1. FC Magdeburg – Holstein Kiel, 21. Spieltag, 1:1 (1:1)
Ist es nicht unglaublich faszinierend, was für eine Transformation eine Fußballmannschaft durchmachen kann? Da holst Du in den ersten 18 Spielen nur magere elf Punkte, gewinnst dafür aber die ersten beiden Auftritte nach der Winterpause und bietest plötzlich mit Holstein Kiel einer Zweitliga-Spitzenmannschaft mehr als nur Paroli. Schöne Sache; es gab in dieser Saison definitiv schon Phasen, in denen der 1. FC Magdeburg weniger Spaß gemacht hat. Doch, der Heimauftritt gegen das von Tim Walter trainierte Team aus dem Norden war wirklich ansprechend – auch wenn das i-Tüpfelchen durch zum Teil schlecht ausgespielte Konter und mangelndes Spielglück gefehlt hat. Aber hey: ein 1:1 gegen Kiel hätte vor dem Anpfiff sicher der überwiegende Teil der 19.704 Stadionbesucher*innen sofort unterschrieben.
Michael Oenning musste für die Partie an diesem 21. Spieltag auf Jan Kirchhoff und Steven Lewerenz verzichten, die beide angeschlagen waren. Dementsprechend änderte sich natürlich die Startelf, sodass Nico Hammann für Kirchhoff in die Anfangsformation rutschte – und als Sonderbewacher des Kielers Lee und auch überhaupt ein Bombenspiel ablieferte. Für Lewerenz war Philip Türpitz zurück in der ersten Elf, außerdem rotierte Marius Bülter für Marcel Costly wieder ins Team. Die anderen Protagonisten: Tobias Müller, Dennis Erdmann, Charles Elie Laprevotte, Rico Preißinger, Michel Niemeyer, Felix Lohkemper und Christian Beck.
Eckenfestival mit furiosem Beginn
Was der Club in der ersten Viertelstunde der Partie auf den Rasen brachte, dürfte nicht nur die Gäste aus dem Norden einigermaßen überrascht haben: Der FCM hellwach, mit sehr frühem Pressing, einer angenehm aggressiven Gangart und nach 10 Minuten bereits mit vier Ecken. Dass die alle ohne Ertrag blieben, ist inzwischen ja (Achtung, Wortwitz) Standard, zeigt aber vor allem, dass sich das Geschehen überwiegend in der Kieler Hälfte abspielte. Nur einmal nicht, und zwar nach fünf Minuten, als gegen weit aufgedrückte Magdeburger ein schneller, aber hervorragender Pass in die Abwehr-Schnittstelle reichte, um Holstein Kiel mit 1:0 in Führung zu bringen. Ärgerlich, das, aber hätte man es nicht live gesehen, hätte man den Größten der Welt den Rückstand im weiteren Verlauf in keinster Weise angemerkt.
Ärgerlich war überhaupt, dass es nicht direkt in den ersten Minuten auf der anderen Seite geklingelt hatte. Während die Nordtribüne noch am Einklatschen war, hatte es nämlich den ersten von insgesamt 11 blau-weißen Eckstößen gegeben, in deren Folge Dennis Erdmann den Ball per Kopf nur knapp über das Tor setzte. In Minute drei gewann Philip Türpitz dann im Strafraum ein Querschläger-Laufduell gegen Kronholm und flankte von rechts auf das leere Tor. Ein Kieler konnte in der Mitte aber Schlimmeres verhindern. Nur zwei Minuten nach der Gästeführung die nächste Möglichkeit für die Hausherren: Lohkemper versuchte es aus spitzem Winkel gegen Kronholm (das Duell sollte es so ähnlich im zweiten Durchgang nochmal geben), blieb aber zweiter Sieger.
Naja, und ohne jetzt hier jede weitere Ecke aufzählen zu wollen (wozu auch?), ging es mit ungefähr dieser Schlagzahl weiter. Kiel viel hinten drin, der FCM mit reichlich Wucht, die auch von den Rängen gespiegelt wurde – bis auf die Sache mit dem Support war das so nicht unbedingt zu erwarten gewesen.
Nach einer guten Viertelstunde bekamen dann die Gäste die Partie etwas besser in den Griff, blieben aber insbesondere in Person von Kronholm überraschend anfällig für das frühe Anlaufen der Magdeburger Stürmer. Eine weitere knappe Viertelstunde später zeigte Kiel dann, warum das Team wohl nicht ganz zu Unrecht da oben in der Tabelle steht: Aus einer weiteren Ecke für den FCM wird nämlich ein Kieler Konter; mit zwei, drei klugen Pässe ist man plötzlich vor dem Magdeburger Tor. Serra war es schließlich, der aus aussichtsreicher Position abzog, den Ball aber über den Kasten setzte.
In der 37. Minute dann die nächste, ganz gute Gäste-Gelegenheit. Lászlo Bénes hatte sich aus der zweiten Reihe ein Herz gefasst, seinen Flatterball, bei ordentlich Wind vermutlich ohnehin schwierig zu parieren, konnte Loria nur nach vorn prallen lassen. Statt eines Kieler Angreifers war aber Michel Niemeyer zur Stelle, der die Situation dann bereinigte. So. Und in Spielminute 43 hatte Philip Türpitz dann eine Idee.
