SG Dynamo Dresden – 1. FC Magdeburg, 26. Spieltag, 1:1 (0:1)
Da war es also wieder, das gute, alte Gegentor in den Schlussminuten… Ich möchte gar nicht erst anfangen, auszurechnen, wo der 1. FC Magdeburg in dieser Saison stehen würde, wenn einfach alle Spiele nach 80 Minuten abgepfiffen worden wären. Bringt für den Moment ja auch nix, davon werden die Punkte auch nicht mehr. Gegen die SG Dynamo Dresden zeigten die Größten der Welt jedenfalls eine richtig gute Auswärtspartie, gingen verdient in Führung, hatten vom Gegner in den zweiten 45 Minuten so gut wie gar nichts zu befürchten – und fahren, eben weil in der 86. Minute doch noch einer durchrutschte, mit nur einem statt den standesgemäßen drei Punkten wieder nach Hause.
Das ist natürlich mehr als ärgerlich; trotzdem herrscht zumindest hier keine maßlose Enttäuschung über den unnötigen Punktverlust. Zu gruselig war dafür der letzte Auftritt gegen Sandhausen, zu schwach (und nach wie vor eher rätselhaft) die in Duisburg abgerufene Leistung in der Woche davor. Insofern ist hier gerade alles irgendwie ambivalent: Klar, die drei Punkte hätten uns definitiv gut getan; andererseits war das Spiel aber eben auch eine sehr ordentliche Reaktion auf die letzten Auftritte. Und, und das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis aus dem Duell gegen Dresden: Die Mannschaft kann es offenbar auch ohne Christian Beck. Das ist doch gut, oder?
Würdiger Rahmen, großartiges Tor
Vor 30.500 Zuschauern und dementsprechend ausverkauftem Haus sorgten zunächst beide Fanszenen dafür, dass dieses Traditionsduell einen ansprechenden Rahmen bekam (denjenigen, die das Wort „Elbclásico“ ironiefrei in einem Text unterbringen, mögen übrigens alle zehn Finger abfallen): Auf der Heimseite gab es eine schicke Blockfahnen- und Papp-Choreo (wobei wir die Stoffbahn auch schon mal größer gesehen haben); Block U hatte Schwenkfahnen und einen dezenten Hinweis auf den größten internationalen Erfolg einer DDR-Vereinsmannschaft (ebenfalls in Blockfahnenform) im Gepäck. Konnte also losgehen.
Michael Oenning hatte gegenüber dem Sandhausen-Spiel ein kleines bisschen umgebaut und Björn Rother in der Viererkette als rechten Verteidiger aufgeboten. Neben ihm spielten Tobias Müller, Dennis Erdmann und Timo Perthel. Jan Kirchhoff kehrte – glücklicherweise – in die Startelf zurück, mit ihm im Mittelfeld agierten Charles Elie Laprevotte und Michel Niemeyer. Philip Türpitz gab den Zehner, Marius Bülter rutschte von rechts hinten nach ganz vorn und stürmte neben Felix Lohkemper, der seine Erkältung offenbar auskuriert hatte.
Die ersten Minuten gehörten Dynamo, allerdings brauchte das Spiel ein bisschen, um auch szenentechnisch in die Gänge zu kommen. In der 8. Minute erkämpfte Dennis Erdmann im Defensivdrittel einen Ball an der linken Seitenauslinie, agierte dabei aber etwas unsauber, sodass es anstelle eines Magdeburger Angriffs einen Freistoß für Dresden gab. Der kam recht gefährlich vor das Tor, wo die Situation dann aber von Schiedsrichter Siebert abgepfiffen wurde.
Mit der direkt folgenden Aktion traten dann erstmals die Größten der Welt offensiv in Erscheinung: Ein langer Ball findet Philip Türpitz; Markus Schubert im Dresdner Tor will mitspielenderweis’ klären, rutscht dabei allerdings außerhalb des Strafraums aus. Ärgerlicherweise bekommt der Club den Ball nicht aufs leere Tor, kann aber immerhin einen Eckball herausholen. In dessen Folge versucht es zunächst Jan Kirchhoff per Kopf, der abgeblockte Ball landet dann bei Michel Niemeyer, dessen Abschluss von außerhalb des Strafraums ebenfalls geblockt wird. Dafür bekommt nun Dresden nach einem starken öffnenden Pass eine Kontersituation und ein 2 gegen 2, an dessen Ende wiederum Jan Kirchhoff steht und den Ball humorlos klärt.
