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Ansprüche und Wirklichkeiten

Mannheim

1. FC Magdeburg – SV Waldhof Mannheim, 3. Spieltag, 1:1 (1:1)

Vielleicht müssen wir, bevor es an eine Bewertung der Begegnung gegen Waldhof Mannheim gehen kann, erst einmal über Ansprüche und Erwartungen reden. Selten nämlich habe ich eine größere Diskrepanz zwischen meinen Eindrücken und Erkenntnissen und denen meiner FCM-Blase wahrgenommen als im Nachgang dieser Partie. Das ist grundsätzlich erst einmal spannend und ja auch das Schöne am Fußball: drei Augen, vier Meinungen. Trotzdem fällt es mir schwer, nachzuvollziehen, wie negativ dieses 1:1 gegen den SV Waldhof zum Teil gesehen wird. Klar, es mag sein, dass ich noch unter dem Eindruck des sensationell guten Supports stehe, der möglicherweise meine Wahrnehmung verzerrt. Oder dass mir die blau-weiße Brille einen ansatzweise objektiven Blick auf die Geschehnisse diesmal wirklich hart verbaut. Oder dass nur wenige Stunden Schlaf dank der englischen Woche die Sicht vernebeln. Kann alles sein. Aber ganz ehrlich? Ich bin nach diesem Spiel nicht unzufrieden nach Hause gefahren. Im Gegenteil.

Vor dem Anpfiff speisten sich meine Erwartungen vor allem aus den Eindrücken der ersten beiden Partien. Da hatte noch nicht allzu viel funktioniert; es gab viele Fehler, kaum mal wirklich dominante Phasen und nur die Ahnung einer Spielidee, die zum Beispiel mit so Dingen wie „geordnetes Chaos“ und „dem Gegner Stress machen“ zu tun hatten. Erklären konnte ich mir das durchaus ein Stück weit, auch wenn ich natürlich lieber rauschende Siege feiere, als eher krampfige Partien zu sehen: Die Vorbereitung war nicht allzu lang, der Kader ist im Prinzip einmal auf links gedreht worden, der Trainer ist neu und die Mannschaft als Zweitliga-Absteiger unterwegs. Dass sich da vieles noch finden muss, liegt für mich auf der Hand. Und ja, ich weiß, das klingt jetzt mächtig ausgelutscht und entschuldigend, aber es ist ja nun mal so. Abgesehen davon: Ich bin jetzt nicht ganz sicher, kann mich ad hoc aber nicht daran erinnern, dass andere Teams in ähnlichen Situationen die Dritte Liga vom Start weg komplett dominiert hätten. Grüße nach Kaiserslautern, Braunschweig, Karlsruhe und so weiter.

Vor diesem Hintergrund habe ich gegen Mannheim tatsächlich einige gute Dinge gesehen. In der zweiten Halbzeit zum Beispiel sahen die Gäste bis etwa zur 80. Minute so gut wie gar kein Land – der einzige richtig gefährliche Abschluss, den ich auf dem Zettel habe, ist der von Gianluca Korte in Spielminute 56, der allerdings nur entstehen kann, weil sich Jürgen Gjasula im eigenen Sechzehner einen haarsträubenden Ballverlust leistet. Ansonsten wurde zum Teil bereits im Mannheimer Strafraum gepresst (Stichwort: „dem Gegner Stress machen“) und wurden dort Bälle gewonnen, was es in den ersten beiden Partien in dieser Intensität und Häufigkeit nicht gegeben hat. Möchte man der Mannschaft in diesem Zusammenhang einen Vorwurf machen, dann den, aus den Möglichkeiten, die sich boten, nicht mehr gemacht zu haben.

Gleiches gilt für das Thema „Standardsituationen“. Davon gab es viele, gerade in der zweiten Halbzeit, und auch in diese Situationen kann man ja überwiegend nur kommen, wenn man es so spielt, dass der Gegner sich nur noch mit Fouls oder Klärungsversuchen ins Toraus zu helfen weiß. Dass bei unseren Freistößen und Eckbällen viel mehr rumkommen muss, ist völlig klar, aber immerhin haben wir das 1:0 nach einem Eckstoß erzielt. Wie häufig ist das eigentlich in der letzten Saison passiert? (Also, beides: Sowohl ein Führungstreffer als auch ein Standard-Tor.)

Manfred Osei Kwadwo (kam nach 61 Minuten für Marcel Costly) war erneut ein überaus belebendes Element auf der rechten Seite. Auch Thore Jacobsen hat es nach seiner Einwechslung für Rico Preißinger (52., gute Besserung an der Stelle) wieder sehr ordentlich gemacht. Auch das sind aus meiner Sicht gute Fingerzeige für die kommenden Spiele, in denen sich, wenn uns das Verletzungspech treu bleibt, die Mannschaft ja bald von allein aufstellen wird. Gut zu wissen, dass da Jungs auf der Bank sitzen, bei denen man nicht zittern muss, wenn sie ins Geschehen geworfen werden.