Marius Bülter hatte den Ball von seiner rechten Seite aus vor den Strafraum auf Felix Lohkemper gespielt, der mit ein wenig Glück auf Türpitz weiterleiten konnte. Tja, und der machte das, was ihn vor allem in der vergangenen Saison ausgezeichnet hatte – er zog einfach mal mit Schmackes und direkt ab. Die Fußspitze von Kiels Ersatzkapitän Dominik Schmidt war noch dran, der Ball war dadurch für Kronholm nicht mehr zu erreichen und schlug zentral im Kieler Kasten ein.
Abgefälscht oder nicht, was für eine geile Hütte unserer Nummer 8! Und auch wenn es sich in den Szenen vorher nicht so richtig angedeutet hatte, war der Ausgleich zu diesem Zeitpunkt, betrachtet man die gesamte erste Hälfte, vollkommen verdient. Damit nicht genug: Felix Lohkemper hätte fast direkt im Anschluss nachlegen können, nachdem er sich im Kieler Strafraum schön freigedribbelt hatte und auch zum Abschluss kam. Für den schon geschlagenen Kieler Keeper rettete dann ein Abwehrbein auf der Linie.
Dann ging es noch einmal rüber auf die andere Seite und ja, so viel wie in dieser Halbzeit-Endphase passiert mitunter in ganzen Spielen nicht (Grüße an den zweiten Spieltag an dieser Stelle). Nachdem Dennis Erdmann bei einem Zweikampf zu spät gekommen war und dafür die gelbe Karte kassiert sowie einen Freistoß in recht gefährlicher Position verursacht hatte, waren es plötzlich wieder die Größten der Welt, die marschierten. Rico Preißinger leitete den Konter, führte den Ball bis an den gegnerischen Strafraum und wollte dort auf den mitgelaufenen Christian Beck durchstecken. Der Pass geriet aber zu ungenau, sodass diese an sich gute Drei-gegen-Zwei-Situation in einer Ecke endete. Ärgerlich. Eine 25-Meter-Fackel von Philip Türpitz später, die Kronholm ins Seitenaus fausten konnte, war dann Halbzeit und sah man angesichts des bisherigen Spielverlaufs in überwiegend zufriedene Nordtribünengesichter. Mit ordentlich lauten „FC Magdeburg“-Gesängen wurde das Team in die Kabine verabschiedet.
Auf Messers Schneide
Durchgang 2 begann mit zwei Kieler Wechseln und ansonsten ziemlich genau so, wie Halbzeit 1 geendet hatte, sieht man von einer Kieler Schwungphase so um die 50. Minute rum mal ab. In Minute 53 hatte Rico Preißinger die Führung so halb auf dem Fuß, nachdem der einmal mehr großartige Marius Bülter von rechts in den Strafraum geflankt hatte. Preißinger hatte zwar gut Platz, erhielt aber auch ein recht anspruchsvoll zu verarbeitendes Anspiel und konnte so keinen Druck mehr auf den Abschluss bringen; der Ball landete sicher beim Torwart. Zwei Minuten später die nächste Magdeburger Gelegenheit, diesmal nach einer Ecken-Variante. Anstelle der üblichen, hohen Hereingabe gelangte der Ball via Flachpass auf Türpitz, der aus dem Rückraum abzog, die Kugel aber dann doch deutlich links am Tor vorbeizimmerte. Fast hätte Felix Lohkemper die Flugbahn noch abfälschen und den Schuss dadurch richtig gefährlich machen können, allerdings verpasste er das Geschoss des Teamkollegen knapp.
Apropos Lohkemper: Der hatte im zweiten Durchgang mutmaßlich die zweibeste Chance, die Partie zugunsten der Hausherren zu drehen, als er in der 57. Minute klug von Christian Beck im Strafraum freigespielt wurde. Dadurch tauchte die Nummer 7 frei vor Kronholm auf, der dann aber die Tür zum (vom Schützen aus) rechten Pfosten stark zu- und die Chance für Lohkemper damit zunichte macht. Schade, sehr schade, aber weiter ging’s.
Der Club drückte nun mächtig auf’s Gaspedal und kam nach ziemlich genau einer Stunde erneut in eine hervorragende Abschlussposition. Michel Niemeyer war seine linke Seite heruntermarschiert, hatte sich gegen seinen Gegenspieler stark behaupten können und legte den Ball flach in die Mitte. Dort wartete Christian Beck, der das Spielgerät dann aber um Haaresbreite verpasste. Mann! Im Kopf ging es da natürlich sofort wieder rund: „Wenn Du solche Gelegenheit nicht nutzt bzw. besser spielst….“ Ihr wisst schon. Nicht schön. Zumal nun auch die Gäste wieder mitmachten und ihre vielleicht beste Phase der Partie anbrechen ließen.
