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„Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!“

1. FC Magdeburg – FC Augsburg, DFB-Pokal 2014/2015, 1. Runde, 1-0 (0-0)

Noch 5 Spiele bis Europa! So die (nicht ganz ernst gemeinte) Bilanz nach einem sensationellen Pokalabend am 17.08.2014 im Heinz-Krügel-Stadion zu Magdeburg. Und am Ende ist so etwas natürlich immer leicht zu behaupten, aber: ich habe es den ganzen Tag gewusst und allen, die es hören wollten, erzählt: „Wir können das heute nicht verlieren.“ Dass ich Recht behalten sollte, war dabei zum einen einer ziemlich uninspirierten Augsburger Elf, aber und vor allem auch einer überragenden taktischen Leistung unserer Mannschaft und der phantastischen Unterstützung unserer Farben von den Rängen zu verdanken.

Choreo zum Spiel gegen Augsburg. Mit bestem Dank an Thorsten Kessler für das Bild!

Choreo zum Spiel gegen Augsburg. Mit bestem Dank an Thorsten Keßler für das Bild!

Los ging es am Spieltag schon verhältnismäßig zeitig mit einem Fanmarsch vom Alten Markt zum Stadionvorplatz, auf dem vor der Partie das Denkmal zu Ehren unseres Meister- und Europapokalsieg-Trainers Heinz Krügel eingeweiht wurde. Dabei ist es für mich nach all den Jahren immer wieder aufs Neue faszinierend und beeindruckend, was unsere Fanszene so alles auf die Beine stellen kann. Ein Denkmal für die wahrscheinlich größte Legende der Vereinsgeschichte, geplant und finanziert von uns für uns und für unseren Verein. So etwas gibt es nirgendwo sonst (und nähere Informationen zum Heinz-Krügel-Denkmal gibt es hier).

 

Erstmal 'ne Wurst

Erstmal ’ne Wurst

Nach der Einweihung und der obligatorischen Kräuterbratwurst (die sich im Übrigen auch zwei unerschrockene Anhänger_innen des FC Augsburg inmitten des blau-weißen Trubels haben munden lassen) begann, das gebe ich gern zu, auch bei mir so langsam das große Kribbeln und 15 Minuten vor Anpfiff war es dann ganz vorbei mit der Coolness. DFB-Pokal. Ein Erstligist zu Gast im HKS. Volle Ränge. Richtig volle Nordtribüne. Zittrige Hände. Weiche Knie. Es konnte losgehen. Zum Einlaufen der Mannschaften dann die oben abgebildete Choreo und ein lautes „Du bist niemals alleine!“ und schon ging sie ab, die wilde Fahrt, die sich im Verlauf der Begegnung zu einer einzigen großen Party entwickelte.

Zum Spiel:

Das begann (genau genommen beim Warmmachen der Mannschaften schon) mit einer kleineren Überraschung dahingehend, dass Matthias Tischer und nicht, wie angekündigt, Jan Glinker zwischen den Pfosten stand. Letzterer hatte sich wohl beim Warmmachen verletzt; für den ehemaligen Zweitligakeeper natürlich extrem bitter. Gute Besserung an dieser Stelle! Und wie das im Profisport halt so ist, profitiert dann an so einem Tag eben der Konkurrent, der die Möglichkeit, die im bisherigen Saisonverlauf aufgekommenen kritischen Stimmen an seiner Person zunächst erst einmal verstummen zu lassen, eindrucksvoll genutzt hat. Und nach dem Spiel auch entsprechend mit „Matthias Tischer!“-Sprechchören und einem Besuch auf dem Vorsängerpodest belohnt wurde.