Das Stadion war zu diesem Zeitpunkt übrigens ordentlich laut und es mag makaber klingen, aber: Irgendwie hatte es schon was, sich im Gästeblock tatsächlich mal anstrengen zu müssen, um dagegenzuhalten. Offenbar war Dresden vom Gästesupport aber so beeindruckt, dass man später, bis zum Ausgleich jedenfalls, den Fuß etwas vom Gas nahm. Aber klar, ist ja auch verständlich, wenn man die Größten der Welt zuhause begrüßen darf.
Wenn Dresden in der ersten Halbzeit gefährlich wurde, dann vor allem über unsere linke Defensivseite. So auch nach 13 Minuten, als man sich bis in den Strafraum kombinieren konnte, dort gleich zweimal eine gute Abschlussmöglichkeit hatte und den letzten Schuss dann aber doch deutlich über das Tor setzte. Gut, sehr gut für Blau-Weiß, hier hätte es gut und gerne 1:0 für die unschöne Farbkombination stehen können.
Dynamo blieb dann weitgehend in Kontrolle, der Club präsentierte sich dafür aber ordentlich giftig und verteilte hier und da die eine oder andere Nicklichkeit. Keine schlechte Idee, war das doch eins der Stilmittel, mit denen Sandhausen uns in der Vorwoche das Leben schwer gemachte hatte. Außerdem zeugte die körperliche Präsenz von der richtigen Einstellung zu diesem Duell, was im Gästeblock ziemlich gut ankam – und auch die Frage aufwarf, wo das alles in den letzten Spielen war. Nun gut.
Nach einem weiteren Kopfball (19.) des insgesamt überragenden Jan Kirchhoff, den Schubert aber problemlos fangen konnte, kam die Sportgemeinschaft in kurzer Folge zu ihren letzten beiden guten Chancen der ersten 45 Minuten: Erst wurde Moussa Koné in der 22. Minute am Elfmeterpunkt schön freigespielt und klärte Björn Rother im letzten Moment zur Ecke, dann versuchte es Aias Aosman nach 28 Minuten mit einem Drehschuss, den Giorgi Loria im Magdeburger Tor erst im Nachfassen festhalten konnte. Tja, und ab hier spielte dann quasi nur noch der 1. FC Magdeburg.
In Spielminute 30 konnte Timo Perthel auf der linken Seite Michel Niemeyer in Szene setzen. Der passte scharf (und frei) in die Mitte, traf dort aber nur einen Verteidiger. Drei Minuten später spielte der an diesem Nachmittag ebenfalls richtig starke Charles Elie Laprevotte einen schicken Schnittstellenpass auf Felix Lohkemper, der frei durch gewesen wäre, im Moment der Ballabgabe aber wohl im Abseits stand. Ärgerlich. Nach 36 Minuten zappelte der Ball dann endlich im Netz: Bülter aus dem offensiven Mittelfeld auf Laprevotte rechts, der scharf in die Mitte auf Lohkempers Fußspitze und zack! rutscht Markus Schubert der Ball durch die Hosenträger und über die Linie.
Die eskalative Freude im Gästeblock währte aber nur einen Moment – der Linienrichter hatte die Fahne gehoben, der Treffer zählte abseitsbedingt leider nicht. Dafür dann aber der nächste, aus einer ziemlich ähnlichen Aktion heraus: Wieder so ein Querpass auf die rechte Seite und diesmal ist es Björn Rother, der da von Marius Bülter als Adressat gedacht war. Rother hält den Fuß dran – und netzt mit Hilfe des rechten Innenpfostens zum verdienten 1:0 für die Größten der Welt! Diesmal durfte länger gejubelt werden, was die 3.000 Guten im Rudolf-Harbig-Stadion auch ordentlich auskosteten. Na bitte, es ging doch! Und ein richtig schönes Ding war es noch dazu (wenngleich man sich aus Dynamo-Perspektive schon die Frage stellen kann, wo da eigentlich die Defensive war).
