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Absteiger

Absteiger

1. FC Union Berlin – 1. FC Magdeburg, 33. Spieltag, 3:0 (2:0)

Nur noch weg. Vor dem zu erwartenden Polizeikessel nach der völlig sinnlosen Spielunterbrechung irgendwann um die 80. Minute herum sowieso, aber auch vom Ort des Geschehens insgesamt. Schnell ein paar Meter machen, ab in die Bahn, am Ostkreuz noch kurz von den Jungs verabschieden und dann erstmal allein sein. So fühlt sich also ein Abstieg an. Richtig beschissen, obwohl es ja zu erwarten war. Kennen wir in Magdeburg ja auch gar nicht mehr, das Gefühl. 2011/2012 hatte der Club nicht mal das gebacken bekommen (Regionalliga-Reform sei dank) und 1966… ach, lassen wir das. Nächste Saison also Kaiserslautern statt Hamburg und München statt Sandhausen. Nun denn. 

Hoffentlich rechnet jetzt hier niemand mit einem strukturierten, nüchternen Spielbericht. Was soll man auch groß schreiben über eine Partie, in der die Mannschaft vieles von dem vermissen ließ, was man in so einer Situation erwarten würde. Erwarten kann. Erwarten muss, eigentlich. Wenn man ein Spiel unbedingt ziehen muss, um wenigstens noch die Mini-Chance auf den Relegationsplatz aufrecht zu erhalten, dann muss man doch wenigstens Zweikämpfe gewinnen, oder? Und auch mal irgendwie Zeichen setzen, nicht? Und vor allem auch aufs Tor schießen, egal, wie. Wenn Du aber nur einen Ball auf den Kasten bringst (bei Union waren es sieben) und generell ca. 30 Chancen brauchst, um ein Tor zu erzielen, wird es halt eng. Und letzten Endes ist das Wissen, dass die Mannschaft es besser kann, in diesem Spiel aber entweder nicht in der Lage oder nicht willens war, die eigenen Fähigkeiten abzurufen, fast noch schlimmer als der Gedanke an Liga 3 in der neuen Saison. Ach, es ist einfach bitter.

„FCM, erwache!“

Michael Oenning schickte die folgende Formation in die vorletzte Partie der Saison: Giorgi Loria hütete das Tor, vor ihm in der Viererkette liefen Timo Perthel, Tobias Müller, Dennis Erdmann und Tarek Chahed auf. Davor begannen Nico Hammann, Aleksandar Ignjovski und Rico Preißinger im Mittelfeld, während Marius Bülter, Christian Beck und Felix Lohkemper die Offensivpositionen besetzten.

Davon, dass der Club das Spiel mit aller Macht für sich entscheiden möchte, war eigentlich zu keinem Zeitpunkt etwas zu sehen, so klar muss man das sagen. Hammann hatte es in der 7. Minute mal mit einem Fernschuss versucht, der eher wie ein Verlegenheitsabschluss aussah, davor war beiderseits des Spielfelds wenig passiert. Dafür klingelte es in Minute 8 direkt mal vor dem pickepackevollen Gästeblock. Union flankt von rechts (der bevorzugten Angriffsseite, zumindest im ersten Durchgang), den Kopfball pariert Loria zunächst. Grischa Prömel bleibt in der Situation aber online, geht ebenfalls per Kopf zum freien Ball und nickt ihn dann halt in die Maschen. Tja. 1:0 für Union. Wenn das mal nicht der denkbar beschissenste Auftakt in diese Begegnung war.

Die Verunsicherung nach dem frühen Gegentreffer merkte man der Mannschaft direkt an. Ging vorher schon wenig, ging jetzt eben noch weniger – man ließ die Gastgeber machen und kam kaum mal in einen strukturierten Spielaufbau. Warum? Weil Union giftig war, das Ding hier unbedingt wollte, früh auf den Füßen und immer in den Passwegen stand und bei den vielen, kleinen Ungenauigkeiten bei den Magdeburger Ballabgaben ohnehin wenig Mühe hatte, das Spielgerät zurückzuerobern. Wenn es vor Rafal Gikiewicz im Tor der Berliner überhaupt mal gefährlich wurde, dann durch Standards. In der 16. Minute segelte ein FCM-Kopfball nach einer Ecke deutlich ins Toraus, in der 19. Minute zog Timo Perthel einen Freistoß zwar aufs Tor, aber auch direkt in die Arme des Keepers. In Minute 45 dann noch mal ein Strahl von Rico Preißinger infolge eines weiteren Freistoßes, den Union irgendwie nicht geklärt bekam. Der Ball rauschte dann aber über die rechte obere Ecke.