Dann haben wir mit Mario Kvesic endlich mal einen Spieler in unseren Reihen, der sich traut, einfach mal abzuziehen, auch wenn die Schussposition möglicherweise nicht immer die optimalste ist. Wie oft wurde der Ball in der Vergangenheit lieber noch mal zum Nebenmann geschoben, statt sich ein Herz zu fassen? Auch solche Schussversuche können eine Waffe sein, dann nämlich, wenn der Ball mal glücklich abgefälscht wird und/oder der Abpraller beim Mitspieler landet, der dann nur noch einschieben muss. Ist in diesem Spiel nicht passiert, aber wenn ich nicht aufs Tor schieße, nehme ich mir solche potentiellen Möglichkeiten ja von vornherein.

Natürlich gab es neben diesen positiven Eindrücken auch wieder etliche Dinge, die einem die Haare haben zu Berge stehen lassen, da müssen wir nicht drumrum reden. Alexander Brunst hatte zwar einige gute Szenen (zum Beispiel gegen Korte in der oben schon angesprochenen 56. Minute), wirkte an der einen oder anderen Stelle aber auch unsicher und suchte mitunter das Risiko in Situationen, in denen ein schnörkelloser Klärungsversuch oder ein konsequenteres Stellungsspiel vielleicht die besseren Optionen gewesen wären. Bei seinem Querpass im Strafraum in der vierten Minute oder fünf Minuten vor der Pause,  als er Deville den Ball deutlich außerhalb seines Sechzehners in die Füße spielt und Glück hat, dass der das leere Tor nicht trifft, stockte sicherlich nicht nur mir kurz der Atem. Gerade letztere Szene ist aber nicht nur Brunst allein anzulasten: Da stimmte die Abstimmung zwischen Preißinger, Koglin und eben dem Keeper gar nicht.

Überhaupt, Stichwort „Abstimmung“: Das ist derzeit wohl noch die größte Baustelle, die auch zum viel zu einfachen 1:1-Ausgleich durch Valmir Sulejmani nach 44 Minuten führte: Der Abstand zwischen Perthel und Koglin in der Viererkette ist viel zu groß, Mannheims Nummer 9 sieht den Raum und wird dort von Korte stark bedient. Der Abschluss dann nur noch Formsache und Brunst im Magdeburger Tor stinksauer – und zwar vollkommen zu Recht.

Gehapert hat die Abstimmung auch offensiv noch bei dem einen oder anderen Laufweg, besonders aufgefallen ist mir das bei Dominik Ernst, der ja gern und häufig mal den Weg in die Tiefe sucht, und Marcel Costly, der ihn einige Male sprichwörtlich hat ins Leere laufen lassen, weil er den langen Ball raus auf den rechten Flügel dann eben nicht spielt und stattdessen lieber eine Anspielstation in der Mitte sucht. Auch die eine oder andere Strafraumszene darf zukünftig gern noch deutlich gefährlicher werden, wenn vielleicht auch mal ein Ball blind weitergespielt werden kann, weil man weiß, wo der Kollege wie einläuft. Mit Sören Bertram haben wir da einen Spieler, der da immer wieder gute Laufweg-Ideen hat und bei dem es ja durchaus häufiger mal den Versuch gab, ihn dann auch einzusetzen (zum Beispiel in der 7., der 12. oder der 70. Minute). Das ist dann eine Frage von Verständnis und Präzision – beides Dinge, die sich üben lassen.

Vergessen sollten wir insgesamt auch nicht, dass der Club ja nicht allein auf dem Rasen steht. Mannheim hat bis zum Schluss engagiert verteidigt und hatte außerdem mit Markus Scholz einen Mann zwischen den Pfosten, der seinem Team in dieser Partie gleich mehrfach den Punkt rettete. So parierte er beispielsweise in der 62. (Jacobsen, Schuss aus der zweiten Reihe) und der 70. Minuten (Bertram nach Zuspiel von Kwadwo) ganz stark. Was wäre eigentlich passiert, wenn einer der beiden Schüsse reinfällt und wir die Partie mit 2:1 gewinnen? Wären wir dann quasi schon aufgestiegen, ohnehin unbesiegbar und hätten den geilsten Kader der Welt? Vermutlich.

Für mich war der Auftritt unter dem Strich jedenfalls ein kleiner Schritt nach vorn, dem in Meppen durchaus ja ein großer folgen kann. Und ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass uns diese Mannschaft noch sehr viel Freude bereiten kann. Das Internet vergisst bekanntlich ja nie und ich lasse mich mit der eben getätigten Aussage gern am Saisonende zitieren. Und wirklich gespannt bin ich, wie wir im Mai auf die jetzige Phase und die derzeitigen Diskussionen zurückblicken werden. Aber hey: Auch das ist Fußball. Wäre ja langweilig, wenn man immer einer Meinung ist.

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