Erst war es Masaya Okugawa, der nach einer Flanke von der rechte Seiten einen (aus Nordtribünenperspektive völlig freien) Kopfball links am Tor vorbei setzte (60.). Direkt mit dem nächsten Angriff konnte sich Kiel wieder durchkombinieren, diesmal landete die Kugel nach einer flach ausgespielten Ecke und einigen kurzen Pässen aber im Toraus. Dann musste Dennis Erdmann für den in der Strafraumbeherrschung nicht immer ganz souveränen Giorgi Loria auf der Linie retten (62.). Wäre man hier erneut in Rückstand geraten, hätte sich wohl niemand so wirklich wundern dürfen.
Man geriet aber eben nicht in Rückstand. Auch später nicht, als die Kräfte (so nach 75 Minuten) merklich nachließen und man einige Male bedenklich taumelte, aber eben nicht fiel. In der 63. Minute war der Ball dann sogar im richtigen Tor, weil Blau-Weiß einen Freistoß frech und schnell ausführte. Leider war das Spiel durch Schiedsrichter Markus Schmidt aber noch nicht wieder freigegeben, sodass wohl eine konventionelle Freistoßvariante herhalten musste. Die hörte diesmal auf den Namen Nico Hammann, der mal wieder den berühmten Hammer auspackte und Kiels Keeper dazu brachte, seinen satten Schuss nach vorn prallen zu lassen. Ärgerlich nur, dass kein Magdeburger Bein zur Stelle war, um den Ball ins Tor zu schieben.
Nach 73 Minuten war der Arbeitstag für Rico Preißinger beendet, für ihn kam Björn Rother in die Partie. Auch Felix Lohkemper hatte Feierabend und Marcel Costly übernahm.
Wie gesagt, konnte man in der letzten Viertelstunde die Kräfte bei den Größten der Welt merklich schwinden sehen; während Kiel nun noch mal drückte, war für Blau-Weiß die Zeit der Konter angebrochen. Einen solchen fuhren in Minute 77 Christian Beck und Michel Niemeyer, allerdings endete die Fahrt mit einer resoluten – und sauberen – Grätsche eines Verteidigers im Kieler Strafraum. In der 81. Minute hatte dann Marius Bülter die große Chance zur Führung mit gleichzeitiger Tor-des-Monats-Option: Aus dem Mittelfeld schön geschickt, lud er den letzten Kieler Verteidiger zum Tänzchen ein, fintierte sich in eine gute Abschlussposition – und schlenzte den Ball dann, von rechts kommend, nicht links ins Tor, sondern nur an den Pfosten. Diese Sekundenbruchteile, die der Ball unterwegs ist, dieses Warten auf den doch eigentlich sicheren Einschlag, dieser Jubel-Urschrei, der dann doch in der Kehle stecken blieb – es war einfach nicht zu fassen. Alles richtig gemacht und dann verpasst Bülter die eigene Belohnung. Ärgerlich, aber ich wiederhole mich. In der Mitte stand übrigens noch ein gewisser Christian Beck blitzeblank. Aber gut, geschenkt.
In der 89. Minute kam Tarek Chahed noch zu seinem ersten Zweitligaeinsatz und so ein bisschen war mit seiner Einwechslung ja die Hoffnung verbunden, dass es vielleicht mal wieder so ein schickes 50-Meter-Tor geben würde. Kronholm stand gern mal ordentlich weit vor seinem Kasten und Chahed kann sowas bekanntermaßen gut; allein, an diesem Nachmittag sollte kein weiterer Treffer mehr fallen. Zwar hatte kurz vor Chaheds Einwechslung auch Atakan Karazor auf der Gegenseite noch einmal eine gute Gelegenheit, allerdings landete die in den Armen von Loria, sodass Schiedsrichter Schmidt die Partie nach knappen zwei Minuten Nachspielzeit schließlich beim leistungsgerechten Stand von 1:1 beendete.
Fazit:
Sicher, es war mehr drin in dieser Begegnung und klar, es ist natürlich ärgerlich, dass man sich im zweiten Heimspiel 2019 nicht den insgesamt dritten Pflichtspielsieg des neuen Kalenderjahres gönnen konnte. Trotzdem ist das Glas am Ende des Tages, hier zumindest, nicht halb leer, sondern halb voll. Das war phasenweise starker Fußball, den der Club da spielte, außerdem begegnete man einem Zweitliga-Spitzenteam auf Augenhöhe, holte ein Tor auf und sicherte sich diesen einen Punkt einfach vollkommen verdient, was dem Selbstvertrauen keinesfalls abträglich sein kann. Und ja, Phrase und so, aber: Ein Punkt ist ein Punkt, den nehmen wir gern. In der Tabelle bedeutet das, dass man weiterhin über dem Strich steht und es in den direkten Duellen in Duisburg und gegen Sandhausen in der Hand hat, sich aus diesem Viererfeld da unten vielleicht ein kleines Stückchen abzusetzen. Und mit einem Fußball wie dem, der einem an diesem 21. Spieltag geboten wurde, wäre es doch gelacht, wenn das nicht gelingen sollte.
Weiter, immer weiter! Oder anders: Immer kämpfen, immer siegen – immer vorwärts, FCM!
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