordnen. Außerdem durfte ordentlich gezittert werden, was neben den Außentemperaturen an diesem Dienstagabend vor allem der Wichtigkeit der Partie, zumindest aus Magdeburger Sicht, und dem Spielverlauf geschuldet war. Und da im neuen Jahr glücklicherweise alles anders wird, hatten dieses Mal die Größten der Welt das bessere Ende für sich. „Endlich!“, möchte man rufen: Nach dem 19. Spieltag ist nun auch der erste und so verdammt wichtige Heimsieg der Saison in den Büchern. Da kann man dann auch mal entspannt darüber hinweg sehen, dass die DFL es offenbar für eine grandiose Idee hielt, diese Punkterunde völlig ohne Not mitten in der Woche austragen zu lassen.
Jedenfalls war nach 37 Tagen Entzug und einer durchaus spannenden Winterpause das Kribbeln zurück, als es morgens zur Autovermietung ging, um den fahrbaren Untersatz für die Unter-der-Woche-Tour ins Heinz-Krügel-Stadion abzuholen. Wird das ein historischer Tag heute? Wer von den Neuen wird wohl in der Startelf stehen? Wie wird sich die Mannschaft präsentierten? Das waren so Fragen, die auch dann noch vorfreudig durch den Kopf geisterten, als Magdeburg längst erreicht war und sich das abendlich erleuchtete Stadion ins Blickfeld schob.
Debütantenball
Nun, zumindest auf die Frage nach den neuen Spielern in der Startelf hatten Michael Oenning und der Club eine gute Stunde vor Spielbeginn schon mal eine Antwort parat, die durchaus interessant war: Anstelle von Alexander Brunst hütete Giorgi Loria das Magdeburger Tor, was, zumindest gemessen an den „Brunst-ist-Nummer-1“-Bekundungen der letzten Wochen, durchaus eine Überraschung war. Und dann irgendwie auch nicht, weil man einen georgischen Nationaltorhüter mit reichlich internationaler Erfahrung ja vermutlich nicht verpflichtet, um ihn dann auf die Bank zu setzen. Vor Loria spielten in einer Viererkette von links nach rechts Timo Perthel (und damit Wintertransfer Nummer 2), Tobias Müller, Dennis Erdmann und Marius Bülter. Jan Kirchhoff (Wintertransfer Nummer 3) lief auf der defensiven Mittelfeldposition vor der Abwehr auf, davor sortierten sich Charles Elie Laprevotte und Rico Preißinger ein. Offensiv sollten Philip Türpitz links, Christian Beck zentral und Felix Lohkemper rechts Akzente setzen.
Interessant an der Aufstellung war ja auch, wer eben nicht spielte bzw. nicht einmal im Kader stand: Nils Butzen tauchte auf dem Spielberichtsbogen ebensowenig auf wie Romain Brégerie und Steffen Schäfer; Christopher Handke war ja ohnehin ein Vereinswechsel nahegelegt worden. Keine Ahnung, ob man sich zu weit aus dem Fenster lehnt, wenn man da nach der ersten kompletten Vorbereitung unter dem neuen Trainer doch von einem ordentlich Neustart spricht. Auf jeden Fall lässt sich festhalten, dass Michael Oenning das Team noch einmal ordentlich neu durchstrukturiert hatte und sich nun erweisen musste, ob das auch alles so funktioniert.
Um es vorwegzunehmen: Das tat es. Zumindest insofern, als dass die Gäste aus Aue nur ziemlich genau zweimal aufs Tor schießen durften und ansonsten zwar einiges an Spielanteilen hatten, aber eben kaum gefährlich werden konnten, was nicht zuletzt an einer stabilen Magdeburger Abwehr lag. Der FCM dagegen konnte sich, nimmt man beide Halbzeiten zusammen, gegenüber den Gästen ein deutliches Chancenplus erarbeiten, hatte spielerisch einige gute Phasen, kam aber zumindest in Halbzeit 1 zu selten zu richtig zwingenden Abschlussgelegenheiten. Naja, und dann bekommt man eben eine Partie mit vielen Aktionen zwischen den Strafräumen, aber wenig Spektakulärem vor dem Tor. Was selbstredend vollkommen okay ist, solange man selbst eben den einen Treffer mehr erzielt.
Die erste gute Gelegenheit der Begegnung hatten allerdings die Gäste, die in Person von Jan Hochscheidt in der fünften Minute frei vor Keeper Loria auftauchten. Der kann den Abschluss des Auer Offensivspielers parieren, wobei der Treffer aufgrund einer Abseitsposition ohnehin nicht gezählt hätte. Mit der zweiten Offensivaktion in Spielminute 10 hatte Aue, was zu dem Zeitpunkt natürlich noch niemand wissen konnte, sein Angriffspulver dann verschossen. Der sehr auffällige Dennis Kempe hatte sich im Mittelfeld stark gegen drei blau-weiße Gegenspieler durchgesetzt und auf Emmanuel Iyoha abgelegt, der relativ ungestört an der Strafraumkante entlangdribbeln und schließlich Loria prüfen durfte. Der Ball ging vom Handschuh des Torhüters an den Pfosten und von dort ins Toraus, die anschließende Ecke brachte keine große Gefahr.
