1. FC Magdeburg – Fortuna Köln, 35. Spieltag, 2:0 (2:0)
2. Fußball-Bundesliga. Es ist einfach nicht zu fassen. Immer noch nicht.
Dieser Spielbericht brauchte eine Weile. Aus Gründen und weil ich es, glaube ich, auch in den Stunden zwischen dem Abpfiff und der Veröffentlichung dieses Textes hier immer noch nicht so recht begriffen habe. Und deshalb befürchte, vielleicht gar nicht die richtigen Worte zu finden oder irgendwas zu vergessen oder zu pathetisch zu werden oder zu trocken oder was weiß ich was. FCM, Du machst mich fertig. Außerdem haben sich gefühlt schon alle Menschen im FCM-Kosmos irgendwie medial geäußert, zum Teil mit überragenden Texten wie dem hier von Daniel George oder diesem von Kerstin Kinszorra. Und dann gab es Beiträge in Medien, die den Club jahrzehntelang kaum mit dem Allerwertesten angeschaut haben. Und zwar nicht aus bösem Willen oder weil es nichts zu berichten gegeben hätte, sondern weil der Erste Fußballclub Magdeburg schlicht und ergreifend nicht relevant genug war. Das ist jetzt vorbei. Wir sind wieder da. Oder überhaupt erstmal da. Hallo, 2. Liga! Was soll man da noch groß hinzufügen?
Fangen wir vielleicht mal ganz nüchtern an: Der 1. FC Magdeburg ist am viertletzten Spieltag (!) der Drittligasaison 2017/2018 in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Ausschlaggebend waren letztlich ein geschenkter Elfmeter, den Philip Türpitz mit Bande verwandelte und ein Freistoßtor von Nico Hammann. Den siebenten Sieg in Serie sahen über 22.000 Menschen im Stadion. Menschen, denen man irgendwie anmerkte, dass sie diesen Schritt so, so sehr wollten. Menschen auch, die dieses, ja, historische Ereignis absolut verdient haben. Und zack! da geht er schon dahin, der nüchterne Bericht. Wird aber gleich wieder.
Für Matchball Nummer 1 hatte sich Jens Härtel für Alexander Brunst im Tor, Dennis Erdmann, Andre Hainault und Steffen Schäfer in der Dreierkette, Nico Hammann und Nils Butzen auf den Flügeln, Björn Rother und Richard Weil im zentralen Mittelfeld und das Triumvirat Philip Türpitz, Christian Beck und Marcel Costly im Sturm entschieden. Das Stadion war laut, zu Beginn jedenfalls, und die Gesänge rollten wie Lawinen durch das weite Rund. Der Mannschaft merkte man derweil den Respekt vor der Aufgabe schon auch an – wer wollte es ihnen auch verdenken? Trotzdem war die Tür zur 2. Liga in Spielminute vier plötzlich nicht nur einen Spalt, sondern richtig weit offen: Schiedsrichter Ittrich wollte im Strafraum ein Foul an Christian Beck gesehen haben, pfiff Elfmeter und Philip „Ich pinkle Eiswürfel, jemand noch ´n Drink?“ Türpitz schoss das Ding unter gütiger Mithilfe des linken Innenpfostens unhaltbar für Tim Boss ins Kölner Tor. 1:0, 4. Minute, das lief doch!
Auf der anderen Seite hatte Fortuna Köln nach 8 Minuten die erste von mehreren guten Möglichkeiten, selbst zum Torerfolg zu kommen. Alexander Brunst tauchte allerdings nach rechts unten und hielt den von Keita-Ruel eher zufällig kommenden, aber dennoch latent gefährlichen Abpraller letztlich sicher. Was dann folgte, war ein wahres Chancen-Feuerwerk der Größten der Welt; hätte es nach 20 Minuten 3:0 oder 4:0 gestanden, hätten sich die Kölner mit Sicherheit nicht beklagen können. Erst vergab Türpitz nach schöner Kombination mit Christian Beck (9.), dann zeigte Tim Boss eine starke Parade nach einem strammen Schuss von Marcel Costly (11.), der von Björn Rother nach dessen Ballgewinn im Mittelfeld gut in Szene gesetzt worden war und einfach mal draufhielt. Nur eine Minute später ist es erneut Rother, der den Kölner Spielaufbau entscheidend stört, in Richtung Grundlinie marschiert und quer legen kann. Diesmal hatten Boss’ Vorderleute aber aufgepasst, die Hereingabe wird zur Ecke geklärt. Richard Weil ist es dann, der am höchsten steigt, den Ball allerdings nicht aufs Tor drücken kann.