Schön war auch, dass der Treffer genau zum richtigen Zeitpunkt fiel. Kurz darauf war nämlich Pause und wurde die Mannschaft mit ordentlich Applaus in die Kabine verabschiedet.
Belagerungszustand
Man brauchte nicht viel Fantasie beim Pausentee, um sich auszumalen, wie der zweite Durchgang wohl laufen würde. Dynamo würde brutal drücken, der FCM vermutlich tief stehen und vielleicht, nur eventuell, ja mit einem Konter zum zweiten Treffer des Nachmittags kommen. So oder so ähnlich waren jedenfalls die Gedanken, als die Mannschaft irgendwann wieder aufs Feld kam und man der Dinge harrte, die so passieren würden, während vor Dynamos K-Block ein Spruchband zur Regionalliga-Reform entrollt wurde. Schön, dass man sich auch in Sachsen explizit mit diesem Thema auseinandersetzt. (Für die Chronik: „4 Ligen, 4 Meister, 4 Aufsteiger – Regionalligareform jetzt“ stand drauf). Auch ein zweites großes Banner im Verlauf der zweiten Hälfte sorgte zumindest für anerkennendes Schmunzeln im Gästeblock: „§1953: Wer für Dynamo kämpft, ist stets im Recht“ war dort zu lesen und von der Idee her war das doch recht witzig. Aber wir waren ja nicht (nur) zum Banner gucken elbaufwärts gereist.
In der 49. Minute wird ein Lupfer von Felix Lohkemper in den Strafraum zur Ecke geklärt. Die tritt Türpitz und nach einem Schuss von Perthel aus dem Rückraum zappelte die Kugel abermals im Netz. Allerdings wurde auch diesem Treffer die Anerkennung verwehrt – warum genau, war im Stadion nicht ersichtlich, die Zusammenfassung gab später Aufschluss: Schiedsrichter Siebert hatte vorher ein Handspiel gesehen, wo es halt kein Handspiel gegeben hatte. Wenn man schon unten drin steht… aber lassen wir das. Auf der Anzeigetafel leuchtete weiterhin nur ein 0:1 und das war für den Moment erst einmal das einzige, was zählte.
Großes Glück dann noch einmal für die Gäste, dass eine Dynamo-Hereingabe in der 52. Minute nicht beim einschussbereiten Koné landete, weil sowohl Dennis Erdmann als auch Tobias Müller den Ball in der Mitte verpasst hatten. Irgendwie fand er dann doch noch den Weg aus dem Strafraum. Glück auch (oder Können), dass sich besagter Müller nach 55 Minuten so in den Schuss von Haris Duljevic werfen konnte, dass dieser eben den Magdeburger Verteidiger anschießt und nicht von der rechten Seite in die lange Ecke verwandeln kann.
Viel passierte dann im weiteren Verlauf eigentlich nicht. Dynamo war um Spielkontrolle bemüht und suchte die Lücke um den Magdeburger Strafraum herum, Blau-Weiß setzte indessen Nadelstiche, brachte zunächst aber auch keinen Schuss mehr aufs Tor. Es war schon irgendwie kurios: Obwohl man eigentlich so etwas wie ein Dresdner Offensivfeuerwerk (oder zumindest ordentlich Druck) hätte erwarten können, ging bei den Hausherren zwischen der 60. Minute und dem Ausgleich vier Minuten vor Schluss so gut wie überhaupt nichts. Das Problem war nur, dass der Club das leider nicht ausnutzen konnte. Machen wir da das zweite Tor, ist Dynamo mausetot.