Der FCM versuchte es derweil mit gepflegtem Passspiel, wenngleich bei der Autobesatzung auf der Rücktour die Meinungen hinsichtlich der Verteilung zwischen langen und kurzen Bällen etwas auseinander gingen. Auffällig war auf jeden Fall, dass man bei Ballverlusten gut nachsetzte; insbesondere Christian Beck gelang es mehr als nur einmal, Aues Torhüter Martin Männel so unter Druck zu setzen, dass dessen Abschläge entweder ungenau kamen oder Beck eben ein Bein dazwischen hatte. Das war schon stark vom Kapitän, der diese aggressive Spielweise komplett durchziehen konnte. Pferdelunge, ick hör‘ Dir trapsen!
Nach 25 Minuten hätte es gut und gerne schon 1:0 für die Hausherren stehen können, die in Person von Türpitz (19., vor der Linie geklärt) und Bülter (22., Fernschuss, Laprevotte fälscht den Ball noch gefährlich ab, Männel pariert dann stark) zu guten Gelegenheiten gekommen waren. Auch in der 28. Minute schaltete man gut um, spielte einen Konter über Philip Türpitz dann aber eher schlecht zu Ende. Vorausgegangen war eine kuriose Szene, in der ein Gästespieler im Mittelfeld Bekanntschaft mit der Schuhspitze eines Kollegen machte, Türpitz sich daraufhin den Ball schnappte und über rechts bis zur Grundlinie marschierte. Hinter ihm kreuzte Lohkemper ganz stark in Richtung Strafraum, Türpitz‘ flache Hereingabe landete dann aber viel zu leicht bei Männel. Schade, da wäre mehr drin gewesen. Der Club war jetzt im Spiel angekommen und ließ den Ball zum Teil gut laufen, wirklicher Raumgewinn ergab sich aber zu selten – was eben auch daran lag, dass die Auer Defensive zur Stelle war, wenn es drauf ankam.
In Spielminute 44 war sie dann aber doch machtlos, und das lag vor allem an Christian Beck, der eine Idee hatte. Im Mittelfeld war er an den Ball gekommen und sah Felix Lohkemper, der mal wieder zu einem seiner hervorragenden Läufe in Richtung Strafraum gestartet war. Die Weiterleitung in die Schnittstelle passt diesmal perfekt, Lohkemper kann den Ball in vollem Lauf mitnehmen, lässt Männel im Eins gegen Eins keine Chance und vollendet flach in die linke Ecke. Bäm! Erste Hundertprozentige, erstes Tor! Und dann noch blitzsauber herausgespielt. Man traute seinen Augen kaum, lag sich aber natürlich trotzdem in den Armen.
Führung für den Club, die Halbzeitpause nicht weit – so ließ es sich durchaus arbeiten. Zumal der Treffer der Partie und den blau-weißen Aussichten auf Erfolg nur gut tun konnte. Aue würde nun mehr investieren müssen, der Logik folgend sollten sich dadurch nun weitere Kontergelegenheiten ergeben. Ob das so kommen würde, sollte sich allerdings erst im zweiten Durchgang entscheiden – zwar gab es kurz vor dem Pausentee noch mal eine Ecke für die Gäste, allerdings blieb die ungefährlich, sodass zumindest die Akteure auf dem Rasen kurze Zeit später die Gelegenheit bekamen, sich in der Kabine ein bisschen aufzuwärmen.
Drölfhundertdreißig Puls
Der zweite Durchgang wurde dann, wenn man bisher alle Saisonspiele im Stadion verfolgt und dementsprechend so seine Erfahrungen gemacht hatte, einigermaßen anstrengend. Das lag aber weniger daran, dass der Club nur noch hinten drin stand (das tat er tatsächlich erst ab etwa der 85. Minute), sondern vielmehr an dem Umstand, dass es nicht gelang, den viel zitierten Sack einfach mal zeitig zuzumachen. So verpasste es bereits in der 48. Minute Christian Beck, die Führung auszubauen, als er eine Flanke von Philip Türpitz nicht an Männel vorbeidrücken konnte. In der 59. Minute vergab Michel Niemeyer (kam in der 57. für Timo Perthel) ziemlich kläglich aus aussichtsreicher Freistoßposition etwa 20 Meter vor dem Tor, indem er den Ball in die Mauer setzte. Vorher war – klar – Arbeitstier Beck von Wydra gelbwürdig daran gehindert worden, einen Steckpass in Richtung Strafraum zu verwerten.
In der 66. Minute holte der Kapitän mit einem starken Dribbling über das halbe Feld, bei dem im Prinzip alle Kollegen ehrfurchtsvoll zuschauten, einen Freistoß heraus, der zur Ecke wird. Der Ball landet letztlich bei Felix Lohkemper, der sich im Rückraum ein Herz fasst, die Kugel dann aber doch deutlich über das Tor donnert.
