SV Waldhof Mannheim – 1. FC Magdeburg, 22. Spieltag, 1:1 (0:0)
Es ist ja so: In jeder Saison gibt es in so ziemlich jeder Liga diese eine Mannschaft, von der man es nicht erwartet hätte, die dann aber plötzlich doch da unten mit drin steht. Und ich hätte mir sehr gewünscht, dass das auch in der Drittligasaison 2019/2020 wieder irgendein „Völlig egal“-Team sein würde und nicht ausgerechnet der 1. FC Magdeburg. Das Gesehene in Mannheim und der Blick auf die Tabelle legen allerdings etwas anderes nahe: Vier Punkte sind es noch bis zum ersten Abstiegsplatz (für die Statistik: und elf bis zum Relegationsrang) und wenn man mit 28 Zählern auf Rang 13 liegt, ist das nach 22 absolvierten Partien sicherlich ein recht realistisches Abbild des Leistungsvermögens der Mannschaft. Spannend, dass einige Aussagen (z.B. diese hier von Sören Bertram unmittelbar nach dem Abpfiff) doch eine gewisse Diskrepanz zwischen der eigenen Wahrnehmung und dem Gefühl im Gästeblock nahelegen und interessant auch, wie unterschiedlich die Bewertungen von Fußballspielen so sein können.
Bei frühlingshaften Temperaturen wählte Cheftrainer Claus-Dieter Wollitz eine Aufstellung, die von der gegen Zwickau auf lediglich einer Position abwich: Für den gelbgesperrten Timo Perthel rückte Leon Bell Bell auf die linke Verteidigerposition. Ansonsten spielten vor Morten Behrens wieder Dustin Bomheuer, Tobias Müller und Dominik Ernst in der Viererkette, Jürgen Gjasula im defensiven Mittelfeld, Marcel Costly, Mario Kvesic, Rico Preißinger und Sören Bertram offensiv sowie Christian Beck im Sturmzentrum.
Außer Standards kaum was gewesen
Wenn Bertram nach Spielschluss davon sprach, dass „sicher mehr drin“ war, meinte er vielleicht auch die unmittelbare Anfangsphase der Partie, in der sich der Club engagiert zeigte und gleich nach zwei Minuten einen Freistoß erarbeitete. Den trat besagte Nummer 20 von rechts vor das Tor, ohne ihn zunächst auf einen Mitspieler bringen zu können. Heiß blieb der Ball trotzdem; Marcel Costly ist es schließlich, dessen Abschluss von rechts flach links am Ziel vorbei ging. Danach passierte zunächst erst einmal wenig. Waldhof Mannheim wirkte, mit dem Auswärtssieg in Meppen und überhaupt einer sehr guten, bisherigen Saison im Rücken, gefälliger und ballsicherer, so richtigen Zugriff auf das Spiel bzw. Zug zum Tor konnten aber beide Teams in der Anfangsviertelstunde nicht entwickeln. Nach zwölf Minuten hatten sich die Gastgeber mal über links durchgespielt; bevor Marx allerdings frei vor Behrens verwandeln konnte, schnappte sich der Keeper vor dem „Bu“ den Ball.
Nach 17 Minuten dann die erste Ecke für den Club, die Costly von links zusammen mit Jürgen Gjasula kurz ausführte. Die Variante brachte einen zweiten Versuch, diesmal von rechts, den Kapitän Beck letztlich am kurzen Pfosten ins Aus köpfte. Standards blieben für die Größten der Welt auch im weiteren Verlauf des ersten Durchgangs das Mittel der Wahl, während es Mannheim immer mal wieder spielerisch zumindest versuchte. Nach 22 Minuten ergab sich so auch die vielleicht beste Chance bis dahin: Ein Einwurf und ein paar Pässe auf der rechten Bahn reichen, um Valmir Sulejmani im Strafraum in eine gute Abschlussposition zu bringen. Gut für uns, dass der Mittelstürmer diese Gelegenheit (noch) nicht zu verwerten wusste.
Insgesamt merkte man Waldhof Mannheim das Selbstvertrauen und vor allem ein gewisses positives Selbstverständnis durchaus an, während bei den Größten der Welt eher Vorsicht und irgendwie so eine gefühlte Unsicherheit herrschten. Da war im Spielaufbau vieles ein bisschen zögerlich, fast zaghaft, von Automatismen oder einem konsequenten Zug zum Tor war jedenfalls in den ersten 45 Minuten nur wenig zu sehen. Zwischendurch schoss mir der Gedanke zu (den ich dann in der Halbzeitpause auch vertwitterte): Wenn es wirklich nach dem Leistungsprinzip geht, müsste eigentlich die Kurve spielen. Der ordentlich gefüllte Gästeblock war jedenfalls gut drauf, an den Jungs und Mädels in (überwiegend) Weiß lag es nicht, dass sich der Ball nicht so recht in Richtung Mannheimer Tor bewegen wollte.
Nach 39 Minuten hatte Marcel Costly dann noch mal eine vielversprechende Gelegenheit, nachdem er links im Strafraum schön freigespielt wurde, dann aber lieber noch mal quer legte, anstatt selbst zu schießen. Fünf Minuten vor dem Pausentee schließlich Gjasula mit einem Freistoß, der zu einer gut getretenen Ecke wird. Ein Abschlussversuch blieb allerdings aus, sodass es nach einem spielerisch recht dürftigen Auftritt mit 0:0 in die Pause ging.
