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77, 29 – Rückblick auf die Regionalligasaison 2011/12

So. Die Fanutensilien sind erst mal wieder in den Schrank geräumt und Schal und Trikot waren in der Waschmaschine, um diese Horror-Regionalligasaison 2011/2012 ordentlich und hoffentlich nachhaltig rauszuwaschen. Zeit also, sich mit etwas Abstand und einem letzten großen Kraftakt einem Rückblick auf die gerade zu Ende gegangene Spielzeit des Ersten Fussballclubs Magdeburg zu widmen.

77, 29. Diese beiden Zahlen geben einen ziemlich grafischen Hinweis darauf, wie die gerade abgelaufene Saison der Größten der Welt zu bewerten ist. Stolze 29 von 102 möglichen Punkten hat der Europapokalsieger von 1974 im Spieljahr 2011/2012 in der Regionalliga Nord gesammelt. Im Gegensatz dazu stehen für den großen Rivalen aus dem Süden Sachsen-Anhalts 77 Zähler zu Buche. Genug, um die Liga in diesem Jahr zu gewinnen und in der kommenden Saison in der 3. Bundesliga anzutreten. Dort, wo der 1. FC Magdeburg nach Meinung der Fans mindestens hingehört. Das ist schmerzhaft, aber leider auch die bittere Realität. Genau wie der Umstand, dass wir uns in der neuen Saison mit Fussballgrößen wie Torgelow, Rathenow und Neustrelitz messen dürfen. Zweimal. In Punktspielen. Wer jetzt noch nicht verstanden hat, dass Rotterdam ’74 lange vorbei ist und der Club Jahre brauchen wird, um an Profifussball im HKS überhaupt auch nur ernsthaft denken zu können, dem ist nicht mehr zu helfen. Dazu aber später mehr.

An dieser Stelle soll es erst einmal, wie eingangs erwähnt, um einen persönlichen Saisonrückblick gehen. Hier ist es also – mein Saisonfazit in 7 Akten:

1. „FCM – wir sind da – jedes Spiel – ist doch klar…“ 

Naja, nicht ganz. Aber die Bilanz ist doch recht ordentlich: Alle Heimspiele mitgenommen und dazu noch die Auswärtspartien in Meuselwitz und Merseburg-Nord. Macht seit August 2011 summa summarum ungefähr 4.600 km für den Club. Meine Fresse.

2. Wer will noch mal, wer hat noch nicht? 

Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Verein in seiner ganzen langen Geschichte noch nie 4 Trainer in einer Saison verschlissen hat. Man möge mich korrigieren, wenn ich falsch liege. In die Saison gingen wir mit Wolfgang Sandhowe, dem „Papa“. Der Lohn für die Vermeidung des Abstiegs in der Vorsaison war ein neuer Vertrag. Angeblich hätte sich die Mannschaft für Herrn Sandhowe ausgesprochen, also quasi die einzige Instanz im Verein, die nun am Ende der Saison 2010/2011 (Stichwort: Fast-Abstieg) GAR KEINE Forderungen hätte stellen dürfen. Wer konnte da schon ahnen, dass es tatsächlich noch schlimmer geht? Auf Wolfgang Sandhowe folgte die „in-house-Lösung“ Ronny Thielemann, bis dato Co-Trainer und ehemaliger Bundesligaspieler bei Energie Cottbus. Sympathischer Typ, aber eben leider auch nicht viel mehr. Weiterentwicklung der Mannschaft? Naja – „weiter“ ist ja relativ, man könnte ja zum Beispiel auch rückwärts laufen… Auf Herrn Thielemann folgte Detlef Ullrich, für viele nach dieser Saison Feindbild Nummer 1 und – was sicherlich nicht 100% fair ist – Urheber der ganzen Saisonmisere. Man muss Herrn Ullrich allerdings tatsächlich vorwerfen, dass KEINE seiner Verpflichtungen in der abgelaufenen Saison auch nur ansatzweise überzeugen konnten. Nicht ein vom ihm an die Elbe gelotster Spieler – allesamt mit Cottbuser Vergangenheit – erreichten irgendwann in der Saison mal über mehr als ein Spiel so etwas wie Normalform. Ob das nun an toten Katzen unter dem HKS-Rasen, mangelnden Trainerfähigkeiten oder einfach nur fehlender Qualität lag, möchte ich hier nicht diskutieren. Die Fakten sprechen aber eigentlich für sich. Vom durch Herrn Ullrich entwickelten und von ihm viel zitierten Konzept war auf und neben dem Platz nichts zu sehen – möglicherweise ist der Durchschnitts-FCM-Fan aber auch einfach nur nicht in der Lage, seine Großartigkeit zu verstehen. Nachdem „Konzept-Ulle“ seinen großen (arroganten?) Worten („Wir trainieren weit über Regionalliganiveau.“ „Die Mannschaft hat die Qualität, oben mitzuspielen.“) ebenfalls keine Taten folgen lassen konnte, die Vereinsführung endlich mal aus ihrem Tiefschlaf erwachte und Mario Kallnik als neues Präsidiumsmitglied an Bord war, wurde Herr Ullrich als Trainer Nummer 3 in der vergangenen Spielzeit vollständig von seinen Aufgaben entbunden und Carsten Müller übernahm. Herr Müller ist eigentlich Leiter des Nachwuchsleistungszentrums und in der Kette unserer Übungsleiter der vergangenen Saison die ärmste Sau. Ihm oblag es nun, die Spielzeit einigermaßen anständig zu Ende zu bringen, was ihm, soviel sei an dieser Stelle gesagt, den Umständen entsprechend gelang. Berücksichtigt werden muss hier auch, dass der Verein in der Endphase der Saison endlich das tat, was eigentlich die ganze Saison über schon angesagt gewesen wäre: ausprobieren, strukturieren, sichten, und das Grundgerüst für eine Mannschaft 2012/2013 aufbauen. Man kann nur hoffen, dass wir auf dem Trainerstuhl mit der Verpflichtung von Andreas Petersen nun ein wenig Ruhe in den Laden bekommen. Richtig schön wäre es, wenn wir seit einer gefühlten Ewigkeit eine Saison mal wieder mit dem Trainer beenden würden, mit dem wir sie auch begonnen haben.

3. Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? 

„Pizzaservice!“ So oder so ähnlich meldeten sich wohl angebliche Hooligans, die unseren damaligen Kapitän Daniela, äh, Daniel Bauer angeblich an/in/vor seiner Wohnung bedroht haben sollen, an der Gegensprechanlage. Die ganze Geschichte war von Anfang an irgendwie merkwürdig und es hat schon einen zumindest leicht faden Beigeschmack, dass unser ‚Capitano‘ kurz vorher als Spielführer abgesetzt wurde und überhaupt die ganze Saison bis dahin lieber rummaulte und greinte, anstatt die berühmten Arschbacken zusammenzukneifen und auf dem Platz und daneben für Leistung und Ordnung zu sorgen. Nicht falsch verstehen – FALLS es diesen Übergriff auf Daniel Bauer gegeben haben SOLLTE, ist dieser natürlich auf das Allerschärfste zu verurteilen. Nur: so richtig dolle glaubwürdig war die ganze Geschichte nie, die Sache ist irgendwie im Sande verlaufen, der Hype um das Geschehen abgeebbt – nur der Imageschaden für den FC Magdeburg ist geblieben. Herr Bauer spielt inzwischen bei Eintracht Trier, also quasi bei Mutti, und der FCM taucht nunmehr nur noch ab und an als leuchtendes Beispiel für die pösen, pösen Fans auf, wenn die Journaille mal wieder irgendwelche Geschichten von gewalttätigen Fussballfans braucht und/oder unreflektiert übernimmt. Aber wie heißt es so schön: „das kann doch einen Clubfan nicht erschüttern“…