In Spielminute 70 war es dann fast so weit: Türpitz mit einem Lauf auf der halblinken Seite und einem Durchstecker auf Lohkemper im Strafraum – Schubert hatte den Braten aber gerochen, kam gut herausgelaufen und war dementsprechend knapp vor dem Stürmer am Ball. Das sah eigentlich recht gut aus, war gleichzeitig aber auch die vorletzte wirkliche Torannäherung der Größten der Welt. Die letzte hatte Tarek Chahed kurz nach seiner Einwechslung in der 90. Minute, als ihm direkt mal eine Ecke vor die Füße fiel, er den Ball aber nicht aufs Tor, sondern nur rechts daneben geschaufelt bekam.
Zu dem Zeitpunkt stand es allerdings bereits 1:1, erzielt hatte den Ausgleich der ebenfalls eingewechselte Lukas Röser. Und es war – einmal mehr – ein unglaublich unnötiges Tor. Der Ball kommt aus dem linken Halbfeld, ist lange unterwegs und letztlich ist es dann eben Röser, der hochsteigt und die Kugel ziemlich frei einnicken kann. Super ärgerlich, aber lange Bälle in den Schlussminuten sind eben einfach unsere Achillesferse. Wie oben schon geschrieben: Es ist unglaublich, was wir durch solche Aktionen in dieser Saison schon alles haben liegen lassen. Falls es am Ende nicht reicht, werden es eben genau diese Szenen sein, die in der Rückschau noch mal richtig weh tun…
Nachgeliefert seien noch die anderen beiden Wechsel, die Michael Oenning in der 82. und der 90. Minute vorgenommen hatte: Aleksandar Ignjovski gab nach langer Verletzungspause sein Comeback und ersetzte Michel Niemeyer auf der linken Seite, Torschütze Björn Rother machte in der Nachspielzeit noch für Marcel Costly Platz. Mit der allerletzten Aktion des Spiels durfte dann noch einmal gezittert werden, einen Eckball brachte Dynamo dann aber nicht mehr gefährlich vor das Tor. Letztlich blieb es beim 1:1-Unentschieden, das unter dem Strich und auf die gesamten 90 Minuten gesehen eigentlich zu wenig ist.
Fazit:
Tja. Das ist ja nun wieder so ein „Glas halb voll/Glas halb leer“-Ding: Die Einen werden sagen, dass wir diese zwei Punkte erneut ohne jede Not weggeschenkt haben, noch dazu gegen einen Gegner, der in der zweiten Hälfte nun wirklich so gut wie gar nichts auf die Reihe bekam. Die Anderen (und zu denen zähle ich mich auch) werden dagegenhalten, dass der Auftritt in Dresden trotzdem ein richtig guter war – und so gänzlich anders als das, was die Mannschaft im letzten Heimspiel auf den Rasen brachte. Vielleicht geht ja aber auch beides: Man kann sich ja durchaus über die verlorenen Punkte ärgern und trotzdem mit dem Auftritt in Dresden zufrieden sein. Viel übrig bleibt einem ohnehin nicht – ob ich mich nun ärgere oder nicht, mehr Punkte als diesen einen werden wir nach diesem 26. Spieltag trotzdem nicht gutgeschrieben bekommen.
Jetzt steht erst einmal die letzte Länderspielpause der Saison an, in die sich der 1. FC Magdeburg mit einer natürlich viel zu mageren Bilanz von nur einem Punkt aus den letzten drei Spielen verabschiedet. Acht Partien sind es jetzt noch, 24 mögliche Punkte also, und es ist vollkommen klar, dass wir allzu viele nicht mehr liegen lassen dürfen, wenn wir am Ende der Spielzeit über dem Strich landen wollen. Es gibt allerdings auch überhaupt keinen Grund, jetzt Trübsal zu blasen, dafür haben wir im Zweifelsfall die ganze Sommerpause noch Zeit. Und auch wenn es eine viel zitierte und vermutlich auch reichlich überstrapazierte Phrase ist: Am Ende des Tages geht es nur zusammen. Also jetzt Kraft tanken für den Endspurt und dann Feuerwerk! Noch ist Magdeburg nicht verloren, noch sind reichlich Punkte im Topf. Es liegt jetzt auch an uns, in den verbleibenden Partien das Maximale herauszuholen. Sport frei!
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