Naja, und in Spielminute 75 dachte man sich so: „Okay, alles klar, alles wie immer. Meh.“
Marcel Costly war inzwischen für Lohkemper gekommen, auf der anderen Seite war Ole Käuper neu in der Partie und hatte Philipp Riese ersetzt. Ebenjener Käuper war es dann auch, der im Strafraum und im Duell mit dem insgesamt starken Jan Kirchhoff zu Boden ging. Dr. Matthias Jöllenbeck aus Freiburg entschied sich recht schnell und unerfreulicherweise für einen Strafstoß, auf der Nordtribüne sackte der eine oder die andere in einen der ansonsten unbenutzten Schalensitze. Es durfte doch einfach nicht wahr sein! Nicht schon wieder! Da kriegt Aue offensiv so gut wie nichts auf den Platz, dafür aber möglicherweise ein Tor geschenkt.
An diesem Abend aber sollte es dann doch mal anders kommen. Nach Rücksprache mit dem Linienrichter nahm der Unparteiische die Entscheidung zurück. Tatsächlich. Ernsthaft. Kein Elfmeter! Nach allem, was in dieser Saison schon so passiert war, konnte das eigentlich nicht stimmen, tat es aber doch. Und es war, schaut man sich die Wiederholungen an, die richtige Entscheidung. Kurz wurde in der Reihe hinter uns überlegt, ob man nicht vielleicht ausnahmsweise mal ein „Guter DFB! Guter DFB! Guter, guter, guter DFB!“ anstimmen sollte.
Das Problem war nur: Es war ja noch nicht Schluss und Aue machte keine Anstalten, sich mit dem 0:1 zufrieden zu geben. Gleichzeitig wollte der FCM jetzt die Entscheidung, aber da war ja noch die Sache mit dem Sack und dem Zumachen. Kurzum: Wir hatten ein Fußballspiel!
Christian Beck hätte der Aufregung in der 78. Minute ein Ende setzen können, als er ziemlich zentral auf Höhe des Elfmeterpunktes freigespielt wurde, den Ball dann aber – fast überrascht ob der super Position – Martin Männel in die Arme schob. Nur eine Minute später ist es Dennis Erdmann, der das Spielgerät nach einem gut getretenen Freistoß (es geht also doch!) per Kopf eher auf den Keeper zurückgibt, als ihn mit Schmackes in die Maschen zu donnern. Puls inzwischen: drölfhundertdreißig. Sorgenlevel: 10/10. Fürth spukte im Kopf rum. Regensburg auch. Die Zeit wollte nicht vergehen. Es war furchtbar. Wird man vielleicht irgendwann wirklich zu alt für den Scheiß?
Wie schon gesagt, ließ sich der Club zu allem Überfluss nun auch noch ordentlich hinten reindrängen. Michael Oenning wird zu dieser Phase später sagen, dass das nicht gut war und man wieder in alte Muster verfiel. Das Stadion stand indes komplett, „FCM, Blau-Weiß!“ donnerte es durch den Magdeburger Abend. Ich werde nie verstehen, wie Menschen in so einer Situation noch singen können. Noch ein langer Ball von Aue. Noch mal raus das Ding. Rother für Türpitz. Irgendwas mit Abschlag. Abpfiff. Heimsieg! Das sind so die Schlussphasen, die Kardiologinnen und Kardiologen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen lassen. Aber egal: Es war geschafft! Der 1. FC Magdeburg hatte sein erstes Heimspiel in der 2. Liga gewonnen! Während die Spieler erschöpft zusammensackten, gab die Kurve den Beat vor. Und das tat wahnsinnig gut.
Fazit:
Das Ding war wichtig, da kann es keine zwei Meinungen geben. Und ganz ehrlich: Am Ende ist es ganz egal, wie der Sieg zustande kam. Hauptsache, man hatte endlich mal eine Führung über die Zeit gebracht, diese verdammte Nichterfolgsserie zuhause durchbrochen, dem Druck in der Endphase standgehalten und gezeigt, dass die eine oder andere Winter-Stellschraube offensichtlich auf die richtige Position gedreht wurde. Es gibt zwar überhaupt keinen Grund, jetzt übermäßig euphorisch zu werden, aber mit so einem Heimsieg im Rücken fährt es sich doch ein gutes Stück entspannter nach Ingolstadt. Dort werden die Größten der Welt bereits am Freitagabend einen neuen Gästeblock kennenlernen und die Kolleginnen und Kollegen in Bayern sicher wissen lassen, wer die Nummer Eins der Welt ist und wo wir unsere Mannschaft vorrangig haben kämpfen und siegen sehen.
Ich freue mich drauf und bin gespannt, ob wir den Heimsieg gegen Aue in Ingolstadt werden vergolden können. Und auch auf die Gefahr, mich zu wiederholen: „Noch ist Magdeburg nicht verloren!“ Es wäre ja gelacht, wenn es jetzt nicht richtig abginge.
Nur der FCM!
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