Aus dem Spiel heraus gab es im ersten Durchgang eigentlich nur eine Aktion, die Potential hatte: Nach knapp einer halben Stunde und einem Ballverlust von Tarek Chahed setzt Aleksandar Ignjovski energisch nach, dribbelt vor den Strafraum und bedient dort den mitgelaufenen Felix Lohkemper auf der rechten Seite. Dessen flachen Abschluss in die lange Ecke pariert Gikiewicz ins Toraus, der anschließende Eckstoß kann eigentlich auch unerwähnt bleiben.

Wer an diesem Nachmittag zum Fußballschauen in die Alte Försterei gekommen war, musste sein Augenmerk auf die Mannschaft in den rot-weißen Trikots richten. Während die Kurve irgendwann ein „FCM, erwache!“ anstimmte, kam Union immer wieder vor den Kasten von Giorgi Loria, konnte die eigene Überlegenheit aber erst in der 30. Minute ins zweite Tor ummünzen. Dabei profitierten die Gastgeber von einem krassen Fehler Rico Preißingers, der in der eigenen Hälfte auf der linken Bahn zu Timo Perthel zurücklegen wollte. Der Pass geriet aber viel zu ungenau und wurde zur Vorlage für Sebastian Andersson, der zwischen Perthel und Erdmann freie Bahn hatte, in die Mitte legen konnte und dort Sebastian Polter fand. Der Mittelstürmer musste den Ball dann nur noch über die Linie drücken. Wenn man solche Gegentore kassiert, gibt es am Ende eigentlich auch keine Fragen mehr.

Irgendwie war jetzt, nach einer halben Stunde (!), klar, dass das hier heute nichts mehr geben würde. Drei Tore mit einer solchen Leistung gegen diesen Gegner? Puh. Dafür kam jetzt die Kurve noch einmal auf und ließ sich zu dem einen oder anderen knackigen Gesang hinreißen. Und selbst das sollte sich im weiteren Verlauf des Spiels noch ändern.

Vieles blieb bis zur Halbzeitpause Stückwerk. In der 37. Minute gab es nochmal einen schönen Lauf von Christian Beck auf der linken Seite und einen Pass auf Marius Bülter, der dynamisch und vielversprechend in den Strafraum eindringen konnte. Dort wurde er dann vor der flachen Hereingabe aber noch entscheidend gestört, sodass die Aktion im Endeffekt genauso ungefährlich blieb wie der Rest des Magdeburger Offensivspiels. Irgendwie wohltuend, dass Schiedsrichter Robert Schröder aus Hannover ziemlich pünktlich zum Pausentee bat.

„3. Liga, tut schon weh…“

Zur zweiten Halbzeit gibt es sportlich eigentlich kaum etwas zu sagen. In der 49. Minute wickelte Nico Hammann nach einem Foul an Christian Beck einen Freistoß um die Mauer, aber leider auch um den linken Pfosten. Schade eigentlich, vielleicht, nur eventuell, wäre es ja mit einem frühen Anschlusstreffer noch mal irgendwie interessant geworden. Wurde es aber nicht. Dafür holte wenigstens Aleksandar Ignjovski mal die ganz grobe Klinge raus, haute in der 51. Minute einen Unionen zünftig um und sah dafür die gelbe Karte. Erwähnenswert ist das nicht, weil heftige Fouls so toll sind, sondern weil das einer der wenigen Momente war, in denen der Club mal ein Zeichen zu setzen versuchte. Wenn es spielerisch schon nicht klappte, durfte es doch wenigstens ein bisschen körperlich werden. Und wie viele Kopfballduelle hat eigentlich Sebastian Polter verloren? Null, oder? Aber gut, andere Geschichte.