4. Kommt das hier noch wem spanisch vor? 

„Selten so gelacht“ ist wohl auch der treffendste Kommentar zu einem angeblichen Einstieg eines angeblichen Investors bei den Größten der Welt. Viel spannender als die kläglichen Versuche der spanischen ASAP, irgendetwas Belastbares zu Papier zu bringen, war für mich aber die Reaktion der Magdeburger Fanszene auf die ganze Geschichte. Viele derjenigen, die Konstrukte wie „RasenballSport“ Leipzig verteufeln, schrieen fleißig „hier“, als die Spanier – vermeintlich – mit der ganz dicken Kohle winkten. Selbstverständlich liegt die ganze Sache ja, wenn es den eigenen Verein betrifft, immer völlig anders als in Leipzig, Hoffenheim oder sonst wo. Ich habe wirklich selten so viele blauäugige, doppelzüngige, manchmal auch schlichtweg dumme und unreflektierte Kommentare gehört, wie zu Hochzeiten dieses ASAP-Blödsinns, und oft hat mich diese ganze schwarz-weiße „Entweder ASAP, oder Insolvenz“-Argumentation vieler auch ziemlich geärgert. Gleichzeitig gab es aber auch mahnende Worte und besonnene Gedanken zu dem ganzen Thema, die aber leider viel zu oft im allgemeinen Millionen-Wunschtraumrausch untergingen. Ich persönlich bin heilfroh, dass aus dem Tete-a-tete mit den Spaniern nichts geworden ist. Lieber ohne Investor in Liga 4, als seelenlos in Liga 2. Ja ja, ich weiß, „Äpfel mit Birnen“ und so und eigentlich hab ich ja sowieso überhaupt keine Ahnung und so weiter… Fakt ist, dass wir auch weiterhin darauf angewiesen sein werden, mit einer vernünftigen Vereinsführung, guter Jugendarbeit, wohl gesonnenen Sponsoren, einem glücklichen Händchen bei Spielerverpflichtungen und vielem anderen mehr, so wie eben jeder ’normale‘ Fussballverein in Deutschland auch, wieder dahin zu kommen, wo wir hingehören. Bei den Magdeburger Strukturen und dem Tiefschlaf der Verantwortlichen in den vergangenen Jahren wird das schwer genug.

5. Heimsieg! Heim… was?

Es klingt wirklich unglaublich, aber man musste als geneigter Fan des 1. FC Magdeburg tatsächlich bis zum 31. Spieltag warten, um den ersten Heimsieg der Saison zu erleben. Eine so lange Heim-Durststrecke hatte vor dem aktuellen Kader noch keine erste Männermannschaft des 1. FCM seit Vereinsgründung auf den Rasen gezaubert. Böse Zungen würden ja behaupten, dass es ob dieses Laufs fast schon schade ist, dass der WHV uns die Punkte überlassen hat; allerdings wird diese Serie hoffentlich trotzdem ein trauriger Rekord für die Ewigkeit bleiben. Ich für meinen Teil kann zumindest sagen: „FCM: 2, Wilhelmshaven: 0 – ich war dabei“…

6. Die Größten der Welt 

Dass die Fans des Ersten Eff Zee Magdeburg trotz aller Nackenschläge die Größten der Welt sind und bleiben, bewies die abgelaufene Spielzeit einmal mehr. Wir sahen ergreifende, lustige und spektakuläre Aktionen im HKS.

Die Anteilnahme am Tod des jungen Fans Daniel Berger  und das Gedenken an Fan-Unikat „Keckitsch“ (Abschiedsvideo von www.sportfotos-md.de) gehörten sicher zu den stillen und bewegenden Momenten der letzten Saison. Die Partie gegen Hannover 96 Zweite Mannschaft, während der das nebenstehende Photo entstand, blieb mir dabei besonders in Erinnerung, weil auch der Hannoveraner Anhang dem auf tragische Weise verstorbenen Daniel die Ehre erwies und erst in der 18. Minute – nachdem auch Block U seine stille Anteilnahme beendete – lautstark das Stadioninnere betrat. Einer der wenigen Gänsehautmomente und bezeichnenderweise einer, der mit dem ‚Spektakel‘ auf dem Rasen gar nichts zu tun hatte.

Natürlich darf auch die mittlerweile weit über die Grenzen der Festungsstadt bekannte Pfeil-Aktion von Block U nicht unerwähnt bleiben. Unter dem Motto „Wir zeigen Euch, wo das Tor steht“, wurde 90 Minuten lang eine im deutschen Fussball bis dato wohl einzigartige Aktion durchgezogen, die nicht nur Stefan Raab darüber berichten ließ.