Blau-Weiß begann mit einer erwartungsgemäß sehr defensiven Aufstellung und quasi mit einem 5-4-1: Trainer Härtel hatte im Abwehrzentrum mit Schiller, Puttkammer und Handke drei Innenverteidiger aufgeboten, die defensiven Außenpositionen besetzten Lange (links) und Hammann (rechts). Davor Niklas Brandt und Marius Sowislo zentral sowie Schlosser und Steinborn links bzw. rechts im Mittelfeld. Christian Beck bildete die einzige Spitze. Dadurch, dass sich sowohl Schlosser, als auch Steinborn immer mal wieder in die Abwehrreihe zurückfallen ließen, entstand phasenweise so etwas wie ein 6-3-1. Besonders fiel mir hierbei Marcel Schlosser auf, der rechts wie links auftauchte und läuferisch und kämpferisch aus meiner Sicht eine überragende Partie ablieferte. Gleiches gilt für René Lange, der auf seiner linken Seite sensationell agierte und dort vor allem in der ersten Hälfte gegen den Bundesligisten (!) so gut wie gar nichts zuließ.

Augsburg tat sich dementsprechend schwer, enttäuschte aber auch insgesamt spielerisch, weil der Mannschaft von Markus Weinzierl gegen extrem tief stehende Magdeburger eigentlich gar nichts einfiel. Den Klassenunterschied kann man dann auch über das gesamte Spiel allenfalls an den „gefühlt 80% Ballbesitz“ (Jens Härtel) und an verschiedenen Eins-gegen-Eins-Situationen festmachen, in denen die Bundesligaspieler natürlich häufig individuell besser agierten, sich mitunter gut freispielen konnten und insgesamt in engen Situationen über den feineren und eben auch genaueren Pass verfügten. Bester Augsburger aus meiner Sicht Halil Altintop, bei dem mir immer ein wenig mulmig wurde, wenn er vor dem 16er den Ball bekam. Insgesamt aber, das muss man schon so sagen, war das wenig beeindruckend, was die Augsburger so abgeliefert haben.

Ganz anders der Erste Fußballclub Magdeburg: bis auf 2, 3 Szenen (unter anderem eine etwa in der 30. Minute), in denen man etwas die Ordnung verlor, spielte der Regionalligist die Partie taktisch extrem diszipliniert und mit dem für einen richtigen Pokalfight natürlich auch erforderlichen läuferischen und kämpferischen Aufwand. Außerdem gelang es der Mannschaft, sich nicht nur hinten reinzustellen, sondern schon auch mal mitzuspielen, wenngleich insbesondere im ersten Abschnitt nach Ballgewinnen häufig zu hastig gespielt wurde, die Präzision fehlte und die Kugel dann relativ schnell auch wieder weg war. Aber hey: den ersten ordentlichen Torschuss gab es nach 20 Minuten, in der 38. Minute vergab Steinborn eine weitere schöne Schussgelegenheit. Verstecken geht mal ganz anders.

Mit einem 0-0 ging es schließlich in die Pause und bis hierhin fühlte ich mich in meinem guten Bauchgefühl erst einmal bestätigt. Nach Wiederanpfiff dann auch im Gästeblock eine kleine Choreo: es wurde eine Fahne mit dem Vereinswappen hochgezogen, dazu gab es kleine Schwenkfahnen. Was von der Nordtribüne dann auch gleich mal mit einem schönen „Choreo des Jahres! Das war die Choreo des Jahres!“-Gesang kommentiert wurde. Großartig :-). Nach kurzer, etwas deftigerer Nachfrage in Richtung Gästeblock, warum man denn nur in so geringer Zahl angereist sei, konzentrierte sich die Nord wieder auf den Support der eigenen Mannschaft. Angetrieben vom super aufgelegten Capo gab es Hüpfeinlagen, ordentlich Liedgut und natürlich die obligatorische Blockpolonaise. Und während sich die ganze Nordtribüne „FCM olé, olé!“ singend und hüpfend nach (von mir aus) rechts bewegte, registrierte ich in der 57. Minute im Augenwinkel einen fliegenden Ball, der plötzlich hinter Augsburgs Keeper Marvin Hitz im Tor zappelte. Es war unfassbar. Wir hatten getroffen. Und ich habe das Tor nicht gesehen.