Michael Oenning versuchte in der 58. Minute, noch mal einen Impuls zu setzen, indem er doppelt wechselte: Marcel Costly kam für Felix Lohkemper, Steven Lewerenz für Tarek Chahed. Vorher (54.) hatte sich Lohkemper nach einem Konter noch an einem Torschuss versucht, der aber über den Kasten ging. Zu diesem Zeitpunkt gab es schon nur noch ganz punktuellen Support, dafür zog dann das „Die Tage zieh’n in’s Land, Erfolge sind so weit…“ so in der 66. Minute noch mal größere Teil des Blocks mit. Man konnte dem Gästeanhang den mangelnden Einsatzwillen aber auch kaum verübeln.

Als Rother für Ignjovski kam (72.), war das schon so die Zeit, in der die Minuten nur noch irgendwie herunterliefen und man sich seelisch und moralisch mit dem Abstieg arrangieren konnte. „3. Liga, tut schon weh…“ war nun zu hören und genau so, wie das Lied geht, fühlte es sich auch an. Den recht guten Schussversuch von Björn Rother am Fünfmeterraum, der drüber ging, konnte man noch zur Kenntnis nehmen. Dann verlagerte sich das Geschehen vom Spielfeld in den Gästeblock.

Drüber im Heimbereich war wohl erbeutetes FCM-Material präsentiert worden, woraufhin einige Blau-Weiße, inzwischen mit Sturmhauben bekleidet, versuchten, in den benachbarten Block zu gelangen. Also wurde die Plexiglas-Trennwand mit Tritten und Schlägen malträtiert, irgendwann tauchte auch ein Absperrgitter auf (keine Ahnung, wo das herkam), das als Rammbock fungieren sollte. Wie man solcherlei Aktionen für eine gute Idee halten kann, werde ich wohl nie verstehen, aber das ist ja auch gar nicht wichtig.

Dass die Wand nicht nachgeben würde, tat dem Treiben im Übrigen keinen Abbruch und man muss sich schon fragen, was in den Köpfen derjenigen vorging, die es trotzdem immer weiter probierten. Insgesamt eine vollkommen sinnlose Aktion, die nicht nur für eine ordentliche Spielunterbrechung, sondern auch für das Einmarschieren der Staatsmacht in den Gästeblock sorgte. Nicht mal in Würde absteigen konnte man hier. Es war zum Kotzen.

Fußball interessierte im Anschluss kaum noch jemanden, also zumindest dann nicht, wenn man als FCM-Fan im Stadion war. Irgendwann machte Union noch das 3:0, mit dem Abpfiff ging es dann für uns raus aus dem Stadion und ab in Richtung S-Bahn-Haltestelle. Bloß weg eben, wie gesagt. Und das lag nicht nur am Polizeiaufgebot im Block.

Fazit:

Klar, alles nicht so geil gerade. Aber es ist ja nicht zu ändern und war, wenn man ehrlich ist, abzusehen, außerdem geht das Leben kurioserweise auch dann weiter, wenn der eigene Herzensverein die Liga nach unten verlässt. Ein schwacher Trost, ich weiß. Jetzt kann es eigentlich nur noch darum gehen, sich im letzten Spiel der Saison zuhause gegen Köln ordentlich aus der 2. Liga zu verabschieden und dann eben eine Etage tiefer wieder anzugreifen. Wenn man der ganzen Situation irgendetwas Gutes abgewinnen will, dann vielleicht den Umstand, dass nun auch personell mit voller Kraft für Liga 3 geplant werden kann. Schauen wir mal, welche Akteure die sportliche Leitung so aus dem Hut zaubern wird und wer jetzt vor allem von Bord geht, das werden sicher interessante Wochen bis zum ersten Spieltag Ende Juli.

Jetzt heißt es erst einmal, Wunden zu lecken, eine Weile traurig zu sein und dann eben einfach wieder aufzustehen. Getreu dem Motto: „Das kann doch einen Clubfan nicht erschüttern.“ Es ist nur ein Abstieg. Wir haben in Magdeburg schon Schlimmeres erlebt. Weh tut es trotzdem.

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