Verzerreffekte
Zu Beginn des zweiten Durchgangs nahm Trainer Wollitz eine personelle und taktische Veränderung vor, indem er Björn Rother für Mario Kvesic einwechselte. Der Club nun also mit einem Mann mehr im defensiven Mittelfeld, eher einem 4-2-3-1 als Grundordnung und plötzlich (auch dank einer sehr engagierten Leistung von Rother) mit ordentlich Dampf: In der 48. Minute ist es zunächst Christian Beck, der mit einer Riesengelegenheit am Fuß von Mannheims Timo Königsmann scheitert; fünf Minuten später schließlich setzte Rother einen Abschlussversuch aus gut 20 Metern auf’s Tornetz. Der Club war jetzt da, baute so etwas wie Druck auf – und nahm sich in der 54. Minute den Schwung direkt wieder selbst: Mannheim mit dem guten, öffnenden Pass auf die linke Außenbahn, wo Dominik Ernst Gianluca Korte nicht am Flanken hindern kann. In der Mitte entwischt Sulejmani dann Tobias Müller, hält den Fuß an den Pass und zack! steht es 1:0 für die Hausherren. Ganz bitteres Tor zum schlechtestmöglichen Zeitpunkt. Und natürlich die Frage, wie die Mannschaft auf diesen Nackenschlag reagieren würde.
Die Antwort: Zunächst reagierte mal Claus-Dieter Wollitz, der Dominik Ernst nach 57 Minuten aus dem Spiel nahm und Manfred Osei Kwadwo brachte. Marcel Costly rückte auf die Rechtsverteidiger-Position, der neue Mann besetzte das linke offensive Mittelfeld und machte das durchaus ordentlich. Allein, Torchancen blieben Mangelware, ein wirkliches Aufbäumen und der unbedingte Wille, zum Ausgleich und vielleicht ja sogar noch zu einem Führungstreffer gelangen zu wollen, war zumindest für mich und die Leute um mich herum kaum erkennbar. Es dauerte bis zur 65. Minute, eher Marcel Costly via Kopfball für eine nächste Torannäherung sorgte, seinen Abschluss nach einer Ecke aber links neben den Kasten platzierte.
Mannheim spielte das im weiteren Verlauf eigentlich recht souverän runter, so bis zur 80. Minute drängte sich nicht der Eindruck auf, dass sich am Spielstand noch einmal etwas verändern könnte. Phasenweise war das wirklich schlimm anzuschauen, weil spielerisch mitunter gar nichts mehr ging, die Größten der Welt kaum mal noch über die Mittellinie kamen und ein ums andere Mal den Ball bereits im ersten Drittel wieder verloren. Wenn man in Mannheim darüber nachdenkt, wie man den Sieg noch aus der Hand geben konnte, wird man sicherlich auch an diesen Spielabschnitt denken. Glück für uns, dass auch die Hausherren nicht mehr allzu viel nach vorn investierten.
Es dauerte schließlich bis zur Schlussphase, ehe sich Wollitz‘ Mannschaft darauf besann, hier vielleicht doch noch mal das etwas gröbere Werkzeug auszupacken und irgendwie ein Tor zu erzwingen – was dann ja auch gelang und in der Bewertung des Spiels unmittelbar nach dem Abpfiff offenbar zu einigen Verzerreffekten führte. Scheiterte Sören Bertram in der 86. Minute noch mit einem Fernschuss, der hinter dem Tor an die Werbebande klatschte, machte er es in der Nachspielzeit deutlich besser. Erst verdribbelt sich Kwadwo noch im Strafraum, den freien Ball donnert Bertram schließlich mit Schmackes und direkt vor der Magdeburger Kurve in die Maschen. Hurra. Ausgleich. Glück gehabt. Und klar ist das am Ende auch eine Mentalitätsfrage. Trotzdem war das wohl eher ein glückliches als ein „hoch verdientes“ Unentschieden. Aber hey, so ist Fußball. Drei Betrachter, vier Meinungen. Und damit sicher jede Menge Diskussionsstoff.
Fazit:
Tja, Clubfans, später Ausgleich hin oder her: Willkommen im Abstiegskampf! Und der wird mit dieser Truppe vermutlich alles andere als einfach. Aber hey: Gegen die direkte Konkurrenz müssen wir, bis auf Zwickau, erst noch ran und spielen gegen alle betreffenden Mannschaften außerdem ausnahmslos zuhause. Das ist doch schon mal was. Die Frage, ob diese Saison irgendwie so austrudelt, einfach nur schlimm wird oder am Ende wirklich katastrophal ausgeht, kann das Team von Claus-Dieter Wollitz (oder wer auch immer am 38. Spieltag auf der Bank sitzen wird) also immerhin noch selbst beantworten. Zu mehr als einem blauen Auge wird es 2019/2020 jedenfalls kaum mehr reichen. Lasst uns die Mannschaft in diesem Kampf unterstützen. Der Weg wird lang genug.
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