Im Block gab es jetzt natürlich kein Halten mehr, Menschen fielen übereinander, lagen sich in den Armen und rasteten einfach völlig aus. Nicht nur, dass wir hier plötzlich mit einem Tor in Führung lagen – die ganze Geschichte war nicht einmal unverdient. Und wie es der Zufall so will, hat ein Haupttribünenbesucher das ganze Geschehen in der Nordkurve auch noch im Video festgehalten:

Später, zuhause, dank des Spielberichts-Clips beim MDR konnte ich sehen, dass es natürlich eine Standardsituation war, aus der das Tor entstand und dass es natürlich Christian Beck war, der sich die Möglichkeit nach einem schlimmen Fehler von Jan-Ingwer Callsen-Bracker nicht nehmen ließ und eiskalt abschloss. Dieser Mann ist für diesen Verein mit Geld eigentlich nicht mehr zu bezahlen.

Tja, und der Rest des Spiels: feiern, zittern, hoffen. 3 Minuten Nachspielzeit zeigte der Mann an der Linie irgendwann an. Gefühlt waren es etwa 30. Dann der Abpfiff – wir hatten soeben wirklich einen Bundesligisten aus dem DFB-Pokal geworfen.

Der FCM ist wieder da!

Der FCM ist wieder da!

Als wenn das alles nicht schon wahnsinnig genug war, folgte nach dem Abpfiff noch der für mich absolute Gänsehautmoment des ganzen Tages: nicht nur die Nordtribüne, sondern das ganze Stadion klatschte mit der Mannschaft ein und donnerte ein „FUßBALLCLUB MAGDEBURG!“ in den Magdeburger Abendhimmel. Alle knapp 17.800. (Naja, minus des Augsburger Anhangs, der recht schnell aus dem Gästeblock verschwunden war.) Aber dieser Zusammenhalt, diese Stimmung, dieses „Ihr auf dem Rasen, wir auf den Rängen“, auch das ist der Erste FC Magdeburg. Und wenn von 17.800 ab jetzt nur ungefähr 10% als regelmäßige Stadiongänger_innen neu hinzu- und wiederkommen, hat sich der Abend noch mal zusätzlich gelohnt.

Apropos regelmäßige Stadiongänger_innen. Was können wir nun aus dem Pokalfight für den Ligaalltag mitnehmen?

Erst einmal natürlich jede Menge Euphorie und die Erkenntnis, dass diese Mannschaft in der Lage ist, 90 Minuten zu ackern und mit einer enorm hohen taktischen Disziplin ein Spiel von Anfang bis Ende durchzuziehen. Das spricht letzten Endes natürlich auch für den Trainer, der die Mannschaft, wie das Spiel gezeigt hat, hervorragend einzustellen weiß. Kampfgeist, Laufbereitschaft, Disziplin und Einstellung in den Ligaalltag mitzunehmen und dort Spieltag für Spieltag immer wieder aufs Neue abzurufen, ist nun sicherlich die Aufgabe, der sich Trainerteam und Mannschaft stellen müssen. Gleich am 3. Spieltag gibt es dann auch schon das krasse Kontrastprogramm zu 17.800 euphorischen Anhänger_innen unter Flutlicht, geht es doch zum VFC Plauen ins schöne, beschauliche Vogtlandstadion. Dort haben wir selten wirklich gut ausgesehen und ich bin gespannt, ob der Pokalabend nun die Initialzündung war, auch in der Liga groß aufzutrumpfen.

Einen Wermutstropfen gibt es dann aber letztlich doch noch: die zweite Runde wird am 28. und 29.10. gespielt, einem Dienstag bzw. Mittwoch. Und da ich jetzt schon weiß, dass ich an diesen Tagen definitiv nicht in Magdeburg sein kann, ist meine Anwesenheit im Stadion in der zweiten Runde faktisch zu 100% ausgeschlossen. Für heute ist das aber egal, gilt es doch, den Moment einfach nur zu genießen.

Und: in Berlin am 30.05.2015, da bin ich auf jeden Fall dabei.

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