Eine weitere Ecke nebst Erdmann-Kopfball (14.) später hatte sich das Spiel dann zunächst etwas beruhigt, ehe plötzlich Kölns Hamdi Dahmani frei im Magdeburger Strafraum auftauchte und glücklicherweise nur so ein Zwischending aus scharfem Pass und Torschuss zustande brachte. Die Situation zeugte allerdings davon, dass Fortuna Köln hier längst nicht abschenkte, sondern durchaus auf Chancen lauerte. Irgendwie unangenehm, wenn man eigentlich entspannt aufsteigen möchte, aus sportlicher Sicht aber natürlich vollkommen nachvollziehbar. Überhaupt wurden die Gäste nun stärker, hatten mehr vom Spiel und ließen Alexander Brunst durch einen Schuss von Manuel Farrona Pulido aus der zweiten Reihe schon auch mal ordentlich fliegen. Die Vertretung von Jan Glinker zeigte aber insgesamt ein fehlerloses Spiel und konnte diesen Abschlussversuch des Ex-Magdeburgers aus dem Winkel fischen.
Dann mal wieder der FCM: Christian Beck behauptete den Ball im Strafraum stark und kam per Drehschuss zum Abschluss, zielte aber recht genau auf Tim Boss im Kölner Tor, sodass dieser keine Probleme hatte, den Ball festzuhalten. Naja, und dann kam eben die 32. Minute. Die Tür, die Türpitz mit seinem Elfmetertor ein gutes Stück aufgeschoben hatte, stand plötzlich sperrangelweit offen. Marcel Costly war auf der linken Seite kurz vor dem Strafraum gefoult worden, Nico Hammann nahm zwei Schritte Anlauf und zirkelte das Spielgerät dann über die Kölner Mauer und hinter Tim Boss wuchtig in die Maschen. 2:0 nun, ein mehrfach mehrstimmiges „Ganz Deutschland steht in Deinem Schatten, FCM“ und erste Tränen im Block waren das Resultat. Es sollte also wirklich passieren. Stand jetzt war der FCM aufgestiegen, wie man bei der Frankfurter Eintracht wohl sagen würde.
Den Rest der ersten Hälfte passierte dann nicht mehr wirklich viel, woran die Zwei-Tore-Führung und die recht hohen Temperaturen keinen geringen Anteil gehabt haben dürften. Als „Nur-noch-45-Minuten“-Quasi-Aufsteiger ging es in die Pause und während der übliche Bier-Tourismus so langsam Fahrt aufnahm, materialisierte sich bei mir die folgende Erkenntnis: Der Akku ist einfach restlos leer. Ich hatte die Woche über ohnehin nicht allzu viel geschlafen (Jena sei dank) und sowohl die letzten Partien als auch die letzten Tage hatten irgendwie gewaltig Kraft gekostet. Luxusprobleme, klar, aber nach dem emotionalen Höhepunkt in Wiesbaden merkte ich nun ganz deutlich: Es wäre schon schön, jetzt endlich einfach mal nur ins Ziel zu kommen. 45 Minuten also noch.
Durchgang 2 begann zunächst mit einem Freistoß von Nico Hammann, der über das Tor ging und dann mit einem FCM, der Ball und Gegner laufen ließ, was bei den herrschenden Temperaturen sicher nicht die schlechteste Taktik war. In der 57. Minute wurde dann mal ein Konter über den engagierten, aber weitestgehend brotlosen Farrona Pulido gefährlich, der den Ball auf Keita-Ruel spielen konnte. Dessen Schuss im Strafraum ging dann aber doch deutlich links am Tor vorbei. Und plötzlich spielte irgendwie nur noch Köln. „Jetzt nur kein Gegentor! Jetzt nur kein Gegentor!“ spukte es durch den Kopf, während es sich die Gäste so langsam rund um den Magdeburg Strafraum gemütlich machten. In der 58. Minute führte ein Kölner Freistoß aus zentraler Position zu einem Kopfball, der sicher bei Brunst landete, ohnehin aber wegen Abseits abgepfiffen worden war. In Minute 62 ist es Keita-Ruel, der im Strafraum als Passempfänger gedacht war; Dennis Erdmann klärte aber im letzten Moment.