Schließlich war dann da noch die Pyroshow im Flutlichtspiel gegen den VFC Plauen (danke wiederum an „Sportfotos MD“ für das schicke Video), ein weiterer beeindruckender Beweis dafür, dass Pyrotechnik nicht automatisch Randale bedeutet und eben doch für eine stimmungsvolle Kurve sorgen kann. Unsere Rasenstrategen ließen sich davon selbstredend nicht groß beeindrucken, das Spiel gegen die Vogtländer reihte sich ein in die ein ums andere Mal enttäuschenden Vorstellungen zuhause, gewonnen wurde natürlich nicht…

7. „In Scharen ziehen wir durch’s Land – völlig außer Rand und Band…“ 

…tragen Schals in uns’ren Farben – ja wir sind vom FCM!“ – So oder so ähnlich ertönen in der kommenden Saison wohl die Schlachtrufe in den Regionalbahnen und Ferkeltaxis zwischen Zwickau und Rathenow. Die neuerliche Liga-Reform rettete uns in der abgelaufenen Spielzeit vor dem Abstieg und beschert uns nun eine von fünf neuen Regionalligen, die das ‚regional‘ im Namen wohl wirklich verdient haben. Neben der BSG Sachsenring Zwickau und dem 1. FC Lokomotive Leipzig geht es noch gegen den FC Carl Zeiss Jena, RasenBallsport Leipzig (hihi), den Berliner AK 07, den Zipsendorfer Fussballclub Meuselwitz, den VFC Plauen, Hertha BSC Berlin Zweite Mannschaft, Energie Cottbus Zweite Mannschaft, den VfB Germania Halberstadt, den 1. FC Union Berlin Zweite Mannschaft, FSV Optik Rathenow, den VfB Auerbach, die TSG Neustrelitz und den Sieger der Entscheidungsspiele zwischen dem Torgelower SV Greif und dem VfB Fortuna Chemnitz. Eine illustre Runde aus Vollprofi- und Vollamateurmannschaften und eine Ansammlung an Gegnern, die zumindest das eine oder andere heiße Derby erwarten lassen. Schade, dass das Westsachsenstadion in Zwiggau nicht bespielbar ist und schade auch, dass wir gegen die Lok wohl in der „Popcorn-und-Cola“-Arena Leipzig, dem ehemaligen Zentralstadion, antreten müssen und nicht im Bruno-Plache-Stadion. Schade und eigentlich schlimm auch, dass wir gegen Germania Halberstadt die Plätze 2 und 3 in Sachsen-Anhalt ausspielen müssen, während sich die Sportskameraden aus Merseburg-Nord eine Spielzeit lang in Deutschlands dritthöchster Spielklasse blamieren dürfen.

Ich würde ja an der Stelle gern sagen, dass es ja nicht für lange ist und dass wir als ’schlafender Riese‘ bestimmt ganz bald wieder zurück sind auf der großen Fussballbühne. Die traurige Realität ist aber, dass wohl auf die nächsten Jahre diese Regionalliga unser Zuhause bleiben wird. Ein Gemengelage aus nichtsblickenden Funktionären, Unvermögen und Pech, verfehlter Transferpolitik, verschlafenen Chancen und einer in weiten Teilen immer noch ziemlich erschreckenden Arroganz größerer Teile der Fanszene, verbunden mit einer oft völlig überzogenen Erwartungshaltung an alles, was mit dem Club zu hat, haben den Verein um Jahre zurückgeworfen, während Sportgemeinschaften mit deutlichen schlechteren Voraussetzungen als den unseren längst an uns vorbeigezogen sind. Chemnitz und Babelsberg spielen schon in Liga 3, der Hässliche FC in der nächsten Saison, die infrastrukturarmen Aue und Cottbus gar in der zweiten Liga. Wir aber messen uns mit Rathenow, Torgelow und Auerbach und können froh sein, dass uns wenigstens die alten DDR-Derbys noch ein wenig die Kassen füllen.

Soweit der Rückblick und der kleine Ausblick auf die neue Saison. Und da es wesentlich schlechter als 2011/2012 nicht laufen kann, ist die neue Dauerkarte für 12/13 natürlich bereits vorbestellt :-).

Jetzt ist aber erst mal Sommerpause. Natürlich wird aufmerksam verfolgt, wie sich die Kaderzusammenstellung für die kommende Saison gestaltet und wie es im Verein weitergeht. Klar ist aber auch, dass sich auch die Fans, und das schließt mich ein, nach dieser Spielzeit, die Leidenspotential für 10 Saisons hatte, eine Pause verdient haben. Die EM steht an (da gibt es richtigen Fussball O_O!) und auch die eine oder andere Urlaubsreise wird dabei helfen, Kraft zu tanken und mit neuen Hoffnungen und neuem Elan in das neue Spieljahr zu gehen. Denn eins ist klar:

EINMAL – IMMER

und:

„Du bist niemals alleine…“

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