Je länger das Spiel dauerte und je länger es 2:0 für die Guten stand, desto konkreter wurden die Gedanken an den Schlusspfiff und vor allem an die dann wohl folgenden Ereignisse – und desto angestrengter suchte ich nach der irren Anspannung und dem veritablen Gefühlschaos, das mich am Morgen noch zuverlässig zum Bahnhof begleitet hatte. Stattdessen war da: nix. Oder wenig. Es war (und ist) schon einigermaßen irre. Da erlebte man gerade den größten Moment der jüngeren Vereinsgeschichte und hatte den Kontakt zum emotionalen Aufstiegskampf irgendwie völlig verloren. Akku auf Null, Tanknadel auf Tiefrot und immer noch gute 20 Minuten zu gehen.
20 Minuten, in denen, objektiv betrachtet, kaum noch etwas passierte. Köln hatte mehr vom Spiel, aber keine Ideen, der Club hatte die Führung und stand hinten bombensicher. In der 72. Minute wurde Marius Sowislo für Philip Türpitz eingewechselt, nach 81 Minuten kam Felix Schiller für Richard Weil, fünf Minuten später machte Nils Butzen für Christopher Handke Platz. Die Marschroute von Jens Härtel war klar: hinten dicht machen und vorne vielleicht noch mal einen Nadelstich setzen. Recht so. Vereinfacht wurde das ganze Unterfangen allerdings auch durch den Umstand, dass sich auf der anderen Seite Manuel Farrona Pulido das Spiel ab der 76. Minute nur noch von der Bank aus ansehen durfte. Als dann irgendwann mit Keita-Ruel auch das letzte bisschen kreativer Rest ausgewechselt wurde, war eigentlich klar, dass hier heute nix mehr anbrennen würde.
Joa. Und dann tauchte irgendwann eine Flasche Sekt auf dem Vorsängerpodest auf. Die letzten Minuten liefen herunter, längst war ein guter Teil der Nordtribüne in Richtung Zaun zum Spielfeld unterwegs und war das Fangnetz für den unweigerlichen Platzsturm entsprechend präpariert worden. Plötzlich das charakteristische Zischen der Bengalos, Rauch und Feuer, Abpfiff, Eskalation, Menschen auf dem Platz – und ein guter Teil auf der Nordtribüne, dem es vielleicht wie mir ging: Es war geschafft! Wir waren aufgestiegen! Der FCM hatte Historisches geleistet, ich hatte Glück genug, dabei sein zu dürfen – und das Gefühl, ich sehe hier einen Kinofilm.
So ist es irgendwie immer noch. Natürlich bin ich unheimlich glücklich, dass es geschafft ist und stolz auf die Leistung der Mannschaft. Selbstverständlich freue ich mich riesig darüber, dass es aus allen Ecken Glückwünsche hagelt. Ich meine, hey, wir sind jetzt Zweitligist. Unter den Top 36 des deutschen Fußballs. Endlich da, wo wir mindestens mal hingehören. Wahnsinn. Und vielleicht ist es genau die Größe dieser Erkenntnis, die es meinem Kopf nicht erlaubt, das alles zu begreifen. Selbstschutz quasi, weil ich ansonsten vermutlich einfach nur noch heulend in der Ecke liegen würde. Wie schon gesagt – Du machst mich fertig, FCM.
Was man sich ja auch noch mal ganz in Ruhe klarmachen kann: Wir haben noch ein paar Punktspiele, in denen wir nicht mehr hoffen und bangen müssen. In denen es „nur noch“ um Fußball geht. Und in denen wir aber auch, und das hat sich die Mannschaft, haben sich diese Helden mehr als nur verdient, noch einmal alles geben sollten. Lasst uns gegen Chemnitz und in Lotte noch mal richtig ordentlich einen raushauen. Lasst uns unsere Dankbarkeit, unseren Stolz, unsere Freude in brachialsten Gesängen ausdrücken. Lasst uns denen, die uns nach der Saison verlassen, einen unvergesslichen Abschied bereiten. Und lasst uns die, die nächste Saison in der 2. Fußball-Bundesliga für das blau-weiße Emblem um Punkte kämpfen werden, mit unfassbar viel Lärm in die Sommerpause verabschieden. Denn eins war ja außerdem immer klar: der 1. FCM im Aufstiegsjahr!
2. Liga. Es ist einfach nicht zu fassen….
Den Sportschau-Spielbericht gibt es bei YouTube.
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